Finanzen

Tik-Tok, Instagram & Co: Steuervergehen, Manipulation und Betrug durch Influencer

Lesezeit: 6 min
01.06.2024 13:11
Das Verdienen über soziale Medien birgt viele Probleme, wie Steuerhinterziehung, Wahlmanipulation und Betrug. Die Deutsche Wirtschaftsnachrichten (DWN) haben recherchiert und die auffälligsten Fälle aus verschiedenen Ländern für Sie zusammengetragen. In diesem Bereich sind Wildwest-Methoden an der Tagesordnung - eine Regulierung wäre fällig, scheitert aber an den Ländergrenzen. Dubai etwa gilt als Paradies für Influencer.

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Blogger und Influencer nutzen Plattformen wie Instagram und TikTok, um enorme Einnahmen zu erzielen, oft in Millionenhöhe. Dabei kommt es jedoch häufig vor, dass diese Einnahmen nicht ordnungsgemäß versteuert werden, und es werden Wege gesucht, das Finanzamt umzugehen.

Zusätzlich spielen soziale Medien eine zunehmend wichtige Rolle in der politischen Landschaft, indem sie politische Inhalte verbreiten. Organisationen wie Priorities USA investieren beträchtliche Summen, um Influencer dafür zu bezahlen, pro-Biden-Beiträge zu veröffentlichen. Dies wirft Fragen nach den Regeln und Richtlinien der Plattformen auf, insbesondere wenn es um politische Beeinflussung geht.

Mit Instagram Millionen machen: Steuerfrei Social Media

Die Bloggerin Elena Blinovskaya ist in Russland mit ihrem Werk „Marathon der Wünsche“ bekannt, indem sie versprochen hat, die Wünsche ihrer Kunden auf magische Weise zu erfüllen. Der „Marathon der Wünsche“ ähnelt einem Fitnesskurs für Träume: mit Aktivitäten wie dem Steigenlassen von Luftballons und dem Basteln von Wunschkarten – ein vielfältiges Programm. Angesichts ihres erfolgreichen Geschäfts hat Blinovskaya später entschieden, noch Finanzkurse und andere Angebote anzubieten. Laut Forbes erzielte sie im Jahr 2020 einen Umsatz von beeindruckenden 330 Millionen Rubel, wobei der Gewinn stolze 200 Millionen Rubel betrug.

Diese „Marathons“ sind intensive Kurzkurse, die täglich Zeit erfordern. Blinovskaya bezeichnet sie wahrscheinlich als „Marathons“, da man ihre „Zaubermethoden“ schnell erlernen muss und keine Pause wie beim Laufen einlegen darf. Blinovskaya hat Telegram als Plattform benutzt, um kurze Sprachnachrichten mit den Aufgaben für den nächsten Tag zu veröffentlichen. Dies sparte nicht nur Geld, sondern hat auch bei der Vermeidung von Steuern „geholfen“.

Im April 2023 dann der Schock: Blinovskaya wurde verhaftet! Sie wird beschuldigt, in erklecklicher Höhe von 918 Millionen Rubel Steuern hinterzogen zu haben (das entspricht mehr als neun Millionen Euro) und sich der Geldwäsche schuldig gemacht zu haben. Zuerst wurde sie unter Hausarrest gestellt, doch dann richtete die Staatsanwaltschaft ihre Aufmerksamkeit auf sie und ihren Ehemann Alexej Blinovsky. Ihm wird vorgeworfen, aktiv Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche geleistet zu haben. Auch wenn er sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen muss, darf er sich weiterhin frei bewegen.

„Livestream-Königin“ aus China musste Rekordsumme wegen Steuervergehen zahlen

Die russische Bloggerin nicht allein in ihrem Vorgehen, Steuern in beträchtlichem Umfang zu hinterziehen. Ein vergleichbarer Fall gab beispielsweise auch in China im Jahr 2021. Die chinesische Influencerin, bekannt als Viya, stand vor einer enormen Steuerstrafe in Höhe von umgerechnet 186 Millionen Euro. Das Steueramt der Stadt Hangzhou hat bekannt gegeben, dass die 35-jährige Viya 643 Millionen Yuan an Steuern hinterzogen habe, indem sie Einkommen nicht angegeben oder falsch deklariert habe.

Falsche Spendenversprechen: Instagram-Star mit Millionensumme bestraft

Influencer suchen weiterhin nach neuen Möglichkeiten, um ihr Einkommen zu steigern. Leider überschreiten sie manchmal dabei moralische und rechtliche Grenzen. Ein Beispiel hierfür ist eine italienische Influencerin, die aufgrund fragwürdiger Methoden Schlagzeilen gemacht hat.

