Politik

IW-Ökonom: „In Heils Rentenpaket fehlen 34 Milliarden Euro“

Mit dem neuen Rentenpaket will Arbeitsminister Heil das Rentenniveau bis Ende der 2030er Jahre bei 48 Prozent stabilisieren. „Das wird teuer“, warnt Jochen Pimpertz. Der IW-Ökonom geht davon aus, dass der Beitragssatz bis 2035 auf über 22 Prozent steigen wird und prognostiziert eine Finanzierungslücke von 34 Milliarden Euro.
14.03.2024 14:16
Aktualisiert: 14.03.2024 14:30
Lesezeit: 2 min

Nach den Plänen von Bundesarbeitsminister Heil (SPD) bleibt alles beim Alten: Bis Ende der 2030er Jahre sollen sich Rentner auf ein stabiles Rentenniveau von 48 Prozent verlassen können. Das heißt: Wer 45 Jahre gearbeitet und durchschnittlich verdient hat, soll 48 Prozent des Durchschnittsverdienstes als Rente bekommen. Da es aber immer mehr Rentner und immer weniger Beitragszahler gibt, könnte das für die Beitragszahler teuer werden.

„Die Bundesregierung geht in ihrem Rentenversicherungsbericht von einem Rentenniveau von 45,4 Prozent im Jahr 2035 aus – bei einem dann steigenden Beitragssatz von 21,1 Prozent“, sagt der Ökonom Dr. Jochen Pimpertz vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). „Würden die Ausgaben im gleichen Maße steigen wie das Rentenniveau, wären im Jahr 2035 rund 631 Milliarden Euro statt der bisher erwarteten 597 Milliarden Euro fällig. In Heils Rentenpaket fehlen also 34 Milliarden Euro.“

Beitragssatz müsste auf über 22 Prozent steigen

Derzeit tragen die Beitragszahler der gesetzlichen Rentenversicherung 77 Prozent der Rentenausgaben, der Bund den Rest. Bliebe es dabei, müssten die Beitragszahler im Jahr 2035 zusätzlich 26,3 Milliarden Euro aufbringen, der Bund acht Milliarden. „Dazu bräuchte es einen noch höheren Beitragssatz von dann 22,3 Prozent statt ‚nur‘ 21,1 Prozent“, rechnet IW-Ökonöm Pimpertz vor. Aktuell liegt der Satz noch bei 18,6 Prozent. Höhere Beiträge werden aber nicht erst 2035 fällig. Schließlich sollte das Rentenniveau bereits ab 2027 unter die 48-Prozent-Marke fallen.

Getrieben wird diese Entwicklung vor allem durch den demografischen Wandel. Denn mit der Alterung der geburtenstarken Jahrgänge der sogenannten Baby-Boomer steigt der Rentner-Beitragszahler-Quotient in den kommenden anderthalb Jahrzehnten von 0,52 auf 0,63. Pimpertz: „Dieser Anstieg dämpft den jährlichen Rentenanstieg mit der Folge, dass das Sicherungsniveau vor Steuern sinkt. Wird es stattdessen bei 48 Prozent fixiert, erhalten alle Rentner höhere Bezüge als ursprünglich erwartet, die Rentenausgaben steigen.“

Hohe Milliardenbeträge für die Kapitaldeckung notwendig

Mit der Stiftung Generationenkapital will die Bundesregierung auf diese Entwicklung reagieren. Nach den Plänen der Ampel soll die Stiftung Vermögen am Kapitalmarkt anlegen und die jährlichen Erträge an die Rentenkasse abführen. Damit sollen Beitragseinnahmen ersetzt und der Beitragssatzanstieg gebremst werden.

„Auch hier lässt sich der Bedarf abschätzen“, sagt Pimpertz und rechnet vor: „Wollte die Bundesregierung den Beitragssatz nach 2030 auf 22 Prozent begrenzen, läge er erstmals 2035 darüber. Dann müsste die Stiftung Einnahmen in Höhe von 0,3 Beitragssatzpunkten ersetzen, das wären immerhin 6,7 Milliarden Euro. Um den ursprünglich geplanten Beitragssatz von 21,1 Prozent zu halten, wären sogar 26,3 Milliarden Euro nötig.“

Kapitalerträge statt Beitragseinnahmen?

