Politik

BGH stärkt Verbraucher – Mogelpackung auch im Onlinehandel verboten

Hersteller tricksen oft mit Verpackungen, die mehr Inhalt vortäuschen, als drin ist - obwohl das verboten ist. Im Streit um die Mogelpackungen hat der BGH nun Klarheit geschaffen.
03.06.2024 07:30
Lesezeit: 2 min

Verpackungen, die mehr Inhalt vortäuschen, als drin ist, sorgen immer wieder für Unmut bei Verbrauchern. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ihnen im Streit um die sogenannten Mogelpackungen nun den Rücken gestärkt. Eine Produktverpackung, die nur zu etwa zwei Dritteln gefüllt ist, sei eine unerlaubte Mogelpackung - und zwar unabhängig davon, ob sie im Ladenregal stehe oder online verkauft werde, urteilte das Gericht jetzt in Karlsruhe. Eine Verpackung, die nicht im Verhältnis zur eigentlichen Füllmenge stehe, täusche die Verbraucher unabhängig vom Vertriebsweg, sagte der Vorsitzende Richter, Thomas Koch.

Im konkreten Fall hatte der Kosmetik- und Körperpflegehersteller L’Oréal auf seiner Internetseite ein Herrenwaschgel mit einem Bild von der auf dem Verschlussdeckel stehenden Kunststofftube beworben, die allerdings nur bis Ende eines transparenten Teils der Tube mit Waschgel gefüllt ist. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kritisierte, die Werbung suggeriere eine nahezu vollständige Befüllung der Tube und sei damit unlauter.

Um Verbraucher vor Mogelpackungen zu schützen, schreibt das deutsche Recht Herstellern diesbezüglich strenge Regeln vor. Im Mess- und Eichgesetz ist festgehalten, dass Verpackungen, die mehr Inhalt vortäuschen, als in ihnen enthalten ist, weder hergestellt noch auf den Markt gebracht werden dürfen. In der Rechtssprechung wurde die Grenze regelmäßig bei einer Füllmenge von etwa zwei Dritteln gezogen - bei weniger Inhalt wurde in der Regel von einer unzulässigen Mogelpackung ausgegangen.

BGH hebt Urteile der Vorinstanzen auf

Die Verbraucherzentrale war mit ihrer Klage in den Vorinstanzen zunächst erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf stellte zwar fest, dass die Verpackung nur zu knapp zwei Dritteln gefüllt ist und damit eine Mogelpackung wäre, wenn sie im Ladenregal stünde. In diesem Fall sei der Verstoß für die Verbraucher aber nicht spürbar, da sie die konkrete Größe der Verpackung beim Online-Kauf ohnehin nicht einsehen könnten.

Der BGH verstand die Begründung des Berufungsgerichts so, dass der Verbraucher online ohnehin nicht sehe, wie groß oder klein eine Verpackung ist, und sich daher an der Milli-Liter-Angabe orientiere. Da diese Angabe korrekt war, könne nach Einschätzung des OLG auch keine Täuschung vorliegen, erläuterte Koch bei der mündlichen Verhandlung im April - deutete aber bereits dort an, dass der Karlsruher Senat diese Einschätzung wohl nicht teilte. Eigentlich dürfe es keinen Unterschied machen, wo die Tube abgebildet sei, sagte Koch.

Entsprechend fiel nun auch das Urteil des höchsten deutschen Zivilgerichts aus. Der BGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und verurteilte L'Oréal zur Unterlassung. L'Oréal teilte auf Anfrage mit, man respektiere die Entscheidung des BGH und warte die Zustellung des Urteils, einschließlich der Urteilsbegründung, ab. „Die Verbraucherzentrale hat eine Verpackung beklagt, welche sie vor mehr als vier Jahren dem Handel entnommen hat“, sagte ein Unternehmenssprecher. „Diese wird bereits seit über zwei Jahren nicht mehr in dieser Form von uns vertrieben“.

Verpackungsregeln auch auf EU-Ebene

Mit dem Urteil habe der Karlsruher Senat die Verbraucher gestärkt, sagte die Vorständin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, Cornelia Tausch, nach der Verkündung.

"Das sollte Signalwirkung haben an alle Hersteller, sparsam mit der Verpackung umzugehen." Man hoffe, dass die Position der Verbraucher auch durch die neue Verpackungsverordnung der EU zusätzlich gestärkt werde.

Die Ende April vom EU-Parlament verabschiedeten neuen Regeln sehen unter anderem vor, dass Hersteller das Gewicht und Volumen von Verpackungen minimieren. Ziel ist es, den Verpackungsmüll in der EU bis 2040 schrittweise um mindestens 15 Prozent im Vergleich zu 2018 zu reduzieren. Nach der Abstimmung im Plenum des Europaparlaments müssen nun nur noch die EU-Staaten die neuen Vorschriften bestätigen. Das ist in der Regel Formsache.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Staatsmilliarden für E-Autos: Warum Kaufprämien den Markt nicht stabilisieren
22.12.2025

Ab 2026 soll der Kauf von Elektroautos staatlich bezuschusst werden. Die Erfahrung aus Ländern wie Norwegen und Australien zeigt jedoch,...

DWN
Finanzen
Finanzen Jetzt Tesla-Aktie kaufen? Welche Erwartungen Investoren an Elon Musk haben
21.12.2025

Visionäre Unternehmer haben an den Kapitalmärkten immer wieder ganze Branchen neu geordnet. Ob Tesla-Aktien weiterhin von technologischem...

DWN
Panorama
Panorama Gaudís Sagrada Família: Der höchste Kirchturm der Welt
21.12.2025

Barcelona feiert 2026 die Architektur – und ein Turm der Sagrada Família soll Geschichte schreiben. Doch hinter dem Rekord stecken Geld,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Leadership-Coach Lars Krimpenfort: „Klopp ist ein gutes Beispiel für klare Führung unter Druck“
21.12.2025

Im Mittelstand steigen die Belastungen gefühlt täglich. Wie gelingt es Führungskräften dennoch, unter Druck richtig zu entscheiden?...

DWN
Politik
Politik EU-Kapitalmarktunion: Warum kleine Staaten um ihre Finanzmacht kämpfen
21.12.2025

Die EU will ihren Kapitalmarkt neu ordnen und zentrale Aufsichtsrechte nach Paris verlagern, während kleinere Staaten den Verlust ihrer...

DWN
Panorama
Panorama DWN-Wochenrückblick KW 51: Die wichtigsten Analysen der Woche
21.12.2025

Im DWN Wochenrückblick KW 51 fassen wir die zentralen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Woche zusammen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mittelstand vor existenziellen Problemen: Keine Aufträge und schlechte Rahmenbedingungen
21.12.2025

Wie eine aktuelle Umfrage des ifo-Instituts ergab, sehen sich 8,1 Prozent der befragten Firmen direkt in ihrer wirtschaftlichen Existenz...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Zölle auf Kleinsendungen: Neue Abgabe trifft Online-Bestellungen aus Drittstaaten
21.12.2025

Der Online-Handel mit günstigen Waren aus Drittstaaten wächst rasant und stellt den europäischen Binnenmarkt vor strukturelle...