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EU-Bargeldobergrenze: Sinnvolle Maßnahme gegen Geldwäsche oder erste Etappe der Bargeld-Abschaffung?

Lesezeit: 3 min
02.03.2024 15:30  Aktualisiert: 02.03.2024 15:45
Barzahlungen ade? Transaktionen über 10.000 Euro sollen künftig nicht mehr bar abgewickelt werden dürfen. Darauf haben sich das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten der EU geeinigt. Offiziell, um effektiver gegen Geldwäsche vorzugehen - inoffiziell womöglich, um die Abschaffung des Bargelds voranzutreiben.
EU-Bargeldobergrenze: Sinnvolle Maßnahme gegen Geldwäsche oder erste Etappe der Bargeld-Abschaffung?
Die EU verbietet hohe Barzahlungen - und geht damit einen ersten Schritt in Richtung Bargeldverbot. (Foto: dpa)

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Trotz des digitalen Zahlungsbooms ist Bargeld beliebt: Deutsche Verbraucher möchten auch in Zukunft mit Bargeld bezahlen, wie eine Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ergab. Doch die Europäische Union (EU) plant, Bargeldtransaktionen über 10.000 Euro zu verbieten, um Geldwäsche zu bekämpfen und illegales Kapital aus dem Finanzsystem fernzuhalten.

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums betonte die Wichtigkeit der geplanten EU-Regelungen im Gespräch mit der Tagesschau: „Durch die Beschränkung des anonymen Zahlungsmittels Bargeld könnten getätigte Transaktionen leichter nachvollzogen und Zusammenhänge zu Straftaten besser erkannt werden“, erklärte sie. Ziel ist es, Gelder aus illegalen Quellen – wie Drogenhandel und Korruption – aus dem Wirtschaftskreislauf zu verbannen.

Die EU treibt damit ihre Strategie gegen Finanzkriminalität voran und folgt dem Beispiel von Ländern wie Frankreich und Spanien, die schon strenge Obergrenzen für Bargeldgeschäfte etabliert haben. Europol, die europäische Polizeibehörde, veranschlagt den Umfang verdächtiger Finanzbewegungen innerhalb Europas zuletzt auf etliche hundert Milliarden Euro.

Auswirkungen der Bargeldobergrenze auf den Alltag

„Das ändert im Alltag praktisch aller Menschen in Deutschland gar nichts" - so Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Aber ist das wirklich so? Die Umstellung auf eine 10.000-Euro-Obergrenze könnte die Zahlungsgewohnheiten deutlich in Richtung digitaler Methoden verschieben. Das erhöht zwar Bequemlichkeit und Sicherheit durch den Wegfall des physischen Transports großer Geldsummen, schränkt aber die freie Wahl des Zahlungsmittels ein und bringt zusätzliche Bankgebühren sowie Datenschutzfragen mit sich.

Zum Beispiel könnte Frau Meier, die ihrer Enkelin eigentlich eine größere Summe in bar schenken wollte, nun mit zusätzlichen Bankgebühren und Prozesskomplexität konfrontiert werden. Die Anschaffung eines Gebrauchtwagens veranschaulicht weitere praktische Probleme - durch elektronische Zahlungen haben Käufer und Verkäufer mit Unsicherheiten zu kämpfen: Von der Sorge um nicht erhaltene Zahlungen bis hin zum Risiko von Betrug.

Debatte um Effektivität und Auswirkungen der Bargeldbeschränkung

Kritiker, wie Johannes Beermann, ehemaliger Vorstand der Deutschen Bundesbank, äußern Skepsis bei der Beschränkung von Bargeldtransaktionen und hinterfragen deren Effektivität in der Kriminalitätsbekämpfung. Bislang „gibt es keinen wissenschaftlich fundierten Beleg, dass mit Barzahlungsobergrenzen das Ziel erreicht wird, Geldwäsche zu bekämpfen", argumentiert erim Gespräch mit der Tagesschau.

