Politik

DWN-SERIE zur Europawahl (Teil 1): Das Wahlprogramm der FDP für die EU

Lesezeit: 3 min
28.05.2024 11:00  Aktualisiert: 30.05.2030 17:00
Am Sonntag, dem 9. Juni, findet in Deutschland die Abstimmung zur Europa-Wahl statt. Erstmals werden auch 16-Jährige über die Zusammensetzung des EU-Parlaments in Straßburg abstimmen können. Wer die EU-Kommission in Brüssel übernehmen wird, ist allerdings eine Entscheidung, bei der die Mitgliedsstaaten der EU, die Regierungen in den jeweiligen Hauptstädten als Rat mitreden werden. Spannend ist in jedem Fall, was die Parteien Europas sich für die Zukunft des Kontinents vorstellen. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten stellen die Programme der deutschen Parteien vor, die sich zur Wahl stellen. Heute in Teil 1 die FDP.
DWN-SERIE zur Europawahl (Teil 1): Das Wahlprogramm der FDP für die EU
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Spitzenkandidatin zur Europawahl, mit Blumenstrauß. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Am 28. Januar hat sich die FDP in Berlin zum Europa-Parteitag getroffen und für die Wahlen zum EU-Parlament auf ein Programm verständigt. Wirtschaft, Freihandel und die persönliche Entfaltung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern (Unternehmern) steht ganz klar im Vordergrund. „Planwirtschaft, Protektionismus und Subventionswettläufen erteilen wir eine klare Absage“, so die klare Übereinkunft der Liberalen.

Eurofighterin in das Parlament der Hinterbänkler

Als Spitzenkandidatin steht die Düsseldorferin Agnes Strack-Zimmermann als prominentes Aushängeschild der Partei zur Verfügung. Als verteidigungspolitische Sprecherin der FDP im Deutschen Bundestag tingelt sie seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine durch die Talkshows und hat dadurch Prominenz und Bekanntheit erlangt. Ein guter Schachzug, die „Eurofighterin“, wie sich Strack-Zimmermann gerne auch selbst bezeichnet, in den Kampf zu schicken. Strack-Zimmermann gilt zwar nicht als die ausgewiesene Wirtschaftsexpertin, aber hat sicherlich das Zeug, den deutschen Einfluss auf die derzeit von den Franzosen (durch die Parteifreunde Emanuel Macrons) dominierte, jedoch locker gruppierte liberale Fraktion namens „Renew Europe“ zu stärken. Nicht wenige hoffen, dass die resolute Rheinländerin die Reihen der Namenlosen in Brüssel und Straßburg aufmischt. Die Zeiten, dass die zweite Reihe nach Europa entlassen wird, scheint damit zumindest für die FDP vorbei zu sein.

Vielversprechend ist, dass Strack-Zimmermann und Parteichef Christian Lindner sich bestens aus ihren Anfängen in Düsseldorf und NRW kennen. Man könnte sagen, Lindner nimmt Europa inzwischen recht wichtig, womöglich auch, um den strategischen Einfluss (und womöglich sogar Druck) von dort auf die Regierung in Berlin bei transeuropäischen Themen wie der Verteidigung zu erhöhen. Die FDP betont, dass Europa „vor einer entscheidenden Bewährungsprobe“ steht. Das „Friedens- und Wohlstandsprojekt“ ist weder abgeschlossen noch wirklich überall auf gutem Wege. Viele glauben, im Gegenteil, es könnte in Gefahr geraten und von Lobbyisten und NGO-Vertretern zerschossen werden.

Selbstverantwortung und Erfindergeist

Die Abgrenzung zu den mittlerweile von Kadern dominierten Grünen in Berlin und auch in Europa wird bei Lektüre des Wahlprogramms offensichtlich. Europa habe sich „selbst gefesselt: mit ungebremst wachsender Bürokratie und der Regulierung selbst kleinster Details und privater Lebensbereiche“. Und weiter: „Mit überkomplexen und intransparenten Entscheidungsprozessen, die von den Menschen nicht nachvollzogen werden können. Mit Subventionierungs-Mechanismen, die zu viel Geld unwirksam verteilen. Mit zu viel Freude an Verboten und zu wenig Vertrauen in Selbstverantwortung und Erfindergeist.“

Explizite Kritik wird an Ursula von der Leyen und den von Öko-Parteien unterstützten „Green Deal“ geäußert. Die EU-Kommission habe auf „die falschen Instrumente“ gesetzt. Es sei „nicht Aufgabe der EU, Unternehmen zu bevormunden, Absätze zu garantieren, Ressourcen zuzuteilen und Preise künstlich festzusetzen“. Die Liberalen fordern „bessere Bedingungen für private Investitionen und Gründungen“.

