Es sind gute Zeiten für Edelmetall-Investoren: Der Goldpreis verzeichnet weiter stetige Rekordkurse und auch Silber kommt endlich aus dem Klee. Gold markierte am Donnerstag sein fünftes Rekordhoch in Folge. Im frühen Handel wurde eine neue Bestmarke von 2304 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) erreicht. Zu Tageschluss im US-Spothandel notierte Gold leicht schwächer bei 2290 Dollar, umgerechnet entspricht das 2113 Euro. Seit Jahresbeginn hat sich das gelbe Edelmetall nun um mehr als elf Prozent verteuert.
„Stärke erzeugt Stärke“, erklärt Robin Bhar, ein unabhängiger Edelmetallberater, gegenüber der Financial Times. „Gold scheint in den Händen von spekulativen Händlern zu sein, die sich einmischen und den Preis noch viel höher steigen sehen wollen.“
Zinssenkungsfantasie, Schutz vor Dollar-Abwertung und chinesische Nachfrage
Bislang ohne Zinssenkungen, aber mit der starken Aussicht darauf, springt der Goldpreis aktuell von Rekordhoch zu Rekordhoch. Die US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) hat ihren Leitzins zuletzt bei 4,5 Prozent belassen, aber zugleich drei Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte für das laufende Jahr in Aussicht gestellt. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte beim Zinsentscheid nächste Woche die Füße still halten. Für beide Notenbanken wird die erste Zinssenkung im Juni erwartet.
Zinssenkungen – genauer gesagt niedrige bis negative Realzinsen – sind im Allgemeinen positiv für Gold, das im Gegensatz zu Anleihen keine laufenden Erträge abwirft. Rendite ist hier einzig durch Preissteigerungen möglich.
Neben der allgegenwärtigen Zinsfantasie gibt es noch weitere Faktoren für die Goldrally – darunter eine hohe Nachfrage durch Zentralbanken weltweit und regelmäßige Käufe von Privatanlegern, die Gold für seine Eigenschaften als sicherer Hafen und Inflationsschutz schätzen. Der Goldpreis erfährt durch die geopolitischen Risiken im Nahen Osten und der Ukraine zusätzliche Unterstützung.
Ein weitere Faktor – und das wird viele überraschen – ist die derzeitige Dollarstärke. „Was den Goldpreis antreibt, ist die weltweite Abwertung der Währungen gegenüber dem US-Dollar aus einer ganzen Reihe von Gründen“, sagte Michael Langford, Chief Investment Officer bei Scorpion Minerals, gegenüber Reuters. „Die Menschen erwerben Gold im Grunde als Schutz gegen die Abwertung der lokalen Währung“.
Zum Jahresauftakt trug zudem die hohe chinesische Nachfrage nach Anlagegold und Goldschmuck entscheidend zu den Rekordpreisen bei. Das Reich der Mitte importierte so viel Gold aus Hongkong wie seit zehn Jahren nicht mehr. Jetzt dürfte Chinas Goldbedarf wieder etwas nachlassen, weil die Verbraucher-Nachfrage traditionell im zweiten Quartal deutlich an Dynamik verliert – im letzten Jahrzehnt um durchschnittlich 21 Prozent, wie Berechnungen des World Gold Council ergaben.
Nach Experteneinschätzungen von Heraeus profitiert Gold auch von einer euphorischen „Kauf-Alles“-Stimmung an den Finanzmärkten. „Rekordhochs sowohl bei defensiven (Gold) als auch spekulativen (Aktien/ Krypto) Vermögenswerten deuten darauf hin, dass die Goldpreis-Rallye nicht einfach nur das Ergebnis einer Stimmung ist, die gestiegene Risiken reflektiert“, heißt es in einem Marktbericht des Edelmetallhauses.
Zudem dürfte das Anlagephänomen „FOMO“ (Fear of Missing Out), also die Angst vor entgangenen zukünftigen Kursgewinnen, eine gewichtige Rolle spielen.
Wann sollte man sein Gold verkaufen?
Bei den aktuellen Rekordpreisen könnte allerdings der Goldrausch allmählich abebben und Gewinnmitnahmen in den Fokus rücken – an denen ist bekanntlich noch kein Anleger gestorben und nach einem Jahr Haltedauer sind Kursgewinne beim Goldverkauf steuerfrei.
