Die Frage nach der idealen Arbeitszeitgestaltung in Deutschland ist zweischneidig. Während eine Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass eine beeindruckende Mehrheit von 81-Prozent der Vollzeitbeschäftigten eine 4-Tage-Woche bevorzugen würde, steht dies im Gegensatz zur Erfahrung vieler Führungskräfte, die oft mehr Arbeitsstunden leisten – mitunter für gleichbleibendes Gehalt! Das Statistische Bundesamt berichtet, dass bei der jüngsten Erhebung im Jahr 2021 etwa 4,5 Millionen Arbeitnehmer zusätzliche Arbeitsstunden verrichtet haben, von denen 22-Prozent nicht vergütet wurden!
Auch eine Analyse des digitalen Gehaltsdienstleisters Compensation-Partner zeigte, dass über die Hälfte aller Beschäftigten regelmäßig die 40-Stunden-Marke überschreitet. Besonders leitende Angestellte sind von Überstunden betroffen und arbeiten im Schnitt 7,8 Stunden pro Woche mehr. Dies summiert sich auf bedenkliche 1,5 Jahre unbezahlte Arbeit im Laufe ihres Lebens.
„Meistens sind es Führungskräfte und Geschäftsführer, die deutlich länger im Büro sitzen“, betont Vergütungsexperte Böger. Auffällig ist, dass Überstunden besonders in den Sektoren Finanzen, Versicherung und Energie an der Tagesordnung sind. Dies unterstreicht den Kontrast zwischen dem Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance und der harten Arbeitsrealität!
Überstunden: Wenn die Arbeit das Leben überholt!
Beispielhaft lässt sich die Situation von Thomas M., einem IT-Projektmanager aus Hamburg, anführen. Über mehrere Monate hinweg leistete er durchschnittlich 12 Überstunden pro Woche, um anspruchsvolle Projektfristen einzuhalten. Obwohl dies kurzfristig zu Unternehmenserfolgen führte, mündete es für Thomas in Erschöpfungszuständen und einer zweimonatigen Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Burnout. Diese persönliche Erfahrung unterstreicht die langfristigen Gefahren eines solchen Arbeitspensums und dient als Mahnung, dass Produktivität nicht auf Kosten der Gesundheit gehen darf!
Arbeitszeiten, Arbeitszeiterfassung & Vergütung: Was sagt der rechtliche Rahmen?
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) legt spezifische Richtlinien für Überstunden fest, wobei die 8-Stunden-Grenze die Regelarbeitszeit pro Tag definiert, die sich auf bis zu 48 Stunden wöchentlich summieren darf. Eine Ausweitung auf bis zu 10 Stunden täglich ist möglich, wenn der Durchschnitt im Halbjahr 48 Stunden nicht übersteigt.
Für bestimmte Berufsgruppen, wie im Sicherheits- und Gastgewerbe sowie für einige leitende Angestellte, die gemäß § 18 ArbZG von den üblichen Arbeitszeitbeschränkungen ausgenommen sind, gelten Sonderregelungen: Sie dürfen länger arbeiten!
Arbeitsverträge enthalten außerdem häufig Klauseln, die Überstunden als mit dem Grundgehalt abgegolten definieren. Urteile, wie vom Landesarbeitsgericht Hamm (AZ 19 Sa 1720/11) bestätigen die Legitimität solcher Vereinbarungen, vorausgesetzt sie sind klar formuliert. Als Faustregel gilt: Etwa 10-Prozent der Überstunden gelten als gratis! In Spitzenpositionen über der Beitragsbemessungsgrenze sind Überstunden oft gänzlich über das Grundgehalt abgegolten!
Stellen Sie sich ein mittelständisches Softwareentwicklungsunternehmen vor, das einen bedeutenden Projektabschluss vor der Deadline sicherstellen muss. In einer solchen intensiven Arbeitsphase könnte das Unternehmen seine Entwickler bitten, in einer Woche bis zu 10 Stunden täglich zu arbeiten, um den Bedarf zu decken. Solange die durchschnittliche Wochenarbeitszeit dieser Angestellten über einen Sechsmonatszeitraum nicht über 48 Stunden steigt, sind diese zusätzlichen Stunden rechtlich abgesichert. Dies ermöglicht Flexibilität in Zeiten hohen Bedarfs, ohne das Gesetz zu missachten.
Konsequenzen für Unternehmen: Grenzen setzen in der Welt der Überstunden
Eine konsequente Arbeitszeiterfassung, wie sie seit Herbst 2022 nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vorgeschrieben ist, ist für Unternehmen verbindlich. Unternehmen sind dazu angehalten, die Arbeitsstunden aller Mitarbeiter präzise zu dokumentieren. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales betont, dass „in erster Linie (…) der Arbeitgeber dafür verantwortlich ist, dass die geltenden Gesetze eingehalten werden; er ist verpflichtet, seinen Betrieb entsprechend zu organisieren.“
Unternehmen, die die Arbeitszeitvorschriften missachten, riskieren nicht nur Bußgelder der Gewerbeaufsichtsämter von bis zu 15.000 Euro, sondern auch Schäden ihres Images. Firmen, die ihre Angestellten regelmäßig zu langen Arbeitszeiten verpflichten, könnten Probleme bekommen, hochqualifizierte Fachkräfte anzuziehen und zu halten, was letztendlich die Gesamtleistung und das Betriebsklima beeinträchtigt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit eines gesunden Überstundenmanagements und einer präzisen Arbeitszeiterfassung.
Überstundenmanagement in Unternehmen: Überstunden minimieren, Work-Life-Balance maximieren
Genauso müssen Führungskräfte geschult werden, mit Überstunden angemessen umzugehen. Sie stehen vor der Aufgabe, ein Arbeitsklima zu schaffen, in dem Überstunden nicht zur Norm werden! Dazu ist der Arbeitsrhythmus im Team möglichst optimal zu gestalten und Fristen & Ressourcen sind so einzuteilen, dass Projekte zeitgerecht und ohne zusätzliche Belastung für die Mitarbeiter abgeschlossen werden.
Schließlich sollten Unternehmen beachten, dass die durchschnittliche Arbeitszeit in Deutschland tendenziell abnimmt, ein Indikator für fortschrittliche Work-Life-Balance-Bestrebungen. Mit einem Durchschnitt von 34,7 Stunden pro Woche liegt Deutschland unter dem europäischen Mittel, einige Länder wie Dänemark mit 34,1 Stunden und die Niederlande mit 31,2 Stunden verzeichnen noch kürzere Wochenarbeitszeiten.