Da der Beitragssatz ohne den Generationenfonds in den Folgejahren weiter steigen würde, wären dann noch höhere Summen erforderlich. Im Jahr 2035 wären bei einer Rendite von drei Prozent 223 Milliarden Euro vonnöten. Bei einem Beitragssatz von 21,1 Prozent wären es sogar 877 Milliarden Euro. Da danach noch höhere Renditen erwirtschaftet werden müssen, um den Beitragssatz zu stabilisieren, steigt der Kapitalbedarf weiter.

2024 will der Bund erstmals 12,5 Milliarden an die Stiftung überweisen. Bleibt es dabei, wären 2035 nur noch 177 Milliarden Euro im Depot - selbst wenn bis dahin kein Geld in die Rentenkasse fließt. Ab 2036 sollen durchschnittlich 10 Milliarden Euro pro Jahr in die Rentenkasse fließen. „Dafür braucht es aber eine Rendite von mindestens 5 Prozent. Aber auch danach droht der Beitragssatz zu steigen, weil die Bevölkerung auch nach 2035 immer älter wird“, prognostiziert Pimpertz. „Es braucht also ein stetig steigendes Kapital, um weitere Erhöhungen der Rentenbeiträge über 2035 hinaus zu vermeiden.“

Vor diesem Hintergrund gibt der IW-Ökonom zu bedenken: „Wer hohe Renditen erwartet, sollte wissen, dass Renditechancen riskanter sind als sichere Anlagen. Das bedeutet, damit überhaupt regelmäßige Erträge fließen, muss erst einmal das Kapital erhalten bleiben. Ansonsten geht diese Rechnung nicht auf.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmen
Unternehmen Flixtrain bereit zum harten Wettbewerb um Bahn-Kunden
18.11.2025

Im Fernverkehr auf deutschen Schienen herrscht bislang wenig Wettbewerb. Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern. Ein kleiner...

DWN
Technologie
Technologie Fliegende Autos: XPeng eröffnet erste Produktionsstätte für Flugfahrzeuge in China
18.11.2025

China eröffnet erstmals industrielle Strukturen für Fahrzeuge, die sowohl am Boden als auch in der Luft nutzbar sein sollen. Wird damit...

DWN
Technologie
Technologie Cloudflare down: Internetdienste X und ChatGPT massiv von Cloudflare-Störung betroffen
18.11.2025

Die Cloudflare-Dienste sind seit Dienstagmittag weltweit massiv gestört, betroffen sind darunter große Plattformen wie X und ChatGPT. Das...

DWN
Finanzen
Finanzen Nokia-Aktie und Nvidia-Aktie im Fokus: Wie die Partnerschaft 5G-Wachstum antreibt
18.11.2025

Die einst vor allem für Handys bekannte Nokia hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt und rückt nun wieder in den Fokus von...

DWN
Finanzen
Finanzen Vestas-Aktie im Minus: So sollen 900 gezielte Entlassungen die Ertragsziele stützen
18.11.2025

Die Vestas-Aktie steht derzeit unter Druck. Dass das Unternehmen weltweit 900 Bürostellen abbaut, scheint den Anlegern auch Sorgen zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Erfolg im Job: Warum Diplome nicht mehr über Karrierechancen entscheiden
18.11.2025

Die Anforderungen an Fachkräfte haben sich deutlich verändert, und Arbeitgeber legen zunehmend Wert auf Fähigkeiten, Persönlichkeit und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs rutscht unter 90.000 US-Dollar: Kryptomarkt in extremer Angst
18.11.2025

Der Bitcoin-Kurs ist tief gefallen und löst weltweit Unruhe unter Anlegern aus. Der Fear-and-Greed-Index warnt vor extremer Angst am...

DWN
Technologie
Technologie Digitale Souveränität in Europa: Beckedahl kritisiert Bundesregierung
18.11.2025

Deutschland feiert neue Google- und Microsoft-Rechenzentren, während die digitale Abhängigkeit von US-Konzernen wächst. Der...