Politik

Welle der Unterdrückung: Der alarmierende Anstieg der Hinrichtungen im Iran

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat aufgedeckt, dass 2023 im Iran 853 Menschen hingerichtet wurden - meist wegen Drogendelikten. Ein erschütternder Appell für globale Menschenrechtsaktionen.
06.04.2024 07:55
Lesezeit: 3 min

Im Jahr 2023 sind in den iranischen Gefängnissen mindestens 853 Menschen hingerichtet worden, wobei mehr als die Hälfte dieser Todesstrafen in Zusammenhang mit Drogendelikten standen. Das geht aus dem jüngsten Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International hervor. Die Zahlen markieren damit die höchste Hinrichtungsrate seit 2015. Dabei handelt es sich laut Amnesty International um einen Anstieg von 48 Prozent gegenüber 2022 und um 172 Prozent gegenüber 2021. Bereits Anfang des laufenden Jahres zählte Amnesty 95 Hinrichtungen.

„Die massenhaften Hinrichtungen im Iran müssen spürbare diplomatische Konsequenzen haben“, sagt Christian Mihr, stellvertretender Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. Die internationale Gemeinschaft und die Bundesregierung müssten sich für ein Hinrichtungsmoratorium einsetzen. Die Familien der Toten verdienten Gerechtigkeit.

Der Bericht befasst sich auch mit der diskriminierenden Wirkung der Antidrogenpolitik der Regierung der Islamisten in Teheran auf ethnische Minderheiten, vor allem auf die belutschische Minderheit im Iran. Demnach entfielen 29 Prozent (138) der im Zusammenhang mit Drogendelikten vollstreckten Hinrichtungen auf diese Minderheit - und das, obwohl sie nur etwa fünf Prozent der iranischen Bevölkerung ausmacht. Seit Jahren kämpft der Provinz Belutschistan im Südosten Irans mit extremer Armut und Dürren. Diese Situation verschlechtert die Lebensbedingungen der belutschischen Minderheit. Folgen des Klimawandels, Wassermangel und geringe landwirtschaftliche Erträge intensivieren dort die humanitären Probleme.

Hintergrund der Proteste und Hinrichtungen

Amnesty International kritisiert die massenhafte Anwendung der Todesstrafe bei Drogendelikten nach grob unfairen Verfahren und verurteilt diese Praxis als „eklatanten Machtmissbrauch“. Laut Amnesty International werden solche Hinrichtungen als Reaktion auf die landesweiten Proteste ergriffen, die durch den Tod der jungen Iranerin Mahsa (Jina) Amini ausgelöst wurden und ein Ende der Herrschaft der Islamisten über das Land forderten: Das Regime wolle dadurch die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen und so ihre Macht festigen.

Aminis Tod in Gewahrsam der Sittenpolizei im September 2022 hatte landesweit zu monatelangen Protesten geführt, die niedergeschlagen wurden. Dabei starben nach Angaben der in Norwegen ansässigen Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) mindestens 537 Menschen durch das harte Vorgehen des Sicherheitsapparats.

Laut Amnesty International wurden mindestens 22.000 weitere festgenommen. Die Menschenrechtsorganisation weist darauf hin, dass die Justizbehörde im Jahr 2023 sechs Menschen im Zusammenhang mit diesen Protesten hingerichtet haben und sieben weitere Personen unter dem Todesurteil stehen, bei denen die Gefahr einer Vollstreckung besteht. Insgesamt sind seit 2022 neun Menschen mit Bezug auf Demonstrationen hingerichtet worden.

Internationale Reaktionen

Ein General der Revolutionsgarden (IRGC) im Iran räumte Ende November 2022 erstmals ein, dass bei den Protesten viele Unbeteiligte getötet wurden. Diese Ereignisse stellen Deutschland und die Europäische Union (EU) vor die dringende Frage, wie auf solch gravierende Menschenrechtsverletzungen reagiert werden sollte.

Im Jahr 2022 reagierte die EU mit der Einführung neuer Sanktionen gegen Personen und Organisationen, die an der Unterdrückung beteiligt waren. Deutschland rief bereits mehrfach zu einer stärkeren diplomatischen Position auf und unterstützte internationale Untersuchungen. Die Kritik an der Menschenrechtslage im Iran wurde in internationalen Foren intensiviert. Das Bundesinnenministerium hat im Zuge der Unterdrückungen Mahmoud Farazandeh, den iranischen Botschafter in Berlin, mehrfach wegen der massiven staatlichen Gewalt gegen Demonstranten einbestellt.

