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DWN-SERIE zur Europawahl (Teil 5): Das Wahlprogramm der SPD für die EU

Lesezeit: 5 min
01.06.2024 07:02  Aktualisiert: 30.05.2030 17:00
Am Sonntag, dem 9. Juni, findet in Deutschland die Abstimmung zur Europa-Wahl statt. Erstmals werden auch 16-Jährige über die Zusammensetzung des EU-Parlaments in Straßburg abstimmen können. Wer die EU-Kommission in Brüssel übernehmen wird, ist allerdings eine Entscheidung, bei der die Mitgliedsstaaten der EU, die Regierungen in den jeweiligen Hauptstädten als Rat mitreden werden. Spannend ist in jedem Fall, was die Parteien Europas sich für die Zukunft des Kontinents vorstellen. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten stellen die Programme der deutschen Parteien vor, die sich zur Wahl stellen. Heute in Teil 5 die SPD.
DWN-SERIE zur Europawahl (Teil 5): Das Wahlprogramm der SPD für die EU
Katarina Barley tritt als Spitzenkandidaten der SPD in der Europawahl an. (Foto: dpa)

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Am 28. Januar 2024 präsentierte die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) auf ihrem Parteitag ihr Programm für die Europawahl. Katarina Barley wurde erneut als Spitzenkandidatin gewählt. Sie ist die erste Person, die ein Ministeramt aufgegeben hat, um bei der Europawahl anzutreten. Barley ist der SPD im Alter von 26 Jahren beigetreten.

Katarina Barley und Olaf Scholz setzen klare Akzente im Europawahlkampf

Katarina Barley betont in ihrer Rede die Bedeutung einer „Richtungswahl“ gegen rechtsextreme Tendenzen. Sie warnt vor inneren und äußeren Feinden der Demokratie, darunter Viktor Orbán aus Ungarn. Außerdem kritisiert sie die EU-Austrittspläne der AfD angesichts der starken wirtschaftlichen Abhängigkeit Deutschlands von Europa.

Bundeskanzler Scholz unterstützt die SPD im Europawahlkampf und ruft dazu auf, proeuropäische Parteien zu wählen. Er bekräftigt Deutschlands Solidarität mit der Ukraine im Konflikt mit Russland.

Die SPD setzt sich für die Stärkung von Industrie und Wirtschaft in Europa ein, während sie gleichzeitig soziale Absicherung der Bürger gewährleistet. Ihr Wahlprogramm betont die Rolle des Klimaschutzes als Treiber für neue Arbeitsplätze und die Priorität des Ausbaus erneuerbarer Energien.

„Gemeinsam für ein starkes Europa“

Die Stärke Europas liegt in seiner Fähigkeit, Krisen gemeinsam zu bewältigen und Solidarität zu zeigen, wie während der Corona-Pandemie und dem russischen Angriff auf die Ukraine, betont die SPD. Frieden, Sicherheit und Demokratie sind zentrale Werte, für die die Europäische Union eintritt, indem sie auf diplomatische Mittel setzt und die Verteidigung stärkt. Zudem wird auf Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gesetzt, um ein gutes Leben für alle Bürger zu ermöglichen. Einheit in Handeln und Sprechen auf der internationalen Bühne sowie die Förderung von Innovation und Einwanderung sind weitere Schlüsselelemente für ein starkes Europa, steht im Wahlprogramm der SPD.

Im Folgenden finden Sie eine kurze Zusammenfassung der Hauptpunkte des Wahlprogramms der SPD:

Wirtschaft

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands strebt danach, dass Deutschland und Europa als attraktive Wirtschafts- und Industriestandorte bleiben. Dies soll durch die Vereinfachung von Bürokratie, beschleunigte Planungsprozesse und Reformen im deutschen Wettbewerbsrecht sowie im EU-Insolvenzrecht erreicht werden. Die SPD setzt sich zudem für Investitionen in die Weiterbildung inländischer Fachkräfte ein und strebt eine gezielte Anwerbung internationaler Talente an. Der EU-Haushalt soll den aktuellen Herausforderungen gerecht werden. Eine Finanzreform soll deutsche Beiträge durch eigene Einnahmen der EU ersetzen. Zudem wird eine europäische Koordinierung der Unternehmensbesteuerung gefordert, um Steuervermeidung und -hinterziehung zu bekämpfen.

