In der Chefetage der UBS sind die Nerven angespannt. Noch im laufenden Monat dürfte die Schweizer Regierung darlegen, wie sie die Regeln für die Großbank und andere systemrelevante Institute verschärfen will, um ein weiteres Credit-Suisse-Debakel zu verhindern. Es steht viel auf dem Spiel für die Bank und das Land.
Umstritten ist vor allem die drohende Verschärfung der Kapitalvorschriften. „Je mehr zusätzliches Kapital die UBS halten muss, desto weniger steht für Ausschüttungen zur Verfügung“, erklärt Andreas Ita vom Bankenberater Orbit36. Sollte die Regierung die Vorgaben soweit verschärfen, wie es Abgeordnete 2023 forderten, müsste das Institut wohl Dutzende Milliarden an frischen Mitteln aufnehmen.
Die Übernahme der Credit Suisse war ein Schnäppchen für die Schweizer Großbank und sorgte deshalb durch einen bilanziellen Einmaleffekt für einen Rekordgewinn im zweiten Quartal 2023. Nun droht jedoch Ungemach durch die Bankenaufsicht.
„Die UBS ist am Bibbern“, sagt eine mit der Sache vertraute Person. „Die Bank hat eine gewaltige Lobbying-Maschine in Gang gesetzt und findet vielerorts offene Türen, in der Regierung und im Parlament.“ Experten gehen davon aus, dass der Hunderte Seiten starke Bericht zum „Too Big To Fail“-Regelwerk Empfehlungen für neue Kapital- Liquiditätsvorgaben oder schärfere Sanktionsmöglichkeiten gegen das Management enthalten dürfte. „Wir erwarten eine breite Palette von Maßnahmen ohne klare Gewichtung“, erklärt Oliver Buschan, Regulierungsexperte des Schweizer Bankenverbandes.
UBS müsste Kreditangebot kürzen
Andere Branchen wie die Arzneimittelhersteller sind für die Wertschöpfung des Landes wichtiger als die UBS, erklärt Stefan Legge, Volkswirt an der Universität St. Gallen. „Wir müssen uns auf die Kehrseite konzentrieren - das enorme Risiko für die Schweiz, wenn die UBS in Schwierigkeiten gerät.“
In kaum einem anderen Land hat ein einzelnes Institut so großes Gewicht wie in der Schweiz die UBS, die im März 2023 die Credit Suisse in einer Not-Übernahme schluckte. Die Bilanzaktiva der neu aufgeblähten UBS machen rund 40 Prozent des gesamten Schweizer Bankensektors und das Doppelte der Schweizer Wirtschaftsleistung aus.
Die UBS ist ein gigantisches systemisches Risiko und zugleich relativ schwach kapitalisiert. In der letzten Finanzkrise musste die Schweizer Großbank mit Staatsgeldern gerettet werden.
Die Option einer Übernahme durch ein größeres Insitut aus der Schweiz stünde heute bei einer möglichen Krise der UBS nicht mehr zur Verfügung. Die beiden wahrscheinlichen Optionen wären dann eine Abwicklung und eine Verstaatlichung. Bei einer Verstaatlichung würde das Land mit Hunderten Milliarden Franken ins Risiko gehen und den Staatshaushalt gefährden. Neue regulatorische Vorschriften sollen dies verhindern.
Viele Ökonomen gehen davon aus, dass höhere Kapitalquoten die Wahrscheinlichkeit einer Krise mindern würden. Im vergangenen Mai sprach sich die große Kammer des Schweizer Parlaments für einen Vorschlag aus, von den global systemrelevanten Banken in Zukunft eine ungewichtete Eigenkapitalquote von mindestens 15 Prozent zu verlangen. Damit würde die Schweiz die Anforderungen in der EU, Großbritannien und den USA weit übertreffen. Gegenwärtig kommt die UBS auf 4,7 Prozent.
FInanzexperten der Bankberatung Orbit36 schätzen gestützt auf eine kürzlich veröffentlichte Analyse, dass die UBS dafür zusätzliches Eigenkapital von deutlich über 100 Milliarden Dollar aufbringen müsste. „Dies ist über die Einbehaltung von Gewinnen nicht binnen nützlicher Frist möglich und auch eine Aufnahme solcher Summen über den Kapitalmarkt ist kaum realistisch“, erklärt Andreas Ita. Man gehe davon aus, dass das Institut in einem solchen Fall die Bilanz eindampfen und etwa das Kreditangebot zurückfahren würde.
Auch für die Eigner wären höhere Kapitalquoten schädlich, wie UBS-Präsident Colm Kelleher im März gegenüber der NZZ sagte. Überschüssiges Kapital gehe in Form von Aktienrückkäufen oder Dividenden an die Aktionäre. „Hat man zu viel Kapital, bestraft man die Aktionäre, aber auch die Kunden, denn die Bankdienstleistungen werden verteuert.“
Mit dieser Argumentation dürfte die UBS auch bei der Regierung Gehör finden. Finanzministerin Karin Keller-Sutter warnte schon vor einem Jahr vor zu einschneidenden regulatorischen Vorgaben. Die Schweiz stehe im Wettbewerb mit andern Finanzzentren wie New York, London, Singapur oder Dubai. „Wenn man in der Topliga bleiben will, wird man nicht umhinkommen, auch in Zukunft gewisse Risiken zu tragen.“
„Hoffnung ist keine Strategie“
Ebenfalls im April 2023 stellte Keller-Sutter höhere Vorgaben beim harten Eigenkapital in Aussicht. Wenn die UBS also mit ihrem Lobbying nicht durchmarschiert, muss sie mit strengeren Vorgaben rechnen. Die große Kammer des Parlaments forderte im April 2023 auch, dass die UBS bei einem weiteren Wachstum überproportional mehr Kapital halten müsste. Damit würde Wachstum für das Institut immer kostspieliger.
Die Vorschläge der Regierung werden nicht direkt umgesetzt. In einem nächsten Schritt beugt sich das Parlament über den Bericht, zudem können Banken und andere Betroffene Stellungnahmen abgeben. Insider halten es für unwahrscheinlich, dass noch etwas Wesentliches im laufenden Jahr in Kraft tritt. Ökonom Legge rechnet nicht damit, dass Regierung und Parlament der UBS viele Steine in den Weg legen werden. Die Politik hoffe wohl, dass die UBS nicht in Schwierigkeiten gerate. „Aber Hoffnung ist keine Strategie.“