Finanzen

EU-Kommission: Deutsche Wirtschaft wird dieses Jahr „nahezu stagnieren“

Einer Brüsseler Schätzung zufolge sind die Konjunkturaussichten für Deutschland trübe. Was sind die Gründe und wie sieht die Lage Europaweit aus?
15.05.2024 14:44
Aktualisiert: 15.05.2024 14:44
Lesezeit: 2 min
EU-Kommission: Deutsche Wirtschaft wird dieses Jahr „nahezu stagnieren“
Den EU-Prognosen unterliegen hohen Unsicherheiten aufgrund zweier Kriege und anderen geopolitischen Spannungen. (Foto: dpa) Foto: Soeren Stache

Die deutsche Wirtschaft wird nach einer Prognose der EU-Kommission in diesem Jahr nahezu stagnieren. In einer am Mittwoch vorgelegten Schätzung der Brüsseler Behörde prognostiziert sie der größten Volkswirtschaft der EU für 2024 nur noch ein minimales Wachstum von 0,1 Prozent. Als Gründe werden eine schwache Auslandsnachfrage, ein schleppender privater Konsum und zu geringe Investitionen genannt. Im EU-Vergleich sind die Aussichten nur für Finnland (0,0 Prozent) und Estland (-0,5 Prozent) noch schlechter. Zuletzt hatte die Kommission der Bundesrepublik für 2024 ein Wachstum von 0,3 Prozent vorausgesagt.

EU-Lage: Leichte Stabilisierung

Europaweit sieht die Lage nach Schätzung der Kommission etwas besser aus. In der EU wird sich demnach die Wirtschaft leicht stabiler entwickeln als zuletzt erwartet: Die Kommission rechnet für 2024 mit einem Wachstum von 1,0 Prozent. Bei ihrer Winterprognose im Februar ging sie von einem Plus von 0,9 Prozent aus. Für die Eurozone prognostiziert die Behörde weiterhin ein Wachstum von 0,8 Prozent.

„Trotz starken Gegenwinds konnte sich die EU-Wirtschaft in den letzten Jahren behaupten, sodass wir heute wieder – wenn auch bescheidenen – Wachstumsraten entgegensehen dürfen, die 2025 höher ausfallen werden“, sagte EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis. Vor allem steigender privater Konsum wird nach Einschätzung der Kommission zufolge die Wirtschaft wieder ankurbeln, da der anhaltende Reallohn- und Beschäftigungszuwachs das verfügbare Einkommen steigere. Ein ausgeprägter Hang zum Sparen allerdings bremse den Konsum teils noch.

Aussichten für 2025: Etwas positiver

Dennoch blickt die Kommission etwas optimistischer auf das kommende Jahr: Für die EU wird ein Wachstum von 1,6 Prozent prognostiziert (Eurozone: 1,4 Prozent). Damit senkt die Kommission allerdings ihre Erwartungen leicht - bei der Winterschätzung im Februar ging die Behörde für das kommende Jahr noch von einem Plus von 1,7 Prozent aus (Eurozone: 1,5 Prozent).

Auch Deutschlands Wirtschaft soll nach Prognose der Brüsseler Experten 2025 nicht mehr stagnieren, sondern wieder stärker wachsen, wenn auch langsam: Vorausgesagt wird ein Plus von 1,0 Prozent. Angebracht für das moderate Wachstum wird auch hier eine langsam anziehende Inlandsnachfrage wegen steigender Reallöhne. „Die Exporte werden den Prognosen zufolge auch 2024 nur schleppend wachsen und sich 2025 langsam erholen“, heißt es weiter. Gleichzeitig werde im Jahr 2025 eine Erholung des Investitionswachstums erwartet. Wegen der anhaltend hohen Wohnungsnachfrage in Deutschland rechnet die Kommission zudem damit, das ab dem zweiten Halbjahr 2024 eine Erholung im Bau die Lage unterstützen wird.

Unsicherheiten wegen Kriege und andere geopolitische Spannungen

EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni allerdings gab zu bedenken: „Unsere Prognose unterliegt hohen Unsicherheiten, denn in Anbetracht zweier Kriege vor unserer Haustür haben die Abwärtsrisiken zugenommen.“ Neben Russlands Angriffskrieg und dem Nahostkonflikt stellten auch andere geopolitische Spannungen nach wie vor ein Risiko da, heißt es in der Prognose. Ebenso die anhaltende Inflation in den USA könnte Auswirkungen auf die globalen Finanzbedingungen haben, weiterhin belasteten mit dem Klimawandel verbundene Risiken den Ausblick.

Die jährliche Inflation in der Eurozone wird sich der Kommissionsschätzung zufolge etwas schneller abschwächen als zuletzt erwartet - in der Eurozone von 5,4 Prozent 2023 auf 2,5 Prozent in diesem und 2,1 Prozent im kommenden Jahr. In Deutschland soll die Inflation der Schätzung nach in diesem Jahr auf 2,4 Prozent und im kommenden auf 2,0 Prozent zurückgehen.

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