Politik

Streit um Stromautobahnen: Erdkabel oder Freileitungen für die Energiewende?

Lesezeit: 2 min
03.06.2024 10:31  Aktualisiert: 03.06.2024 10:31
Ohne neue Leitungen kommt Windstrom aus dem Norden nicht in den Süden. Doch muss der Strom-Transport unbedingt über teure Erdkabel laufen? Nein, finden einige Bundesländer. Die Netzagentur hat schon mal die Kostenunterschiede berechnet.
Streit um Stromautobahnen: Erdkabel oder Freileitungen für die Energiewende?
Arbeiter am Umspannwerk Wolmirsted - Deutschland debattiert über den optimalen Weg beim Ausbau des Stromnetzes. (Foto: dpa)
Foto: Klaus-Dietmar Gabbert

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Es ist eine Mammutaufgabe: Für die Energiewende müssen tausende Kilometer neue Überland-Stromleitungen verlegt werden. Die sogenannten „Stromautobahnen“ sollen vor allem Windstrom aus dem Norden in den Süden transportieren. Ein erheblicher Anteil davon sollen Erdkabel sein - die aber sind wesentlich teurer als Freileitungen. Die Kosten über die Netzentgelte werden auf alle Stromkunden umgelegt. Deswegen hat nun eine Debatte Fahrt aufgenommen.

Die Union im Bundestag hatte angekündigt, einen Antrag einzubringen, dass beim Ausbau künftig nicht mehr auf Erdkabel, sondern in der Regel auf Freileitungen gesetzt wird. Der Erdkabelvorrang für große Stromautobahnen gilt seit Anfang 2016. Er war von der großen Koalition aus CDU und SPD eingeführt worden, um die Akzeptanz in der Bevölkerung für den Netzausbau zu erhöhen. Hintergrund waren Sorgen vor „Monstertrassen“.

Netzagentur: Hohes Einsparpotenzial bei Verzicht auf Erdkabel

Die Bundesnetzagentur schätzt das gesamte Investitionsvolumen für den Ausbau der Übertragungsnetze ab jetzt bis 2045 auf rund 320 Milliarden Euro - einschließlich der Wind-auf-See-Anbindungen, der sogenannten Offshore-Projekte. Beim Verzicht auf Erdkabel schätzt die Behörde das Einsparpotenzial für Projekte an Land auf 16,5 Milliarden Euro.

„Dazu können weitere Einsparungen von 18,8 Milliarden Euro bei Offshore-Anbindungsleitungen, die bisher als Erdkabel teilweise bis weit ins Landesinnere weitergeführt werden sollen, möglich sein“, so die Behörde. Auf Basis aktueller Prognosen könne somit ein Investitionsvolumen ohne Erdkabel in Höhe von 284,7 Milliarden Euro geschätzt werden, berichtet die Netzagentur. Also 35,3 Milliarden Euro weniger als mit Erdkabeln.

Habeck: „Weitere Verzögerungen wären schädlich“

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht den Kostenaspekt, ist aber dennoch dagegen, die Regelungen zu ändern. „Wollte man auf Freileitungen umswitchen, ginge das allenfalls, wenn die Länder schnell und in großer Gemeinsamkeit inklusive Bayern die Bundesregierung auffordern, das zu tun. Und alle müssten dann geschlossen in den Regionen dafür werben. Das halte ich für sehr unwahrscheinlich“, sagte Habeck im März in einem Interview der „Zeit“. Durch lange Debatten darüber werde es noch mal teurer. „Wir haben den Netzausbau jetzt so beschleunigt, weitere Verzögerungen wären schädlich.“

Nach Angaben des Ministeriums müssen für die Energiewende bis 2045 rund 18 000 Kilometer an Netz verstärkt oder ausgebaut werden. Die Anzahl der in Bau gegangenen Trassenkilometer habe sich 2023 gegenüber 2021 verdoppelt. Dieses Jahr werde ein Rekordzubau von rund 1500 Kilometern erwartet.

Mehrere Bundesländer wollen Kurswechsel

Fast alle Bundesländer sind von den Ausbauplänen direkt betroffen. Einige wie etwa Baden-Württemberg, Hessen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt oder Rheinland-Pfalz sind dafür, den Erdkabelvorrang aufzugeben. Freileitungen seien schneller und günstiger zu errichten, betonen sie. Andere wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen sind dagegen, von Erdkabeln auf Freileitungen umzuschwenken, und begründen dies mit der Akzeptanz in der Bevölkerung.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rezession droht im Winter, Euro ist im Sinkflug: Was sind die Gründe?
22.11.2024

Stagnation der deutschen Wirtschaft, ein schwächelnder Euro, miese Stimmung in den Unternehmen: Ökonomen befürchten eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoins-Prognose: Kryptowährung mit Rekordhoch nahe 100.000 Dollar - wie geht's weiter?
22.11.2024

Ein Bitcoin-Rekordhoch nach dem anderen - am Freitagmorgen kletterte der Bitcoin-Kurs erstmals über 99.000 US-Dollar. Seit dem Sieg von...

DWN
Politik
Politik Krankenhausreform: Entscheidung über Lauterbachs hoch umstrittenes Projekt heute im Bundesrat
22.11.2024

Krankenhausreform: Kommt sie jetzt doch noch? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) steht mit seinem hochumstrittenen Projekt vor...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenz von HH2E: Rückschlag für Habecks Energiewende - Wasserstoffprojekte in Sachsen in Gefahr
22.11.2024

Der Wasserstoff-Spezialist HH2E hat Insolvenz angemeldet, die Finanzierung durch ein britisches Private-Equity-Unternehmen ist gestoppt....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Aktien sind heiß gelaufen: Warum immer mehr Analysten den europäischen Aktienmarkt in den Blick nehmen
22.11.2024

Vermögensverwalter Flossbach von Storch sieht zunehmend Risiken für US-Aktien. Nach der jüngsten Rekordjagd an den US-Börsen verlieren...

DWN
Politik
Politik SPD-Kanzlerkandidat steht fest: Pistorius zieht zurück und ebnet Weg für Scholz
21.11.2024

Nach intensiven Diskussionen innerhalb der SPD hat Verteidigungsminister Boris Pistorius Olaf Scholz den Weg für die erneute...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...