Der Fall von Signa in Österreich hat einen beunruhigenden Trend vorhergesagt. Nun ist es bittere Realität: Eine Baufirma nach der anderen meldet Insolvenz an. So wenige Baugenehmigungen wie 2023 gab es schon seit 2012 nicht mehr. Düstere Zeiten für Immobilien. Wie geht es 2024 weiter? Und was bedeutet die Insolvenzwelle für Bauherren und jene, die es noch werden wollen?
Bereits 2023 eskalieren die Firmenpleiten in Deutschland. Im Vergleich zwischen Februar und März 2023 steigt die Anzahl von Insolvenzverfahren um 13,2 Prozent. Der Bau ist davon am stärksten betroffen. So gab es im Januar 2023 20,2 Prozent mehr Insolvenzen als im Vorjahr. Die Gründe für diese rigorosen Pleiten sind allen bekannt: explodierende Zinsen und zermürbende Energiepreise nach drei Jahren Pandemie und Krise – ein K.-o.-Schlag sondergleichen für viele Unternehmen. In den Jahren 2020, 2021 und 2022 retteten umfangreiche staatliche Rettungspakete noch jene, die zu retten waren. Der Rest lief ab 2023 auf Grund. Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), nach langer Zinspause innerhalb kürzester Zeit den Leitzins auf 4,5 Prozent zu erhöhen – eine Gegenmaßnahme zur Inflation, die viele Experten befürworten –, ist ein weiterer Faktor, der die Branche zum Straucheln gebracht hat. Der Cocktail aus Personalmangel und rapide steigenden Materialkosten gab vielen im Bau schließlich den Rest. Es ist keine Überraschung, dass sich die Insolvenzen nun häufen. Dennoch ist es für den zuvor langzeitig blühenden Markt – und die Konsumenten, die mit Freude Geld in Immobilien gesteckt haben – ein gehöriger Schock.
Was bedeutet Insolvenz im Bau?
Für jene, die bei einer nun insolventen Baufirma „eingekauft“ haben, kann die Situation zu einer finanziellen Katastrophe ausufern. In erster Linie bedeutet Insolvenz drei Dinge: Baustopp, Verzögerung und Mehrkosten. Sobald der Bauträger das Insolvenzverfahren in Auftrag gibt, müssen die Bauarbeiten für gesetzlich geregelte sechs Monate ruhen. Bis der Insolvenzverwalter das Go gibt, dürfen beide Seiten also erst mal Däumchen drehen – und das kostet Zeit, Geld und Nerven. Selbst dann, wenn das Grundstück de facto dem Bauherren gehört, ist es nicht erlaubt, eigenständig weiterzubauen. Tut man dies dennoch, darf man saftige Strafen vom Insolvenzverwalter erwarten, denn – rein theoretisch – könnte der Bauträger die Arbeiten ja noch wie vertraglich abgesprochen erledigen. Erst wenn der Insolvenzverwalter es ablehnt, die Bau- und Bauträgerverträge weiterzuführen, darf der Bauherr aktiv werden. Es ergibt sich eine frustrierende Pattsituation für den Bauherren, in welcher dieser weder vor noch zurück kann. Experten raten dringlich dazu, einen Anwalt zu beauftragen, der Fehler wie letztere verhindert. Das Insolvenzgesetz, das viele als „undurchsichtig“ bezeichnen würden, birgt Tücken, vor denen meist nur ein Anwalt schützen kann.