Energie

Die SPD fordert eine Umstellung Europas auf erneuerbare Energien und sichere Energiequellen. Sie setzt auf den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur, Stromleitungen und die Schaffung eines europäischen Marktes für grünen Wasserstoff. Ziel ist es, einseitige Abhängigkeiten in internationalen Energiebeziehungen zu vermeiden. Die SPD plädiert abschließend für eine tiefgreifende Neugestaltung des EU-Strommarktes, um die Integration erneuerbarer Energien zu optimieren.

Europa

Die SPD setzt auf ein starkes Europa, das Sicherheit bietet und die Demokratie schützt. Die SPD strebt eine aktive Rolle Deutschlands in der EU an und legt dabei Wert auf zukunftsorientierte Politik, Stärkung der EU und Respekt unter den Mitgliedern.

Internationale Beziehungen

Die SPD strebt eine strategische Stärkung internationaler Partnerschaften an, darunter einen demokratischen Ostseeraum und eine stärkere transatlantische Partnerschaft. Sie setzt sich für eine konsistente europäische Chinapolitik ein und fordert Reformen in internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen, der Weltgesundheitsorganisation und der Welthandelsorganisation. Die Entwicklungszusammenarbeit soll mit mindestens 0,7 Prozent des BNE unterstützt werden, und es sollen Entschuldigungsprogramme und ein Schuldenschnitt für Länder des Globalen Südens angestrebt werden.

Friedenspolitik

Die SPD setzt sich für den Schutz des Friedens in Europa ein, indem sie die militärische Stärke der EU und ihre Position in der NATO stärken will. Sie fordert die dauerhafte Stationierung einer deutschen Brigade in Litauen und Investitionen in die gemeinsame Luftverteidigung. Die Partei betont die Bedeutung der Kopenhagener Kriterien für die EU-Erweiterung und unterstützt die Aufnahme der westlichen Balkanstaaten sowie der Ukraine und Moldaus.

Rüstungspolitik

In der Rüstungspolitik strebt die SPD eine Europäische Armee an und fordert eine nachhaltige Verteidigungsfinanzierung von mindestens zwei Prozent des BIP. Sie möchte die Ausstattung europäischer Verteidigungsfonds verbessern und mehr Standardisierung durch gemeinsame Rüstungsprojekte erreichen. Die Partei fordert internationale Regelungen für bewaffnete Drohnen, Biowaffen, Cyber- und Künstliche Intelligenz sowie eine gemeinsame europäische Rüstungsexportpolitik.

Demokratie

Die SPD fordert eine umfassende Reform der EU, einschließlich Vertragsänderungen und Reformen der Entscheidungsprozesse. Sie strebt die Abschaffung von Vetorechten einzelner Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat an und möchte Mehrheitsentscheidungen fördern. Bei Verstößen gegen demokratische Grundwerte sollen konsequente Verfahren angewendet werden, einschließlich der Möglichkeit, das Stimmrecht von Mitgliedstaaten zu entziehen. Die Rolle des Europäischen Parlaments soll gestärkt werden, indem direkt gewählte Abgeordnete echte Initiativrechte erhalten. Transnationale Listen bei Europawahlen sollen die europäische Dimension stärken, und die Vorschläge der Konferenz zur Zukunft Europas sollen umgesetzt werden. Mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht werden für die EU-Institutionen gefordert.

Arbeit

Die SPD strebt gemeinsame Mindeststandards für Arbeitsmärkte und Sozialpolitik auf nationaler und europäischer Ebene an. Dazu gehören eine EU-Mindestlohnrichtlinie, Arbeitszeitverkürzungen durch digitale Produktivitätsgewinne und eine einheitliche europäische Sozialversicherungsnummer. Sie fordert EU-Richtlinien zum Schutz vor psychischen Belastungen, fairen Arbeitsbedingungen und zur Stärkung der Mitbestimmung im Betrieb.

