Technologie

Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert

Lesezeit: 6 min
26.04.2024 09:04  Aktualisiert: 29.04.2024 03:00
Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) hervor. Doch globale Rivalen und regulatorische Hürden machen es den Unternehmen hierzulande nicht leicht. Deutschlands KI-Zukunft steht bereits jetzt auf dem Spiel.

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Die Bundesregierung hat im Jahr 2023 im Rahmen ihrer KI-Strategie angekündigt, Künstliche Intelligenz (KI) "Made in Germany" als ein international anerkanntes Gütesiegel zu etablieren. Dieser Schritt in der Digitalpolitik sieht vor, Deutschland als führenden Standort für KI-Entwicklung und -Anwendung zu positionieren. Derzeit unterstützt der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) dieses Vorhaben. Laut einer Studie im Auftrag des Bitkom haben bereits 68 Prozent der deutschen Unternehmen das transformative Potenzial von KI erkannt, 15 Prozent von ihnen nutzen aktiv KI-Lösungen. Diese positive Entwicklung ist auch mit Herausforderungen verbunden, vor allem im Hinblick auf regulatorische Rahmenbedingungen, die die Dynamik dieses Sektors beeinflussen.

Standort Deutschland im internationalen KI-Rennen

Trotz der ambitionierten Pläne Deutschlands, eine Spitzenposition im Bereich der KI einzunehmen, zeigt der internationale Vergleich einige Fakten: Die Bundesrepublik agiert in einem hart umkämpften Umfeld. Länder wie die USA und China dominieren die Szene mit massiven Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie einer starken Präsenz global agierender Technologieunternehmen. Sie haben früh erkannt, dass KI eine Schlüsseltechnologie der Zukunft sein wird - und haben entsprechende Strategien und Maßnahmen ausgearbeitet.

Automobilindustrie, Maschinenbau und Pharmaindustrie gehören zu den Stärken der deutschen Wirtschaft. Diese Sektoren bilden eine solide Basis für die Integration und den Einsatz von KI-Technologien. Von der Optimierung der Fertigungsprozesse über die Entwicklung autonomer Fahrzeuge bis hin zur Beschleunigung der Arzneimittelforschung – KI findet in Deutschland breite Kapazitäten zur Anwendung. Um diese Stärken voll auszuschöpfen, muss Deutschland eine führende Rolle in der KI-Forschung einnehmen und innovative Start-ups fördern, die den Technologietransfer in die Industrie beschleunigen.

Allerdings bestehen Hindernisse, die auch Forschung und Einsatz der KI erschweren: „Schleppende Digitalisierung, überbordende Bürokratie, hohe Energiekosten und lange Genehmigungsverfahren drücken auf das Innovationstempo“, sagt der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) Peter Adrian. Laut jüngstem DIHK-Innovationsreport haben wegen der Vielzahl an erwähnten Belastungen die Innovationsaktivitäten der deutschen Wirtschaft seit der ersten Erhebung im Jahr 2008 derzeit einen Tiefpunkt erreicht.

Regulatorische Herausforderungen meistern

Auch wenn Deutschland das Potenzial hat, in der KI-Entwicklung und -Anwendung eine führende Rolle zu spielen, stehen die Unternehmen vor bedeutenden regulatorischen Herausforderungen. Gleichzeitig wollen viele von ihnen im Ausland forschen: Datenschutzbestimmungen, ethische Überlegungen und die Notwendigkeit, internationale Standards zu navigieren, gehören zu den aktuellen Herausforderungen, die komplexe Hürden bilden. Diese regulatorischen Rahmenbedingungen müssen sorgfältig ausbalanciert werden, um Innovation zu fördern, ohne dabei die Rechte der Bürgerinnen und Bürger oder ethische Prinzipien zu kompromittieren.

„Diesen gefährlichen Trend müssen wir dringend umkehren. Ohne neue Ideen und Produkte 'Made in Germany' wird unsere Wirtschaft nicht auf Wachstumskurs kommen“, sagt Adrian mit Bezug auf den Nachlass der Innovationskraft in Deutschland. „Wir brauchen daher politische Signale, die den Wirtschaftsstandort stärken und Unternehmen wieder Lust auf Forschung und Innovation in Deutschland machen“, fügt er hinzu.