Der Bauherren-Schutzverband bietet einen umfangreichen Guide für erste Schritte, wenn es tatsächlich zum Insolvenzverfahren kommen sollte. Grundsätzlich kann ein Verbraucher jedoch nicht viel machen, wenn eine Firma pleitegeht. Stattdessen gilt es, den Schaden bereits im Vorfeld vorauszusehen und zu begrenzen. So raten Experten dringlich, nur mit bekannten Firmen aus der Region zusammenzuarbeiten. Die Hausbank und Institutionen wie Creditreform geben Auskünfte über die Bonität von Bauträgern. Es gibt auch mehr oder weniger subtile Anzeichen für eine mögliche Insolvenz, die Bauherren auf keinen Fall ignorieren dürfen. Dazu gehören unter anderem wiederholte Bauverzögerungen, Bitten um Vorschüsse und Abschläge vom Bauträger und die Nichtbezahlung von Subunternehmern. Im Vertrag soll der Bauherr mindestens die ihm gesetzlich zustehende Erfüllungssicherheit geltend machen. Im Schlüsselfertigbau, so Focus, sind das fünf Prozent der Bausumme. Auch bei der Bezahlung sollte im Hinblick auf Leistung stufenweise gearbeitet werden. Sind die verlangten Abschlagszahlungen höher als der Wert des zu diesem Zeitpunkt fertiggestellten Bauwerks, geht der Bauherr in Vorkasse. Im Falle einer Insolvenz ist diese „Überzahlung“ somit verloren. Deswegen wird geraten, den Zahlungsplan strikt an das Bauverfahren anzupassen – und nicht für fertige Häuser zu bezahlen, wenn noch nicht mal die Fassade steht. Hier kann ein Bauexperte helfen, um den wahren Zustand – und Wert – der Immobilie zu ermitteln. Diese Sachverständigen kann man über die regionale Ingenieurkammer, die Handwerkskammer oder die IHK anheuern.
Kann sich die Branche erholen?
Das Beratungsunternehmen PwC befragte kürzlich 100 Unternehmen, Planer und Projektsteuerer in Deutschland zu ihrer Meinung zum Bau. 86 Prozent der Befragten sorgen sich enorm über die Volatilität der Preise, unter anderem angefeuert durch Inflation und internationale politische Krisen. 83 Prozent der Baufirmen beklagen den enormen Kostendruck, der unter anderem auf steigende Materialkosten und den Personalmangel zurückzuführen ist. 77 Prozent sagen, dass ihnen aufgrund der angespannten Lage regelmäßig Aufträge wegbrechen, was den Kostendruck nur weiter steigert.
Aller Unruhe zum Trotz sehen viele Experten jedoch einen Hoffnungsschimmer am Horizont. Laut den Immobilienexperten BNP Paribas wird 2024 – endlich – eine Erholung für den Markt erwartet. 2023 war ein hartes Jahr für die deutsche Wirtschaft: Das Transaktionsvolumen für deutsche Gewerbeimmobilien lag bei weniger als der Hälfte im Vergleich zum Vorjahr (23,3 Milliarden Euro versus 54,1 Milliarden Euro). Gegen Ende von 2023 dann der Umschwung – dieser, so BNP gegenüber Bloomberg, wird 2024 weitergehen und bald spürbar sein. Marcus Zorn, Leiter von BNP Paribas Real Estate Deutschland, empfindet einen Umsatzanstieg um 20 Prozent im laufenden Jahr als „durchaus realistisch“.
Frische Luft auf dem Immobilienmarkt
Das kürzlich vom Bundesrat verabschiedete Wachstumschancengesetz soll mithilfe von Steuervergünstigungen und Co. endlich die Entlastung liefern, die die Wirtschaft nach den letzten harten Jahren so dringend braucht. Doch auch hier ist die Unsicherheit groß. Die zuvor versprochenen 6 Milliarden Euro sind nach viel Hin und Her – und ohne Mehrheit – auf 3,2 Milliarden Euro geschrumpft. Experten fragen sich, wie hilfreich das Gesetz wirklich sein wird. 2024 startet der Bau mit einem schwachen Umsatz und zum Vorjahr verglichen wenigen Aufträgen. Die zuvor gute Stimmung durch eine positive Konjunkturprognose – die nun peinlicherweise wieder nach unten korrigiert wurde – ist angeschlagen. Nichtsdestotrotz gibt es kleine Erfolge – und es wird weitere geben –, welche die Wirtschaft, und somit auch den Bau, ankurbeln. Positive Prognosen wie jene von BNP geben Hoffnung. Auch in Hinblick auf eine eventuelle Zinssenkung durch die EZB im Sommer 2024 bricht das Wolkenmeer am Wirtschaftshimmel auf. Wie so oft ist der Rat an Konsumenten, nun die Geduld zu bewahren. Im Sommer wird klar sein, ob der Optimismus der letzten Monate tatsächlich vorschnell war. Eventuell liegt die Wahrheit, wie so oft, in der Mitte: Der Boom ist vorbei. Das heißt aber nicht, dass der deutsche Bau für immer Geschichte ist.