Forderungen von Oppositionellen

Trotz weitgehender Maßnahmen in der EU und Deutschland fordern die Oppositionellen im Iran bereits seit 2022 eine noch entschlossenere Vorgehensweise. Laut Menschenrechtsaktivisten stehen sogar die Atomverhandlungen und andere diplomatische Bemühungen unter dem Verdacht, das Regime, das seine Legitimität schon längst verloren habe, indirekt zu stärken. Die geforderten Maßnahmen beinhalteten zudem die Beendigung jeglicher Kooperation mit dem Regime in Teheran, die Ausweisung seiner Botschafter sowie die Aufnahme der IRGC, die an der Unterdrückung der Protestbewegungen beteiligt sind, in die EU-Terrorliste. Die IRGC sind Irans Elitestreitmacht. Sie wird mächtiger eingeschätzt als die konventionellen Streitkräfte.

Deutschland und die EU befinden sich seit der unumkehrbaren Wende gegen den herrschenden Gottesstaat im Iran an einem kritischen Punkt: Die Unterstützung der iranischen Bevölkerung im Kampf um Freiheit und Gleichheit erfordert mehr als diplomatische Überlegungen und vorsichtige Sanktionen, die die oberste Führung im Land unberührt lässt.

Die Ereignisse des Jahres 2022 und die erschreckenden Zahlen von Amnesty International verdeutlichen noch einmal die Notwendigkeit, sich aktiv für die Verteidigung der Menschenrechte einzusetzen und ein klares Zeichen gegen Unterdrückung zu setzen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Technologie
Technologie BradyPrinter i7500: Revolution im Hochpräzisionsdruck

Sie haben genug vom altmodischen Druck großer Etikettenmengen? Keine Kalibrierung, keine Formatierung, kein umständliches Hantieren mit...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

avtor1
Farhad Salmanian

Zum Autor:

Farhad Salmanian arbeitet bei den DWN als Online-Redakteur. Er widmet sich den Ressorts Politik und Wirtschaft Deutschlands sowie der EU. Er war bereits unter anderem für die Sender BBC und Radio Free Europe tätig und bringt mehrsprachige Rundfunkexpertise sowie vertiefte Kenntnisse in Analyse, Medienbeobachtung und Recherche mit.

DWN
Politik
Politik Migration: Nancy Faeser sieht eigene Migrationspolitik als Erfolg
01.04.2025

Während SPD und Union über eine mögliche Koalition verhandeln: Die geschäftsführende Innenministerin Faeser präsentierte heute...

DWN
Politik
Politik Handelskonflikt eskaliert: EU prüft bislang ungenutztes Instrument
01.04.2025

Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA stehen kurz vor einer Eskalation. US-Präsident Trump plant neue Zölle auf eine...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Trumps Zölle - Warum Hyundai jetzt auf Milliarden-Investitionen in den USA setzt
01.04.2025

Geht sein Plan auf? Trumps Zollerhöhungen erzwingen bereits drastische Reaktionen. Hyundai investiert 21 Milliarden US-Dollar in die USA,...

DWN
Politik
Politik AfD holt in Umfrage auf: Union büßt nach Bundestagswahl stark ein
01.04.2025

Nach der Bundestagswahl verliert die Union in den Umfragen, während die AfD kräftig zulegt. Auch SPD und Grüne verzeichnen Rückgänge,...

DWN
Politik
Politik Bamf-Chef Sommer will radikale Asyl-Wende - Rücktritt gefordert
01.04.2025

Bamf-Chef Hans-Eckhard Sommer fordert eine radikale Wende in der deutschen Asylpolitik. Statt individueller Anträge plädiert er für eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Europa-ETF-Vergleich: Wie Sie mit Europa-fokussierten ETFs Geld verdienen - und welche Europa-ETF sinnvoll sind
01.04.2025

Da die Trump-Administration die Unterstützung für die Ukraine zurückfährt, protektionistische Zölle erlässt und sich von der...

DWN
Politik
Politik Reform Arbeitszeitgesetz: 8-Stunden-Tag nicht mehr zeitgemäß?
01.04.2025

Union und SPD schlagen vor, aus der täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit zu machen. Von der Wirtschaft gibt es Zuspruch, die...

DWN
Politik
Politik Stephan Weil: Niedersachsens Ministerpräsident (SPD) zieht sich aus Politik zurück
01.04.2025

Stephan Weil beendet nach mehr als zwölf Jahren als Ministerpräsident von Niedersachsen seine politische Karriere. Mit einem klaren Kurs...