Chiara Ferragni, eine bekannte Instagram-Influencerin, ist Inhaberin zweier Unternehmen, die mit einer Geldstrafe von über einer Million Euro belegt wurden, schreibt „Der Spiegel“. Der Grund für das Drama liegt in einem Weihnachtskuchen namens Pandoro, den Ferragni entworfen hat und der im November 2022 auf den Markt kam. Durch Pressemitteilungen, Verpackungsbeschriftungen und Ferragnis Beiträge in sozialen Medien wurde suggeriert, dass ein Teil der Verkaufserlöse krebskranken Kindern in einem Krankenhaus in Turin zugutekommen würde.

Jedoch hat die italienische Wettbewerbsbehörde AGCM herausgefunden, dass nur eine feste Spende von 50.000 Euro an das Krankenhaus geleistet wurde. Fenice und TBS Crew, Unternehmen, die in der Vermarktung von Ferragnis Marke involviert sind, haben angeblich über eine Million Euro durch den Deal verdient, ohne dabei das Krankenhaus zu unterstützen, wie von der Wettbewerbsbehörde beanstandet wurde. Fenice muss nun eine Strafe von 400.000 Euro zahlen, während TBS Crew 675.000 Euro zahlen muss. Der Hersteller Balocco wurde mit einer Geldstrafe von 420.000 Euro belegt. Die Wettbewerbsbehörde wirft allen drei Unternehmen „unlautere Geschäftspraktiken“ vor.

Gericht untersagt Influencerin Steuerabzug für Designer-Kleidung

Einige Blogger gehen so weit, dass sie vor Gericht kämpfen, um weniger Geld zu zahlen. Wie „Zeit Online“ berichtet hat, hatte eine deutsche Influencerin vor dem niedersächsischen Finanzgericht in Hannover keinen Erfolg damit, ihre Ausgaben für Designer-Kleidung und Handtaschen als Betriebsausgaben anzuerkennen.

Die Influencerin führt einen Mode- und Lifestyleblog und hatte das Finanzamt verklagt, weil dieses sich weigerte, die Kosten für ihre Kleidungsstücke steuerlich anzuerkennen. Sie argumentierte, dass sie neben gesponserten Produkten auch selbst Kleidung und Handtaschen gekauft habe, um sie auf ihrem Blog zu präsentieren, und betrachtete diese Ausgaben als betriebliche Kosten.

Das Gericht wies die Klage ab, da es nicht möglich sei, eine klare Trennung zwischen privater und beruflicher Nutzung vorzunehmen und die Kleidung nicht als typische Berufskleidung angesehen wurde. Gemäß dem Einkommensteuergesetz können Ausgaben, die die Lebensführung betreffen und die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung fördern, nicht steuerlich abgesetzt werden. Berufskleidung muss hauptsächlich beruflich genutzt werden oder aufgrund der Art des Berufs erforderlich sein, was hier nicht der Fall war. Das Urteil wurde bereits im November 2023 gefällt.

Social Media im Wahlkampf: Priorities USA bezahlt Influencer für Biden-Posts

Neben den steuerlichen Aspekten steht auch die potenzielle Wirkung auf die Wahlergebnisse im Fokus. Die Nutzung von Social Media als Wahlkampfinstrument hat eine neue Wendung genommen. Doch wie genau können Social-Media-Posts die Wahlergebnisse beeinflussen?

Priorities USA, ein sogenanntes Super PAC, das sich für die Wiederwahl von Joe Biden einsetzt, hat kürzlich ein Programm namens „Creator“ ins Leben gerufen. Dabei sollen Influencer auf Plattformen wie TikTok und Instagram Beiträge zugunsten Bidens verbreiten, insbesondere um jüngere Wähler zu erreichen, die zunehmend kritisch gegen ihn eingestellt sind. Diese Entwicklung wurde von der US-amerikanischen Tageszeitung „Politico“ aufgegriffen.

Ein Beispiel für dieses Programm ist LaToi Storr, eigentlich eine Lifestyle-Bloggerin. Normalerweise teilt sie auf Instagram und TikTok Videos über lokale Restaurants, Hautpflegetipps und einige Inhalte zur psychischen Gesundheit von „People of Color“. Doch letzten Herbst begann sie plötzlich politische Nachrichten zu posten, wofür sie von Priorities USA bezahlt wurde, berichtet „Politico“. Das Programm, das insgesamt eine Million Dollar umfasst und 150 Influencer einbindet, ist Teil einer größeren Strategie, um jüngere Wähler online anzusprechen.

Während die Biden-Kampagne selbst auf unbezahlte Social-Media-Partnerschaften setzt, nutzt Priorities USA bezahlte Beiträge, was jedoch gegen die Richtlinien einiger Plattformen verstößt. TikTok beispielsweise verbietet politische Werbung vollständig und hat daher mehrere von Priorities bezahlte Videos entfernt, während diese auf Instagram weiterhin bestehen bleiben.