Zukunftsweisende Unternehmen: Innovationsträger

Neben den Herausforderungen ist Folgendes zu erwähnen: Führende Unternehmen und Start-ups sind bereits dabei, die Landschaft der KI-Technologie in Deutschland national und international zu prägen. Dazu gehören Ada Healths mit seiner Gesundheits-App für individuelle Beratung, Norcom mit Big Data und KI-Lösungen für die Automobil- und Finanzbranche sowie Realtech, das IT- und Cloud-Services mittels KI optimiert. Twaice verbessert mit KI die Effizienz von Batteriesystemen. DeepL bietet einen präzisen KI-basierten Übersetzungsdienst, der mit Google-Übersetzungen mindestens gleichziehen kann. Zudem entwickelt Aleph Alpha semantische Text- und generative KI-Lösungen.

Diese Unternehmen und Dienste demonstrieren nicht nur das breite Anwendungsspektrum von KI, sondern positionieren Deutschland auch als einen bedeutenden Akteur im globalen Innovationsgeschehen.

KI im Arbeitsmarkt: Gestaltung des Wandels

Die Auswirkungen des KI-Einsatzes auf den Arbeitsmarkt werden bald viel tiefgreifender sein. Hier gibt es das Potenzial, ganze Branchen zu transformieren. Während in manchen Sektoren Jobs durch den KI-Einsatz verloren gehen könnten, entstehen neue Berufsfelder, die spezialisierte Kenntnisse im Umgang mit KI erfordern.

Deutsche Unternehmen stehen nun vor der Aufgabe, diesen Wandel zu gestalten, indem sie in Bildung und Weiterbildung investieren, um die Mitarbeiterschaft auf die Arbeitswelt der Zukunft vorzubereiten. Ein starker Fokus auf Bildung und Anpassung des Arbeitsmarktes sind entscheidend, um betroffene Unternehmen in die Lage zu versetzen, den KI-bedingten Wandel mitzugestalten.

KI im Alltag: Vorteile und Herausforderungen

Die Integration von KI in das Alltagsleben hat schon längst begonnen: Virtuelle Sprachassistenten wie Alexa in vielen Häusern sind nur ein kleines Beispiel dafür. Die KI bietet auch in diesem Fall zahlreiche Vorteile, von der Effizienzsteigerung über personalisierte Dienstleistungen bis hin zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig sind auch Herausforderungen hinsichtlich Datenschutz, ethischer Fragen und den sozialen Auswirkungen der Technologie entstanden. Es lauern auch durch die Deep Fakes Gefahren für die Gesellschaft. In der Kundenbetreuung, Schadensregulierung von Versicherungen sowie in der Automobilindustrie und Nahrungsmittelproduktion sind bereits signifikante Veränderungen durch KI zu beobachten. Die Gesellschaft muss diese Chancen und Risiken sorgfältig abwägen, um einen verantwortungsvollen Umgang mit KI zu gewährleisten und sicherzustellen, damit die Technologie zum Wohle aller eingesetzt wird.

Derzeit stehen in Deutschland Verbrauchern mehrere Anlaufstellen zur Verfügung, um sich über Künstliche Intelligenz (KI) zu informieren, dazu zählen beispielsweise vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte Kompetenzzentren KI. Diese bieten sowohl Unternehmen als auch Verbrauchern Beratung an. Auch Verbraucherzentralen leisten Information und Unterstützung bei digitalen Themen inklusive KI. Zudem fördern die Plattform Lernende Systeme und die Initiative D21 das Verständnis und den gesellschaftlichen Diskurs über KI - und bieten diverse Ressourcen und Beratung an.

KI und Großmächte

In den USA führt ein innovationsfreundliches Ökosystem, das aus Risikokapital, Top-Universitäten und großen Technologiekonzernen wie Alphabet, Amazon und Meta besteht, zum KI-Fortschritt bei. Auch eine starke Kultur der Schnelligkeit bei der Markteinführung und Risikobereitschaft für neue Ideen spielen maßgeblich eine Rolle bei den Fortschritten in diesem Zusammenhang - die Amerikaner wagen oft mehr und sind weniger durch Datenschutzbestimmungen gehemmt.

Auch innerhalb Europas ist der Wettbewerb intensiv. Länder wie das Vereinigte Königreich und Frankreich verfolgen ebenfalls ambitionierte KI-Strategien.

Im internationalen Vergleich hat China den Ausbau des KI-Sektors zu einem zentralen Ziel seiner nationalen Entwicklung erklärt. Das Land unterstützt dieses Prozedere durch erhebliche staatliche Finanzierung, günstige politische Bedingungen und den Zugang zu umfangreichen Datenmengen, um seine Ambitionen zu erreichen. Ziel in diesem Fall ist, bis 2030 im Bereich der KI führend zu sein. Beide Länder, die USA und China, fördern aktiv die Forschung und Kommerzialisierung des KI-Sektors.

