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Abzocke an der Ladesäule? E-Auto laden unterwegs teurer als Benzin E10

Die Begeisterung für Stromer hat in Deutschland schon arg gelitten. Die Ampel gewährt keine Zuschüsse mehr bei der Anschaffung - und nun auch noch das: Der Stromanbieter Lichtblick meldet, dass E-Autos zu laden aktuell vielfach teurer ist, als Benzin tanken. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten erläutern das teure Phänomen des Ad-hoc-Ladens von E-Fahrzeugen.
08.05.2024 12:33
Aktualisiert: 09.05.2024 11:00
Lesezeit: 4 min
Abzocke an der Ladesäule? E-Auto laden unterwegs teurer als Benzin E10
Elektroauto in Stuttgart an einer Stromtankstelle: Das ist deutlich teurer als Zuhause an der Wallbox - ad hoc tanken geht ins Geld (Foto: dpa). Foto: Lino Mirgeler

Wer für sein E-Auto ohne Vertrag an öffentlichen Ladepunkten Strom lädt, muss tief in sein Portemonnaie greifen. Sehr viel tiefer, als man gemeinhin vermuten würde. Darauf deutet jetzt eine Untersuchung der Meinungsforscher von Statista hin, die für den Versorger Lichtblick in Hamburg einen Preisvergleich angestellt haben.

Verblüffende Erkenntnis, griffig und zugespitzt auf den Punkt gebracht: Das Laden ad hoc, ohne Vertrag und auf freier Strecke, kostet teilweise mehr als das Tanken mit Super E10-Benzin. Jede Kilowattstunde Strom, an öffentlichen Ladesäulen geladen, kostet durchschnittlich 55 Cent an den Normalladepunkten (AC) und an Schnellladepunkten (DC) sogar 66 Cent.

Auf 100 Kilometer hochgerechnet, heißt das in Heller und Pfennig, dass 20 Kilowattstunden Strom 11,10 Euro beim Normalladevorgang kosten und 13,11 Euro an Turbolade-Punkten im Land. Zum Vergleich: 100 Kilometer mit einem Verbrenner unterwegs zu sein, kostet lediglich 10,38 Euro, wenn das Fahrzeug sechs Liter rechnerisch Kraftstoff verbraucht und der Liter (etwa des günstigeren E10-Benzins derzeit) mit 1,73 Euro zu Buche schlägt. Beim Ladesäulencheck 2024 hat Statista die Tarife führender Betreiber mobiler Energie analysiert und verglichen.

Spürbarer Preisanstieg zum Vorjahr

Lichtblick hat bereits in den Jahren zuvor derartige Vergleiche bundesweit angestellt. Gegenüber der letzten Erhebung ist der Preis um drei Cent gestiegen, an Schnell-Ladepunkten sogar um vier Cent pro Kilowattstunde. Bemerkenswert ist der Preisanstieg vor allem deshalb, weil der Durchschnittspreis für Haushaltsstrom in diesem Zeitraum gesunken ist.

Krass fällt der Vergleich zum Jahr 2019 aus, wo die Kosten noch im Schnitt der zwölf führenden Anbieter bei 31,2 Cent lagen. Eine regelrechte Preisexplosion: Die Preise haben sich demnach in nur fünf Jahren quasi verdoppelt. Als Spitzenreiter unter den Anbietern sticht Envia M im Bundesland Sachsen hervor, die den Ad-hoc-Ladepreis im Internet mit 0,54 Euro je Kilowattstunde angegeben haben und für das Schnellladen ohne Vertrag sogar 0,61 Euro aufrufen.

Fehlanreize durch den Preis erzeugt

Bei der Firma Lichtblick hat man eine klare Meinung zur diagnostizierten Preisentwicklung: „Die Preise an den Tank- und Ladesäulen sorgen bei Autofahrern für Fehlanreize und fördern damit klimaschädliches Verhalten. Die Entwicklung ist fatal. Für die Verkehrswende ist der breite Umstieg von Verbrennern auf E-Autos unerlässlich, ebenso wie verbraucherfreundliche Preise an öffentlichen Ladesäulen“, beklagt Markus Adam, Chefjurist des Hamburger Öko-Stromanbieters und glaubt, dass dies Ausdruck einer verheerenden Monopolbildung am Markt sei.

Nicht genug Wettbewerb beim Ad-hoc-Ladepreis

In den jeweiligen Regionen hätten die Anbieter vielfach Cluster bei den Normalladepunkten geschaffen und würden damit das Angebot zu ihren Gunsten bestimmen. Marktanteile von über 80 Prozent seien inzwischen die Regel. In der Spitze gebe es sogar Monopole mit bis zu 93 Prozent Marktabdeckung.

