Die EZB sollte aus Sicht ihrer Präsidentin Christine Lagarde eine überhastete Zinssenkung vermeiden. Denn das könnte zu einer länger anhaltenden Inflation führen und die Währungshüter dazu zwingen, die Geldpolitik erneut zu straffen, sagte die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments in Brüssel. „Das Letzte, was ich möchte, ist, dass wir eine übereilte Entscheidung treffen, um dann die Inflation wieder steigen zu sehen und weitere Maßnahmen ergreifen zu müssen", warnte sie. Die jüngsten Wirtschaftsdaten deuteten zwar auf eine Rückkehr der Inflation im Euroraum zum Zwei-Prozent-Ziel der Notenbank hin. „Aber wir brauchen noch mehr Zuversicht."
Prozess der Disinflation
Im Januar lag die Inflationsrate in der 20-Ländergemeinschaft bei 2,8 Prozent nach 2,9 Prozent im Dezember. Die EZB hat die Zinsen nach zehn Anhebungen in Serie bereits seit September 2023 unverändert gelassen. Der Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, liegt seitdem bei 4,0 Prozent - das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999. Am Finanzmarkt wird bereits damit gerechnet, dass die Euro-Wächter im April oder im Juni erstmals wieder die Zinsen senken.
„Der derzeitige Disinflationsprozess wird sich voraussichtlich fortsetzen, aber der EZB-Rat muss zuversichtlich sein, dass er uns nachhaltig zu unserem Zwei-Prozent-Ziel führen wird", sagte Lagarde den Abgeordneten. Die Notenbank benötige noch mehr Daten. Sie werde weiter datengestützt vorgehen und von Sitzung zu Sitzung entscheiden. Es gebe zwar Indikationen, in welche Richtung sich die Zinsen bewegen dürften. "Aber ich werde mich vor jeder Art von Zeitplan, vor jeder Art von Vorgabe hüten, denn wir haben gesagt und wir halten daran fest, dass wir datenabhängig sind", sagte sie. Die nächste EZB-Zinssitzung ist am 7. März.
Kleinere Bilanz der EZB
Die Notenbankchefin äußerte sich vor den EU-Abgeordneten auch zur laufenden Überprüfung des operativen Rahmens, mit dem die EZB die kurzfristigen Zinsen steuert. Diese Überprüfung sei noch nicht abgeschlossen, sagte sie. „Wir werden in ein paar Monaten fertig sein." Der Steuerungsrahmen werde künftig voraussichtlich auch ein Anleihen-Portfolio enthalten, sagte sie. „Das wird sehr wahrscheinlich eine Kombination eines Anleihenportfolios umfassen aber auch Kreditoperationen mit unterschiedlichen Laufzeiten."
Da die Jahre der Niedriginflation, der Nullzinsen und billionenschweren Anleihenkäufe vorbei sind, muss die EZB entscheiden, wie sie in Zukunft die Banken der Euro-Zone mit Liquidität versorgen will. Dabei ist eine zentrale Frage, ob ein überarbeiteter Steuerungsrahmen auch ein Portfolio von Anleihen enthalten und ob die EZB kontinuierlich Staatsanleihen erwerben sollte. Aus Sicht von Lagarde wird die Notenbank-Bilanz künftig sehr wahrscheinlich kleiner sein als sie es jetzt ist. Eine konkrete Größenangabe machte sie nicht. „Was die Richtung angeht, wird sie geringer sein," sagte sie lediglich. Aktuell hat die EZB-Bilanz ein Volumen von rund 6,9 Billionen Euro. Vor Ausbruch der globalen Finanzkrise 2007 hatte das Volumen noch bei 1,5 Billionen Euro gelegen. (rtr)