Die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland steigt weiter. Anzeichen für eine schnelle Trendwende sehen Experten nicht - im Gegenteil: Weil die Konjunktur nur langsam aus der Schwächephase kommt, könnten im Gesamtjahr 2024 sogar mehr Unternehmensinsolvenzen in Europas größter Volkswirtschaft zu verzeichnen sein als bislang vorhergesagt. Dass die Zahlen steigen würden, war nach dem Auslaufen von staatlichen Hilfen und Sonderregelungen während der Corona-Pandemie erwartet worden.
In den ersten drei Monaten des laufenden Jahres meldeten 5209 Unternehmen Insolvenz an, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Das waren gut ein Viertel (26,5 Prozent) mehr als im Vorjahresquartal. Auch der Wert des ersten Quartals 2020 wurde übertroffen: um 11,2 Prozent. Das war das Vierteljahr vor der von Ausnahmeregelungen geprägten Corona-Krise mit vergleichsweise niedrigen Insolvenzzahlen.
Schwache Konjunktur spricht gegen schnelle Trendwende
Der Trend zeigt weiter nach oben: Im Mai 2024 wurden 25,9 Prozent mehr Regelinsolvenzen beantragt als ein Jahr zuvor. Seit Juni 2023 seien damit durchgängig zweistellige Zuwachsraten im Vorjahresvergleich zu beobachten, ordneten die Wiesbadener Statistiker ein. Die Verfahren fließen erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik ein. Der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liege in vielen Fällen annähernd drei Monate davor.
„Es gibt keine Anzeichen für eine Trendwende. Denn eine schwache Binnenkonjunktur und handfeste strukturelle Herausforderungen halten die Wirtschaft weiterhin im Griff“, analysierte Marc Evers, Mittelstandsexperte der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). In der jüngsten DIHK-Konjunkturumfrage berichteten viele der mehr als 24 000 Unternehmen von knappen Kassen: 29 Prozent in der Gastronomie, 24 Prozent in der Gesundheitswirtschaft, 22 Prozent im Einzelhandel machen sich Sorgen um ihre Liquidität.
Meiste Firmenpleiten je 10 000 Unternehmen in Berlin
Beim Finanzinformationsdienst Crif wächst ebenfalls der Pessimismus: „Zehn Monate in Folge gab es jetzt zweistellige prozentuale Zuwachsraten bei den Insolvenzzahlen. Es fällt daher zunehmend schwer, von einer nicht vorhandenen Insolvenzwelle zu sprechen“, kommentierte Crif-Deutschland-Geschäftsführer Frank Schlein die aktuellen Zahlen.
Die höchste Insolvenzdichte gab es im ersten Quartal 2024 einer Crif-Auswertung zufolge mit 28 Insolvenzen je 10 000 Unternehmen in Berlin. Der Bundesdurchschnitt lag bei 17. Über diesem Wert rangieren neben Berlin auch Hamburg (22), Nordrhein-Westfalen und das Saarland (je 21). Die wenigsten Firmenpleiten gab es demnach in den ersten drei Monaten des Jahres in Bayern, Brandenburg und Thüringen (je 12 Fälle je 10 000 Unternehmen).
Wirtschaftsforscher sehen auch positive Signale
Etwas Hoffnung macht die jüngste monatliche Analyse des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Demnach sank im Mai die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland erstmals seit November 2023 wieder - und zwar um sieben Prozent zum Vormonat auf 1271.