Wirtschaft

Deutsche Öl- und Gasförderer am Tiefpunkt – jetzt soll Geothermie die Branche retten

Die Öl- und Gasförderung in Deutschland sinkt immer weiter – ohne Fracking wird sich daran wohl auch nichts ändern. Die Bohr-Industrie sucht sich jetzt zunehmend neue Geschäftsfelder und wird im Bereich der grünen Energie und Infrastruktur fündig.
20.04.2024 10:33
Lesezeit: 4 min
Deutsche Öl- und Gasförderer am Tiefpunkt – jetzt soll Geothermie die Branche retten
Arbeiter an einer Geothermiekraftwerk-Baustelle in Bayern. (Foto: dpa) Foto: Peter Kneffel

Die Öl- und Gasförderung in Deutschland ist 2023 weiter gesunken. Dennoch leisteten die vor allem in Niedersachsen gewonnenen fossilen Energieträger nach Angaben des Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) weiter einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung in Deutschland. „Es ist daher klug, die einheimische Produktion aufrechtzuerhalten, solange dies möglich ist“, sagte BVEG-Hauptgeschäftsführer Ludwig Möhring bei der Vorlage des Jahresberichts in Hannover.

Die Erdgas-Fördermenge sank 2023 um rund 10 Prozent auf nur noch 4,3 Milliarden Kubikmeter, wie aus dem BVEG-Jahresbericht hervorgeht. Die heimische Ölförderung nahm leicht ab von 1,7 auf 1,6 Millionen Tonnen. Bei Gas entsprach dies 5,7 Prozent und bei Erdöl rund 2 Prozent des inländischen Bedarfs – diese Anteile sinken seit vielen Jahren.

Widerstand von Politik und Bürgern

Früher förderte die Bundesrepublik bis zu 20 Milliarden Kubikmeter Gas oder mehr pro Jahr, aber die Reserven in konventionellen Lagerstätten erschöpfen sich zunehmend. Nach Angaben des Verbands liegen die noch förderbaren Erdgasreserven in Deutschland bei 34,3 Milliarden Kubikmetern, beim Erdöl seien es noch 22,8 Millionen Tonnen.

Die in Deutschland aktiven Explorations-Konzerne wie Wintershall Dea, Neptune Energy und Rhein Petroleum könnten deutlich mehr fördern, wenn man auch in Deutschland die Fracking-Technik einsetzen könnte, bei der Gestein unter hohem Druck mit Wasser und chemischen Zusätzen aufgebrochen wird, um gebundenes Gas aus dem Boden zu holen. Große Hoffnungen, dass das bundesweite Verbot des Schiefergas-Abbaus hierzulande aufgehoben werde, hegt Möhring nicht. Vor allem Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich mehrfach dagegen ausgesprochen. „Es gibt da ein klares Vorverständnis, dass das nicht gewollt ist“, kritisiert der BVEG-Präsident.

Deutsches Erdgas: Bessere CO2-Bilanz als importiertes LNG

Laut Möhring ließe sich die Gasproduktion aber auch ohne Einsatz der aus Umweltsicht umstrittenen Fracking-Methode um 10 bis 20 Prozent steigern. Die Förderbetriebe schrecken jedoch bislang vor Investitionen zurück, weil es bei den Bohrungs-Projekten oft Widerstand der lokalen Bevölkerung gebe und aus den Landesregierungen in den relevanten Förderregionen kaum Unterstützung komme.

Dabei könnte mehr deutsches Gas nicht nur die Energiekosten der Bürger senken, sondern sogar für die Klimaziele positiv sein. Berechnungen des BVEG zufolge schneidet Erdgas aus Deutschland in der CO2-Bilanz bis zu 30 Prozent besser ab als aus den USA importiertes Flüssiggas (LNG). In Deutschland werde nicht automatisch weniger Gas verbraucht, nur weil hier weniger gefördert werde.

Neue Geschäftsfelder: Wasserstoff-Umrüstung und Geothermie

Angesichts der seit Jahren rückläufigen Produktion und des (politischen) Gegenwinds im Zuge der Energiewende expandiert Deutschlands Erdgas- und Erdölbranche verstärkt in neue „grüne“ Sektoren. Dazu zählt die Umrüstung von Gaskraftwerken und Pipelines für Wasserstoff und der Umbau von Gasspeichern für die Einlagerung von Wasserstoff oder Speicherung von abgeschiedenem Kohlendioxid etwa aus der Zementindustrie. Die Umrüstungen mögen nicht in jedem Fall sinnvoll sein, aber sind technisch anspruchsvoll und äußerst kostenintensiv, was den Unternehmen viel Umsatz bescheren könnte.

