Finanzen

Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche EU-Länder erleben Zuwächse.
02.05.2024 11:02
Lesezeit: 2 min

Internationale Investoren haben im vergangenen Jahr ihr Engagement in Deutschland laut einer Studie erneut zurückgefahren. 2023 kündigten Unternehmen aus dem Ausland 733 Investitionsprojekte hierzulande an – und damit zwölf Prozent weniger als im Vorjahr. Das ist der niedrigste Stand seit 2013 und der sechste Rückgang in Folge, wie aus der Analyse des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY hervorgeht.

Im europäischen Vergleich belegt Deutschland damit zwar weiterhin den dritten Platz – der Abstand zu Primus Frankreich vergrößerte sich aber erneut. EY zählte dort zwar fünf Prozent weniger Vorhaben, aber immer noch 1194. Das Nicht-EU-Land Großbritannien folgt mit 985 Projekten (plus sechs Prozent). Die höchste Zahl ausländischer Investitionen in den Standort Deutschland verzeichnete EY mit 1124 Vorhaben im Jahr 2017. Vor der Corona-Pandemie 2019 lag die Zahl bei 971. EY führt die Studie seit 2006 durch. Angaben zum Investitionsvolumen wurden nicht gemacht.

EY-Chef: Deutschland wird abgehängt

Der Vorsitzende der EY-Geschäftsführung, Henrik Ahlers, hält den Rückgang für eine beunruhigende Entwicklung: „Das ist ein Alarmsignal. Deutschland wird abgehängt, andere europäische Standorte entwickeln sich viel dynamischer“, wird er in einer Mitteilung zitiert. Seit 2017 sei die Zahl der Investitionsprojekte in Deutschland um 35 Prozent gesunken, in Großbritannien betrug das Minus in dem Zeitraum 18 Prozent. Frankreich legte hingegen um 20 Prozent zu. „Frankreich ist der große Brexit-Gewinner. Deutschland hingegen hat sogar noch mehr Investitionen verloren als Großbritannien“, sagte Ahlers.

Ahlers macht für das schwache Abschneiden Deutschlands mehrere Gründe aus, darunter die hohe Steuerbelastung, hohe Arbeitskosten, teure Energie sowie die Bürokratie im Land. „Das Ergebnis: Die Investitionen sinken, die Stimmung bei Verbrauchern wie Unternehmen ist im Keller, die Konjunktur entwickelt sich so schwach wie in keinem anderen Industrieland“.

Auch in ganz Europa schwächelte die Entwicklung, aber nicht so stark wie in Deutschland. 2023 sank die Zahl angekündigter Projekte um vier Prozent auf insgesamt 5694. Die größte Dynamik wiesen die Türkei (plus 17 Prozent) und die Schweiz (plus 53 Prozent) aus. Das Vor-Pandemie-Niveau wurde europaweit aber weiterhin verfehlt. Die Zahl der Vorhaben lag elf Prozent unter dem Wert von 2019.

US-Investoren fahren Engagement zurück

US-Unternehmen waren vergangenes Jahr zwar immer noch die wichtigsten Investoren in Europa und Deutschland – die Zahl der Projekte schrumpfte aber um 15 Prozent, hierzulande sogar um 22 Prozent. Ahlers macht dafür milliardenschwere Subventionsprogramme wie den Inflation Reduction Act (IRA) verantwortlich. „Die US-Standortpolitik zeigt Wirkung“, sagte er. „US-Konzerne investieren offenbar verstärkt im eigenen Land und seltener in Europa.“

US-Investoren hätten den Standort Deutschland zwar keineswegs abgeschrieben, das Vertrauen sei aber erschüttert. Top-Prioritäten der deutschen Politik und Wirtschaft sollte sein, dieses wieder herzustellen, sagte Ahlers. Um einen Subventionswettlauf könne es aber nicht gehen. Vielmehr müssten die Rahmenbedingungen verbessert werden. Ahlers zeigte sich jedoch skeptisch, ob das schnell gelingen kann: „Die Probleme in Deutschland liegen tief und sind auch struktureller Art. Eine Trendwende wird daher nicht von heute auf morgen gelingen“, sagte er. Notwendig seien eine echte Steuerreform und ein Abbau von Regulierung.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen USA Börsen: Überraschend deutlicher Rückgang der US-Inflation beflügelt die Aktienmärkte
18.12.2025

Die im letzten Monat überraschend stark abgekühlten US-Inflationsdaten befeuerten die Hoffnung, dass im Jahr 2026 weitere Zinssenkungen...

DWN
Politik
Politik Feuer und Tränengas: Tausende Bauern protestieren in Brüssel gegen Mercosur
18.12.2025

Feuer, Tränengas und Traktoren: Tausende Landwirte bringen Brüssels Europaviertel zum Chaos. Sie protestieren gegen das geplante...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlandfonds startet: Wie der Staat 130 Milliarden Euro private Investitionen lostreten will
18.12.2025

Deutschland braucht Wachstum, aber der Staat allein kann es nicht finanzieren. Die Bundesregierung setzt deshalb auf einen neuen Hebel: den...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Zinsentscheidung: Leitzinsen der Eurozone bleiben erneut unverändert
18.12.2025

Die EZB-Zinsentscheidung ist gefallen: Wie erwartet lassen die Währungshüter der Europäischen Zentralbank den Leitzins für die Eurozone...

DWN
Immobilien
Immobilien Unser neues Magazin ist da: Urbane Zukunft – von Smart-Cities bis hin zu futuristischen Utopien
18.12.2025

Städte entscheiden, wie Freiheit, Wohlstand und Klimaschutz in der nahen Zukunft zusammengehen. Zwischen Sensoren, Sanierungswellen und...

DWN
Technologie
Technologie SMR in Schweden: Blykalla sichert fast 48 Mio Euro für KI-Energie
18.12.2025

Blykalla sammelt fast 48 Millionen Euro für kleine modulare Reaktoren (SMR) ein. Investoren aus Schweden, den USA und Japan setzen auf...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Steuersenkung in Restaurants: Warum Gäste kaum profitieren
18.12.2025

Die Politik senkt die Mehrwertsteuer in der Gastronomie - wird der Restaurantbesuch damit endlich wieder erschwinglicher? Wohl kaum....

DWN
Politik
Politik Trumps Rede an die Nation: Eigenlob und Schweigen im Walde
18.12.2025

Zwischen Weihnachtsbäumen und Selbstlob inszeniert Donald Trump seine Rede an die Nation als Erfolgsgeschichte. Er verspricht...