In Russland sieht die Situation anders aus: Auf einer Konferenz im November 2023 mit dem Schwerpunkt KI in Moskau warnte Präsident Wladimir Putin vor der Gefahr einer westlichen Monopolstellung im KI-Sektor. Er kritisierte, dass die westlichen KI-Modelle russische Kultur ignorieren könnten und kündigte eine ambitionierte KI-Strategie an. Diese soll eine Ausweitung von Grundlagenforschung und angewandter Forschung in den Bereichen generativer KI und großer Sprachmodelle umfassen. Moskau beabsichtigt nach eigenen Angaben, den Forschern einen verbesserten Zugang zu Supercomputern zu ermöglichen, die wissenschaftliche KI-Ausbildung zu verbessern und Gesetze zu ändern, um wesentlich mehr in die Entwicklung von KI zu investieren. Doch die Bemühungen Russlands, eine KI-Macht zu werden, stehen derzeit durch den Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Sanktionen vor großen Herausforderungen.

Es fragt sich gleichzeitig, inwieweit autoritäre Staaten, manche Strukturen und Befugnisse durch die KI verstärken und Eingriffe in die Bürgerrechte ermöglichen werden. Die aktuelle Situation im KI-Bereich hebt jedenfalls die Bedeutung von unabhängigen internationalen Aufsichtsmechanismen und -strukturen hervor.

Laut der Online-Statistikplattform Statista wird KI in Japan als Schlüsseltechnologie gefördert und soll bis 2030 ein Marktvolumen von 28,35 Milliarden Euro erreichen. Auch in Indien boomt der KI-Sektor mit einem erwarteten jährlichen Wachstum von 28,72 Prozent. Dort soll das Marktvolumen bis 2030 voraussichtlich 26,02 Milliarden Euro erreichen. In Brasilien wird ein jährliches KI-Marktwachstum von 17,74 Prozent angestrebt, mit einem Zielmarkt von 10,63 Milliarden Euro bis zum Ende des Jahrzehnts. Diese drei Länder setzen aktiv auf KI-Projekte, um gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen und ihre globale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Weltweite KI-Gesetzgebungen: Am Wendepunkt

Wenn es um die Weichen für die Zukunft der KI geht, steht Deutschland an einem Wendepunkt. Die Ambition, KI "Made in Germany" zu einem Gütesiegel von internationaler Anerkennung zu machen, ist greifbar nahe. Es kommt darauf an, die bestehenden Herausforderungen konstruktiv anzugehen. Deutschlands Reise zur KI-Supermacht ist sowohl herausfordernd als auch vielversprechend. Die Überwindung regulatorischer Hürden ebenso wie die Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation sind entscheidend.

Weltweit wurden mittlerweile bedeutende Schritte im Zusammenhang mit der Gesetzgebung im KI-Sektor unternommen. Die EU hat 2024 das erste umfassende KI-Gesetz überhaupt verabschiedet. Dies soll die KI-Entwicklung und -Nutzung verbessern, indem es dazu beiträgt, Risiken zu analysieren und KI-Systeme entsprechend zu klassifizieren. Ziel des Gesetzes ist es, die KI-Systeme in der EU sicher, transparent und umweltfreundlich zu gestalten und Diskriminierungen zu verhindern. Zudem werden KI-Systeme, die als Bedrohung gelten, verboten. Auch Hochrisiko-Systeme sollen strengen Regulierungen unterliegen. Das Gesetz unterstützt Innovationen durch Testumgebungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Start-ups.

Parallel zur EU hat auch die UN-Vollversammlung ihre erste Resolution zur KI verabschiedet. Diese zielt darauf ab, die sichere und vertrauenswürdige KI-Nutzung zu gewährleisten und einen internationalen Schritt zu globalen Richtlinien zu ermöglichen.

Unter diesen neuen Gegebenheiten soll Deutschland nun die Herausforderungen annehmen und die Möglichkeiten für eine sichere KI-Zukunft nutzen, um seine Rolle als führende Kraft in Europa und bedeutender globaler Akteur zu festigen – in einer Zukunft, in der technologische Exzellenz und Verantwortungsbewusstsein harmonisch verschmelzen.

Zum Autor:

Farhad Salmanian arbeitet bei den DWN als Online-Redakteur. Er widmet sich den Ressorts Politik und Wirtschaft Deutschlands sowie der EU. Er war bereits unter anderem für die Sender BBC und Radio Free Europe tätig und bringt mehrsprachige Rundfunkexpertise sowie vertiefte Kenntnisse in Analyse, Medienbeobachtung und Recherche mit.



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