Der BVEG ist in diesem Kontext unzufrieden mit der Bundesregierung, welche diese zukunftsträchtigen Energie-Industrien ausbauen will, dies allerdings aus Sicht des Verbandes nicht konsequent genug umsetzt. Möhring beklagt unter anderen, dass bei der Konzeption des Wasserstoff-Kernnetzes die im BVEG organisierten Gasspeicher-Betreiber bislang noch unzureichend berücksichtigt werden. Eine integrierte Planung des Netzes und der Speicher sei vonnöten.

Darüber hinaus bietet Geothermie als Sekundärzweck der Bohrungen großes energetisches Potential. Geothermie zwackt die tief unter der Erdoberfläche gespeicherte Wärme ab. Dafür wird mehrere hundert Meter tief gebohrt, bei der „Tiefen-Geothermie“ sogar einige Kilometer. Es gilt als eine Kerntechnologie der Wärmewende. Geothermiekraftwerke können zur Strom- und Warmwassererzeugung genutzt werden. Bei Tiefen-Geothermie geht es meist um die direkte Nutzbarmachung von kochend heißem Thermalwasser aus dem Erdinneren. Die Energiebranche rechnet damit, dass mit Tiefengeothermie bis zu 25 Prozent des gesamten deutschen Wärmebedarfs gedeckt werden könnte. Entsprechende Bohrungsprojekte konzentrieren sich in Süddeutschland.

Bislang scheitert die Umsetzung oft an den hohen Investitionskosten, auf denen die Explorations-Unternehmungen mitunter komplett sitzen bleiben. Dieses Risiko ist vielen Wärmeversorgern zu hoch und auch die meisten Verbraucher scheuen den enormen Aufwand einer Geothermie-Anlage. Generell ist es schwierig, genügend Abnehmer für die Wärme im Umkreis der Bohrungen zu finden. Hier könnte der politisch gewollte Ausbau der Fernwärme-Netze Abhilfe schaffen, wobei es auch bei Fernwärme massive Probleme mit den Infrastruktur-Kosten gibt.

Am Rheingraben tummeln sich Geothermie-Lithium-Projekte

Die geothermische Anschlussnutzung von Öl- und Gasbohrlöchern ist nicht die einzige Möglichkeit, gleich zwei Industrien zu verknüpfen. In ganz Deutschland sind diverse vielversprechende Geothermie-Projekte geplant oder bereits in Betrieb, die mit der Exploration und Förderung von Lithium verknüpft sind. Als Beispiel nennt Möhring das BVEG-Mitglied Neptune Energy, das jüngst eine Bohrlizenz in Sachsen-Anhalt erworben hat.

Viele solcher Geothermie-Lithium-Doppelprojekte tummeln sich im Umkreise vom sogenannten „Oberrheingraben“ – ein 300 Kilometer langes und bis zu 40 Kilometer breites Tiefland, das sich innerhalb Deutschlands über Badem-Würtemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen erstreckt (siehe südwestlich auf der obigen Karte). Ein bekanntes Beispiel ist das von Geox betriebene Geothermie-Kraftwerk in Landau, das zugleich von der Firma Vulcan Energy zur Lithium-Gewinnung genutzt wird. Dieses Lithium soll später einmal der europäischen Batterie- und Automobilindustrie zugute kommen.

Ohne Subventionen wird das nicht funktionieren“

Für die Vermarktung der Erdwärme, die sich deutlich vom Öl- und Gasgeschäft unterscheidet, brauche es neue Partner, wie Möhring betont. Außerdem mehr staatliche Unterstützungszahlungen in Form von Projektförderungen. „Ohne eine Subventionierung wird das nicht funktionieren, das ist die harte Wahrheit“, erklärt er.

Schon längst hat die Politik ambitionierte Ziele ausgerufen. Bis 2030 soll die Tiefengeothermie in Deutschland eine Leistung von 10 Terrawattstunden für Wärmenetze erschließen.

Nordrhein-Westfalen engagiert sich besonders stark bei der Tiefengeothermie. Als erstes Bundesland beschloss es vor kurzem eine Strategie für die Nutzbarmachung von Erdwärme. NRW will bis 2045 ein Fünftel des Wärmebedarfs klimaneutral mit Geothermie decken, wie das Wirtschafts- und Energieministerium verkündete. „Zentrale Maßnahmen sind ein Explorations- und Bohrprogramm, mit dem der Geologische Dienst bis 2028 die Datenlage zur Verfügbarkeit von Geothermie verbessern wird, sowie ein Instrument bei der NRW.BANK zur Absicherung des sogenannten Fündigkeitsrisikos. Das heißt konkret: Zur Starthilfe sichert Nordrhein-Westfalen das finanzielle Risiko teilweise bei den ersten Bohrungen ab, falls eine Bohrung nicht erfolgreich ist“, heißt es in der Mitteilung.

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.

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