Migration und Asyl

Die SPD setzt sich für eine solidarische EU-Asylpolitik ein. Die Partei fordert, dass alle Mitgliedsstaaten ihre europäischen und völkerrechtlichen Verpflichtungen einhalten. Insbesondere Minderjährige und Familien sollen besonderen Schutz erhalten, während wir Pushbacks entschieden ablehnen. Städte, die Geflüchtete aufnehmen, verdienen finanzielle Unterstützung, betont die SPD. Die Partei strebt nach beschleunigten Asylverfahren, ohne dabei den Rechtsschutz zu vernachlässigen. Seenotrettung ist eine humanitäre Pflicht und darf keinesfalls kriminalisiert werden. Die Partei verurteilt pauschale Kategorisierungen nach Herkunftsländern und jegliche Ausgrenzungspolitik rechtspopulistischer Natur.

Klima und Umwelt

Die SPD betont die Bedeutung europäischer Zusammenarbeit für Deutschland in Wirtschaft, Klima und Umwelt. Sie setzt auf erneuerbare Energien als Jobmotor und will grünen Wasserstoff, Batterietechnologie und Elektromobilität ausbauen. Die Automobilindustrie und andere Branchen sollen bei der Transformation zu umweltfreundlichen Verfahren unterstützt werden. Die SPD fordert EU-weite Programme zur Rohstoffstrategie und Abfallwirtschaft. Sie strebt einen sozial gerechten Klimaschutz an, der Arbeitsplätze sichert und die Gesundheit der Arbeitnehmer schützt. Die Partei setzt sich für weltweite Klimaneutralität bis 2050 ein, unterstützt multilaterale Initiativen und fördert bilaterale Klimapartnerschaften. Umweltschutzmaßnahmen wie die Erhaltung der Artenvielfalt und der Schutz von Land- und Meeresflächen stehen ebenfalls im Fokus.

Verkehr

Die Partei strebt eine umfassende Stärkung des Schienenverkehrs an, indem sie das deutsche Schienennetz umfassend renoviert und in europäische Bahnstrecken investiert. Die SPD hat das Ziel, Bahnreisen innerhalb Europas als attraktive und umweltfreundliche Alternative zu Kurzstreckenflügen zu etablieren. Dazu soll der Ausbau von Nachtzügen und Hochgeschwindigkeitszügen vorangetrieben werden. Die Partei fordert die Einführung einer EU-weiten Ticket-App und die Anerkennung des Deutschlandtickets in Nachbarländern. Ein Europaticket für die gesamte EU soll die Mobilität weiter erleichtern. Darüber hinaus setzt sich die Partei für die Förderung umweltfreundlicher Mobilitätslösungen wie elektro- und wasserstoffbetriebene Fahrzeuge ein.

Digitalisierung

Die SPD strebt eine einheitliche und harmonisierte Digitalpolitik in Europa an, wobei der Digital Services Act einen entscheidenden Fortschritt darstellt. Die Partei engagiert sich für die Förderung zentraler digitaler Technologien und den Aufbau europäischer Kapazitäten für KI-Modelle. Dabei legt sie besonderen Wert auf den Schutz grundlegender Rechte wie Datenschutz und Privatsphäre. Die SPD spricht sich klar gegen Massenüberwachung aus und setzt sich für den Schutz demokratischer Prozesse vor Desinformation und Cyberangriffen ein. Zudem will die Partei die Abhängigkeit von Herstellern außerhalb der EU reduzieren und den Zugang zu Fördermitteln für die KI-Forschung erleichtern.

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Iana Roth ist Redakteurin bei den DWN und schreibt über Steuern, Recht und HR-Themen. Zuvor war sie als Personalsachbearbeiterin tätig. Davor arbeitete sie mehrere Jahre als Autorin für einen russischen Verlag, der Fachliteratur vor allem für Buchhalter und Juristen produziert.


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