Auch Mitglieder der Unionsparteien, darunter Markus Ferber, Vorsitzender der CSU im Europaparlament, sprechen sich gegen eine generelle Barzahlungsobergrenze aus. Die Verbraucherzentrale Bundesverband warnt vor einer möglichen Überwachung des Kaufverhaltens durch die Behörden.

Effekt auf lokale Geschäfte

Die neue Regelung könnte besonders Kleinunternehmen und lokale Geschäfte in weniger digitalisierten Regionen treffen, die zu einer Überarbeitung ihrer Zahlungspraktiken gezwungen wären, was zusätzliche Kosten und logistische Herausforderungen mit sich bringt. Zwar nutzen viele Geschäfte mit regelmäßig hohen Transaktionen schon jetzt alternative Bezahlungsmethoden – aber in einigen Regionen sind Barzahlungen noch immer die Norm.

Auch im Handel mit Antiquitäten und anderen Sammlerstücken, wo Bargeld bisher traditionell verwendet wird, sowie im Gastgewerbe und bei Veranstaltungen, könnte die Umstellung auf elektronische Zahlungen zwar die Transparenz und Nachverfolgbarkeit erhöhen, jedoch auch die Freiheit der Zahlungswahl einschränken. Dies würde diejenigen belastet, die aus Gründen der Autonomie oder Kontrolle Bargeld bevorzugen.

Verschärfung der Bargeldregelungen und Ausblick auf die EU-Finanzpolitik

In Deutschland, bekannt für seine vergleichsweise liberalen Bargeldregelungen, müssen Händler bislang bei Transaktionen über 10.000 Euro lediglich einen Identitätsnachweis der Kunden dokumentieren. Einzelne Bereiche wie Immobilien sind bereits strengeren Regeln unterworfen und auch für Edelmetallkäufe über 2.000 Euro ist seit Anfang 2020 ein Nachweis der Identität erforderlich, was anonyme Käufe ausschließt.

Mit der kommenden Barzahlungsgrenze werden härtere Regelungen gelten. Das Inkrafttreten der neuen EU-Vorschriften steht noch bevor, da sie noch der Zustimmung des EU-Parlaments und -Rates bedürfen. Es bleibt zu hoffen, dass die neuen EU-Regulierungen diejenigen, die aus Notwendigkeit oder Vorliebe Bargeld nutzen, nicht über Gebühr belasten. Der Kampf gegen Geldwäsche darf nicht zulasten der Privatsphäre und der Wahlfreiheit der Bürger geführt werden. Es bleibt zu hoffen, dass dies nicht der erste Schritt in Richtung einer kompletten Abschaffung des Bargelds ist.

EU verschärft Finanzüberwachung und plant neue Geldwäschebehörde

Neben der Barzahlungsgrenze plant die EU, ihre Maßnahmen zur Finanzüberwachung auszuweiten: Verkäufer von Luxusgütern wie Edelsteinen, Yachten und Privatjets werden verpflichtet, Käuferidentitäten festzustellen und hohe Transaktionen zu melden. Ebenso werden Transaktionen mit Kryptowährungen und das Bankwesen vermögender Personen strenger kontrolliert. Künftig müssen größere Unternehmensanteile EU-weit registriert werden, um Sanktionsverstöße, wie sie von russischen Oligarchen während des Ukraine-Konflikts vermutet werden, zu unterbinden. Ab 2029 erstreckt sich diese Regelung auch auf den Profifußball, wo viele Transaktionen noch bar erfolgen, was Geldwäsche erleichtert.

Zusätzlich arbeitet die Europäische Kommission an der Schaffung einer neuen Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche. Diese soll den Namen „Anti-Money Laundering Authority" (AMLA) tragen und mit der Befugnis ausgestattet werden, Strafen bei Nichteinhaltung europäischer Vorschriften zu erlassen. Das Bundesland Hessen setzt sich dafür ein, dass diese neue Institution ihren Sitz in Frankfurt am Main erhält.


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