Begriff: Ein Political Action Committee (PAC) ist eine Lobbygruppe in den USA, die darauf ausgerichtet ist, Abgeordnete oder Amtsträger der Regierung zu unterstützen oder zu bekämpfen.

Steuerliche Anreize locken Influencer nach Dubai und Madeira

Influencer, sowohl aus Deutschland als auch aus anderen Teilen der Welt, sehen sich mit einem Dilemma konfrontiert: Hohe Steuerabgaben bedrohen einen beträchtlichen Teil ihrer hart verdienten Einnahmen. Eine Lösung, die sich immer mehr Influencer zu eigen machen, ist der Umzug nach Dubai oder auf die portugiesische Insel Madeira.

Die Emirate verlangen von Influencern, die dort arbeiten möchten, den Erwerb einer speziellen Lizenz, die rund 3.500 Euro kostet. Diese Lizenz erlaubt es den Influencern, ihre Tätigkeit ohne Steuerabzüge auszuüben. Allerdings gibt es klare Grenzen: Politische oder religiöse Äußerungen sind tabu, ebenso wie Kritik am Staatsoberhaupt. Stattdessen wird von den Influencern erwartet, ein positives Bild der Emirate zu vermitteln.

Ähnliche Motive treiben auch Influencer und Streamer auf die portugiesische Insel Madeira. Auch hier locken steuerliche Vorteile und ein angenehmes Klima.

Steuerhinterziehung durch Influencer und die Folgen für ehrliche Unternehmer

Was den steuerlichen und arbeitsrechtlichen Bereich im Zusammenhang mit dem Verdienst in den sozialen Medien angeht, scheint die Welt noch nicht vollständig darauf vorbereitet zu sein. In Deutschland gilt erst seit 2023 ein Plattformen-Steuertransparenzgesetz. Dieses Gesetz verpflichtet Betreiber von Internetplattformen, den Finanzbehörden Informationen über die Einkünfte der Anbieter auf diesen Plattformen zu melden. Das ist ein guter Anfang, aber hilft es wirklich genug?

Es ist ziemlich kompliziert, alle Influencer im Blick zu haben. Die Kontrolleure in vielen Ländern haben erst mit den Top-Bloggern angefangen. Während sie diese überprüfen, bleiben kleinere Blogger oft unbeachtet. Nehmen wir an, zehn Blogger zahlen jeweils 3.600 Euro an Steuern nicht. Das ergibt schon einen Verlust für das Staatsbudget von 36.000 Euro. Überlegen Sie, wie viel der Staat durch solche Influencer verliert!

Die Behörden müssten jeden einzelnen Influencer überwachen, was unmöglich ist, auch wenn die Finanzbehörden in Russland es trotzdem versuchen. Zum Beispiel schreiben sie Influencern auf Instagram private Nachrichten, in denen sie so spielen, als möchten sie etwas kaufen. Schaut man das Profil gründlich, erkennt man jedoch die Fotos in Finanzmitarbeiteruniform.

Insgesamt suchen die Kontrolleure weiter nach Methoden, um gegen Steuerhinterziehung durch Influencer vorzugehen, während Selbständige und Unternehmer darunter leiden. Sie geben sich Mühe, machen alles ordentlich, zahlen ihre Steuern, aber verdienen trotzdem viel weniger als sie könnten, weil solche Blogger höhere Konkurrenzmöglichkeiten haben. Wer bekannter ist, kann auch höhere Summen für seine Leistungen verlangen. Aber nicht nur deshalb.

Unternehmer kämpfen gegen Nicht-Steuerzahler auch auf Plattformen wie eBay. Dieselben Artikel werden zu unterschiedlichen Preisen verkauft. Stellen wir uns vor, ein Armband wird für 12 und 20 Euro angeboten. Ein Verkäufer zahlt Steuern und verlangt deswegen 20 Euro. Der andere verkauft sein Armband für 12 Euro und genießt den Gewinn ohne Steuerabzüge. Am Ende ist es sehr wahrscheinlich, dass der erste Verkäufer nur einen geringeren Gewinn erzielt.

Die großen Firmen, die Plattformen wie TikTok und Instagram betreiben, haben also ein Chaos angerichtet, das nun der Gesetzgeber beheben muss. Und die Geschäftsleute müssen warten und unter dieser Ungerechtigkeit leiden...

                                                                            ***

Iana Roth ist Redakteurin bei den DWN und schreibt über Steuern, Recht und HR-Themen. Zuvor war sie als Personalsachbearbeiterin tätig. Davor arbeitete sie mehrere Jahre als Autorin für einen russischen Verlag, der Fachliteratur vor allem für Buchhalter und Juristen produziert.


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