Die Deutsche Bahn ist Konzerndokumenten zufolge 2023 noch tiefer in die roten Zahlen gefahren als erwartet. Das halb-staatliche, halb-private Unternehmen weist unterm Strich einen Verlust von zwei Milliarden Euro aus, wie Unterlagen zeigen, die der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag vorlagen. Eine Sprecherin der Bahn wollte sich zu den Zahlen nicht äußern und verwies auf die Bilanzpressekonferenz nächste Woche.
Hauptgründe sind hohe Ausgaben für das marode Netz sowie eine drastischer Gewinn-Rückgang der Speditionstochter Schenker. Ende 2023 hatte die Bahn laut internen Papieren noch mit einem Minus von nur rund 1,3 Milliarden gerechnet. Zum Vergleich: 2022 betrug der Verlust nur etwas über 200 Millionen Euro, der Umsatz lag bei über 56 Milliarden Euro. Dieser schmolz nun auf 45 Milliarden Euro zusammen. Dennoch plant der Konzern 2024 eine Rückkehr in die Gewinnzone. Zumindest ohne Zins- und Steuerzahlungen soll das Plus rund 1,3 Milliarden Euro betragen.
Marodes Schinennetz verschlingt große Summen
Zum einen muss die Bahn große Summen für das marode Schienennetz stemmen. Das Netz war früher mit den Erlösen aus den Nutzungsgebühren für die Gleise ein wichtiger Gewinnlieferant für den Konzern. Viele Jahre wurde aber an der Instandhaltung gespart, was sich jetzt rächt. 2022 hatte das Netz noch einen Betriebsgewinn von 600 Millionen Euro abgeliefert. Nun ein Jahr später schlägt ein Verlust von 1,2 Milliarden Euro zu Buche. Allerdings ist die Bahn 2023 bei den Ausgaben teils in Vorleistung gegangen und erwartet noch zugesagte Mittel von mehreren Hundert Millionen Euro vom Staat. Diese sollen nun 2024 fließen, was teilweise Grund dafür ist, dass die Bahn im laufenden Jahr Jahr zumindest beim Betriebsergebnis wieder in die Gewinnzone will.
Einzige Gewinnsparte steht vor dem Verkauf
Zum anderen ging der Gewinn der internationalen Speditionstochter Schenker auf rund eine Milliarde Euro von 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2022 zurück. Die hohen Frachtraten aus der Zeit von Lieferengpässen im Zuge der Corona-Krise haben sich normalisiert. Auch für dieses Jahr erwarte der Konzern wieder einen Gewinn in ähnlicher Höhe. Die Zahlen haben besondere Bedeutung, da die Bahn Schenker zum Verkauf gestellt hat und noch dieses Jahr einen neuen Eigentümer finden will. Mit den erwarteten Erlösen - Schätzungen liegen zwischen 12 und 15 Milliarden Euro - soll der Schuldenberg des Mutterkonzerns reduziert werden. Den Papieren zufolge beträgt er inzwischen 34 Milliarden Euro. Eine Reduzierung ist auch deshalb wichtig, damit die Bahn ihre Kreditwürdigkeit verteidigen kann und so weniger Zinsen für zukünftige Neuschulden zahlen muss.
Strategisch will die Bahn sich künftig mehr auf das Kerngebiet Eisenbahn in Deutschland konzentrieren, worauf auch die Ampel-Koalition dringt. Andererseits fehlt der Bahn damit der wichtigste Gewinn-Lieferant, der die Verluste in Deutschland ausgleicht.
Güterbahn ist hochdefizitär
Dies macht sich vor allem beim chronisch kriselnden Schienengüterverkehr von DB Cargo bemerkbar: 2023 türmten sich die Verluste hier auf rund eine halbe Milliarde Euro. Eigentlich sollte die Sparte 2024 wieder einen kleinen Gewinn machen. Doch davon ist die Bahn offenbar wieder abgerückt: Stattdessen geht man nun in den Dokumenten nun von einem Minus von über 50 Millionen Euro aus.
Dies ist besonders fatal, da DB Cargo im Visier der EU-Kommission ist. Diese stößt sich daran, dass die Verluste der vergangenen Jahre jeweils vom Konzern ausgeglichen wurden und sieht darin eine Wettbewerbsverzerrung. Die DB-Konkurrenz fährt mittlerweile 60 Prozent des Schienengüterverkehrs. In Bahn-Kreisen wird befürchtet, dass die EU-Kommission im Extremfall entscheiden wird, dass Teile von Cargo an Wettbewerber abgegeben werden müssen. Vorstand und Arbeitnehmervertreter ringen seit Monaten um eine Sanierungskonzept.
Besser lief es dagegen trotz Streiks im vergangenen Jahr beim Fernverkehr mit IC und ICE. Die große Reiselust der Deutschen verhalf der Sparte den Dokumenten zufolge immerhin zu einem Betriebsgewinn von 200 Millionen Euro. (reuters)