Schon 2023 hatten sich viele Anlegerinnen und Anleger in Deutschland von Gold getrennt. Im Jahresvergleich sei die Nachfrage nach Goldmünzen und Barren um 75 Prozent eingebrochen, hieß es jüngst von der Fachvereinigung Edelmetalle.
Gold könnte in den nächsten Monaten eine Verschnaufpause einlegen. Ein Goldpreisanstieg von 10 Prozent war in vergangenen Zinszyklen eine typische Marktreaktion auf die ersten Zinssenkungen der Fed. Es ist demnach also möglich, dass der Goldpreis aktuell sozusagen der Zukunft vorausgelaufen ist.
Die drängende Frage, die leider niemand wirklich beantworten kann, ist, wie viel von den kommenden Zinssenkungen schon jetzt vorweggenommen wurde. Umgekehrt könnte man auch argumentieren, dass sich Gold auf dem Zenit der Zinsen so gut gehalten hat, dass bei erneuten geldpolitischen Lockerungen noch viel explosivere Kurssteigerungen angebracht sind.
Der Goldpreis verläuft stets in längeren Zyklen, das muss Anlegern bewusst sein. Ein Blick auf die historischen Bandbreiten ist also wichtig. Die meisten Experten erwarten, dass sich der Goldpreis nun langfristig über der wichtigen Marke von 2.000 Dollar halten kann. Wir könnten am Anfang eines neuen Megazyklus stehen. Die nächste Zielzone läge dann bei 2.500 bis 3.000 Dollar.
Es ist auch denkbar, dass der Goldpreis auf dem aktuellen Niveau stagniert oder wieder Richtung 2.000 Dollar fällt. Einzig ein noch viel stärkerer Einbruch ist im gegenwärtigen geld- und geopolitischen Umfeld ziemlich unwahrscheinlich.
Wir bei den DWN halten Teil-Gewinnmitnahmen für durchaus sinnvoll, sofern sie steuerfrei sind und eine attraktive Investitionsalternative vorliegt - letzteres ist bei den aktuellen Kursen am Aktienmarkt etwas schwierig. Ein Abbau der Goldposition um beispielsweise 20 bis 25 Prozent ließe immer noch viel Spielraum für weitere Kursgewinne. Allerdings hat Gold aktuell so viel Rückenwind, dass man unter Umstände zu viel Renditepotential aufgibt. Erst bei einem Goldpreis von rund 3.000 Dollar in einem hypothetisch anderen Marktumfeld in der Zukunft, wo kaum Zinssenkungs-Potential besteht, drängen sich Teilverkäufe auf.
Silber hat aktuell mehr Renditepotential als Gold
Und wie steht es um den kleinen Bruder des gelben Edelmetalls? Silber hinkt normalerweise dem Gold etwas hinterher, das war in den letzten Monaten nicht anders. Nun hat der Silberpreis aber nachgezogen und erreichte am Mittwoch mit zwischenzeitlich 27,33 Dollar (knapp 25 Euro) den höchsten Stand seit Juni 2021.
Der Silberpreis verläuft anders, weil Silber im Gegensatz zu Gold kein reiner Vermögenswert ist, sondern zahlreiche industrielle Anwendungen hat. Die Industrienachfrage macht rund 60 Prozent der Gesamtnachfrage aus. Dadurch ist Silber auch erheblich mehr von der konjunkturellen Entwicklung abhängig.
Silber ist bis zu einem gewissen Grad zyklisch. Das ist in den derzeit wirtschaftlich trüben Zeiten das große Risiko bei einer Silber-Investition. Ansonsten scheint ein Einstieg interessanter als bei Gold, denn wenn Silber im Preisverhältnis zu Gold mittel- bis langfristig historische Mittelwerte anpeilen sollte, wäre das eigentlich nur durch starke Kursgewinne beim Silber möglich.
Das Gold-Silver-Ratio liegt aktuell bei 85. Werte über 90 sind selten und meist nicht von allzu langer Dauer, der historische Durchschnitt der letzten 100 Jahre beträgt ungefähr 50.