FDP kämpft für „Bureaucracy Reduction Act“

Mit anderen Worten: Die FDP wirbt, wenig verwunderlich, für „mehr Marktwirtschaft“ in Europa. Die EU soll politisch von seinen Bürgern mehr als Ganzes wahrgenommen werden. Der Ruf nach Freiheit und Freizügigkeit ist deutlich zwischen den Zeilen vernehmbar. „Bildungs- und Arbeitsangebote in der gesamten EU“ sollen einfacher nutzbar werden für die Bürger. Vorbild ist, wie sich die Universitäten und Forschungsinstitute inzwischen gesamteuropäisch aufstellen und Spitzenkräften aus allen Ländern offensteht, egal welch nationalen Pass sie in der Tasche haben - Stichwort „multinationale Hochschulen“. Praktika-Plätze sollen europaweit ausgeschrieben und vergeben werden, um die Verbundenheit und europäische Identität schon während der Schulzeit und Ausbildungsjahre zu fördern. Als Idee sollen entsprechende Online-Bewerbungsportale installiert werden, auf den unterschiedlichen Ebenen. Die FDP beschreibt damit, was in den großen Städten Europas längst gelebte Realität ist, nun aber auch durch verstärkte politische Anerkennung und ein vernehmliches Votum der Wähler abgesegnet werden soll.

Dass es nicht immer nur um blumige Aussichten und vielerlei Wortgeklingel geht, bemerkt man an den Stellen, wo Parteiprogramme konkret werden. Die FDP etwa beim „Bureaucracy Reduction Act“. Nach dieser Regel will die Partei die Wirtschaft „von mindestens 50 Prozent der Bürokratielasten befreien“. Und zwar am besten so: „Für jede neue Belastung durch EU-Regulierung müssen im Gegenzug gemäß der One n, two out-Regel bestehende Belastungen konsequent in doppeltem Umfang abgeschafft werden.“ Das würde für viele sicherlich an ein Wunder grenzen. Ob es genug ist, um mehr Wählerstimmen zu gewinnen als bisher, wird sich am Sonntagabend in den ersten Hochrechnungen zeigen.

                                                                            ***

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Panorama
Panorama Amokfahrt von Magdeburg: Trauer, Entsetzen und offene Fragen halten Deutschland in Atem
22.12.2024

Fünf Menschen sind tot, 200 verletzt: Nach der folgenschweren Fahrt mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg stellt sich die...

DWN
Politik
Politik Donald Trump hofft: Elon Musk übernimmt (noch) nicht die US-Präsidentschaft
22.12.2024

Kritiker nennen den Tech-Milliardär süffisant «Präsident Musk». Donald Trump stellt klar, wer das Sagen hat - bestreitet aber auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quiet Quitting: Der stille Job-Rückzug mit gefährlichen Folgen
22.12.2024

Ein stiller Rückzug, der Unternehmen erschüttert: Quiet Quitting bedroht die Substanz deutscher Betriebe. Warum immer mehr Beschäftigte...

DWN
Politik
Politik Steuern und Abgaben: Mehrheit der Steuerzahler zahlt 2025 noch mehr – mit oder ohne Ampel!
22.12.2024

Das „Entlastungspaket“ der Ampel ist eine Mogelpackung, denn Steuersenkungen sind nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Ab dem 1. Januar 2025...

DWN
Technologie
Technologie DWN-Sonntagskolumne: Künstliche Intelligenz Hype Cycle - Zwischen Revolution und Enttäuschung
22.12.2024

Ist künstliche Intelligenz nur ein Hype oder der Beginn einer Revolution? Zwischen hohen Erwartungen, Milliardeninvestitionen und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Psychische Gewalt am Arbeitsplatz: Ursachen, Folgen und Lösungen
22.12.2024

So können Unternehmen gegen verbale Übergriffe aktiv werden- Beleidigungen, Drohungen und Beschimpfungen: Rund ein Drittel der...

DWN
Politik
Politik Migrationskrise: Asyl-Rekordhoch in Deutschland und die illegale Migration an den Grenzen geht ungebremst weiter
22.12.2024

In Deutschland leben fast 3,5 Millionen Geflüchtete, von Asylsuchenden über anerkannte Flüchtlinge bis zu Geduldeten. Das ist ein neuer...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
22.12.2024

Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...