Die Rede ist hierbei von Dortmund (Eon sowie DEW21) in Westfalen. In Hannover sieht es mit 91 Prozent bei Enercity nicht viel besser aus, auch nicht in Wiesbaden mit 90 Prozent bei den dortigen Stadtwerken (Eswe), in Nürnberg mit 87 Prozent bei N-Ergie und in Hamburg mit 86 Prozent (Stromnetz Hamburg). In München sind es 82 Prozent, in Düsseldorf am Rhein 78 Prozent und selbst in Berlin 59 Prozent, mit denen die örtlichen Stadtwerke den Markt beherrschen.

Als weiteres Anschauungsbeispiel der Regionalisierung von Kartellen verweist Lichtblick in seiner Analyse auf die Sachsenenergie mit 63 Prozent Marktanteil in und rund um Dresden. Die Leipziger Stadtwerke dominieren ihre Region sogar mit 81 Prozent. Der Effekt läuft auf eine Preistreiberei wegen mangelnden Wettbewerbs hinaus. Die Ladesäulen-Betreiber bestimmen den Preis - und es sind zumeist die Konzerne, die die Ladesäulen-Infrastruktur aufbauen. „Daher werden Ladebedingungen und Ladepreise faktisch von den lokalen Monopolisten bestimmt“, so das Fazit von Lichtblick. Selbst die Monopolkommission, die die Bundesregierung berät, hat den verhängnisvollen Trend in ihrem letzten Sektor-Gutachten bestätigt. Wie die marktbeherrschende Stellung der regionalen Platzhirsche eingedämmt werden könnte, ist derzeit offen.

Wodurch Preissenkungen möglich werden

Die Tatsache, dass Lichtblick als national aufgestellter Ökostrom-Lieferant selbst als Anbieter am Markt agiert, führt zu kritischen Bewertungen der Statista-Studie. Der Stromanbieter hat mehr als 1,7 Millionen Kunden unter Vertrag und fühlt sich offenkundig benachteiligt. Als Konsequenz seiner Analyse hat er deshalb auch bereits ein Durchleitungsmodell als Lösung in die Diskussion gebracht, das Ad-hoc-Laden günstiger machen könnte.

Dazu müsste allen Versorgern das Recht zugestanden werden, Strom an öffentliche Ladesäulen durchzuleiten und zu einem eigenen Preis anbieten zu dürfen - so wie im herkömmlichen Stromnetz auch. Die Ladesäulenbetreiber erhielten von den Stromanbietern zum Ausgleich Nutzungsgebühren für Installation, Betrieb und Wartung ihrer Ladesäulen. „Die Monopole im Normalladesäulenmarkt werden sich nicht von allein auflösen, der Markt benötigt dringend eine Reform“, verlangen die Mitbewerber von Lichtblick.

Die meisten laden an ihrer Wallbox auf

In der Studie weitgehend unberücksichtigt bleibt im übrigen das tatsächliche Ladeverhalten der Fahrer und Fahrzeughalter. Die meisten E-Autos werden wohl eher zuhause an der Wallbox oder am Arbeitsplatz geladen - das mache gut 70 Prozent des Verbrauchs aus. Zudem ist natürlich der Strompreis im vergangenen Jahr wieder ganz erheblich gesunken, was für den vermehrten Einsatz von Stromern statt Verbrennern spricht. Kritiker verweisen auf Neuverträge, für die weit niedrigere Strompreise gelten als für den von Statista als Referenzwert für 2023 angenommenen Preis von 42 Cent - je nach Netzgebiet seien dies heute nur noch 25 bis 35 Cent pro Kilowattstunde. Das Phänomen der steigenden Ad-hoc-Preise sorge bei E-Autofahrern de facto nur für einen kleinen Teil ihrer Gesamt-Verbrauchskosten.

Wer freilich unterwegs ist und nicht an teuren Ladepunkten etwa in Dortmund oder Hamburg umhinkommt, wird sich gleichwohl über die Intransparenz bei den Strompreisen an Ladesäulen ärgern. Die grundsätzliche Kritik von Lichtblick (auf Grundlage der Statista-Zahlen) ist berechtigt und nachvollziehbar. Manchmal gelingt es auch, per Gefälligkeitsgutachten den Finger in die offene Wunde zu legen - und eine Ungerechtigkeit im Markt-Geschehen anzuprangern.

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Peter Schubert

                                                                            ***

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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