Wie heiß werden unsere Städte bis zum Jahr 2050? Welche Maßnahmen im Bereich der erneuerbaren Energien sind jetzt kritisch, um eine dauerhafte, gesunde Lebensqualität für die Bürger zu gewährleisten und wirtschaftliche Chancen zu schaffen? Das sind einige der Kern-Fragen, wenn sich die Politik, führende Klima-Thinktanks, Wirtschaftsexperten und Top-Unternehmensführer mit den Themen nachhaltige Stadtentwicklung und Energieeffizienz auseinandersetzen.
Es sind existenzielle Fragen, denn als Gesellschaft müssen sich auch kleine und mittlere Unternehmen sowie Privatbürger diesen Fragen stellen - und dann beantworten, welche Beiträge sie leisten können.
Turbo-Tempo bei Umstellung auf erneuerbare Energien im Gebäudesektor nötig
Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu sein. Das Ziel ist Treibhausgasneutralität bis 2045 im Einklang mit den EU-Zielen einer 55-prozentigen Emissionsreduktion bis 2030.
Der Gebäudesektor ist dabei von entscheidender Bedeutung für die Klimawende: Rund 36 Prozent der Co2-Emissionen stammen aus dem Sektor und circa 40 Prozent der End-Energie wird im Sektor verbraucht. Trotz intensiver Bemühungen den Trend umzukehren, zeigen jüngste Daten, dass fast 80 Prozent der Wärmeproduktion im Gebäudebereich weiterhin auf Energieträger wie Gas und Öl entfallen. Die Vorsitzende der Deutschen Energie-Agentur Corinna Enders kommentierte vor Kurzem: „Um die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, ist ein entschlossenes Tempo bei der Umstellung auf erneuerbare Energien im Gebäudebestand unumgänglich.“
Fakt ist: Unsere Städte werden immer heißer oder kämpfen mit den Auswirkungen von Überschwemmungen. Seit Ende Mai erlebten weite Teile Deutschlands, insbesondere im Süden und Westen, schwere Hochwasserereignisse, die erhebliche wirtschaftliche Schäden verursachten - besonders in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen.
„Das Klima braucht uns nicht, aber wir brauchen es“
Beim jährlichen ZIA-Tag der Immobilienwirtschaft Mitte Juni in Berlin warnte TV-Wetterexperte und Meteorologe Sven Plöger Top-Vertreter der Immobilienbranche vor den verehrenden Auswirkungen des Klimawandels. Steigende Temperaturen machen die Ozeane zu einer Art Wasserkocher mit der Folge, dass es immer mehr Extremwetterereignisse gibt - auch in Deutschland. Forscher befürchten, dass durch neue Hitzerekorde weltweit Hurrikans in Zukunft auch Westeuropa und Deutschland erreichen könnten.
„Wenn Sie sich nach meinem Vortrag nur einen Satz zu Herzen nehmen, dann sollte es dieser sein: Das Klima braucht uns nicht … aber wir brauchen es“, so Plöger.
Was sind resiliente und energieeffiziente Städte?
Energieeffizienz bedeutet, mit weniger Energie die gleiche oder eine höhere Leistung zu erzielen. In Großstädten sind Gebäude, Verkehr und Industrie die Hauptverursacher hoher Co2-Emissionen. Durch den Umstieg auf erneuerbare Energien (wie Solarenergie und Geothermie) und die Förderung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrrädern im Verkehrsbereich, können Städte ihre CO2-Emissionen deutlich reduzieren.
Bausektor
Der Bausektor bietet großes Potenzial zur Energieeffizienz-Steigerung. Moderne Bauweisen und Materialien, wie gedämmte Fassaden, effiziente Heiz- und Kühlsysteme und intelligente Gebäudetechnologien, können den Energieverbrauch erheblich senken. Die Renovierung bestehender Gebäude ist ebenfalls entscheidend, um Energieeinsparungen zu erzielen und den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Wirtschaftliche Chancen
Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien schaffen wirtschaftliche Chancen. Laut einer Studie der International Renewable Energy Agency von 2020 können Städte durch die verstärkte Konzentration von Investitionen in erneuerbare Energien bis 2050 weltweit 42 Millionen Arbeitsplätze entstehen, ungefähr das Vierfache des jetzigen Niveaus.
Urbane Mobilität
Einem Bericht aus dem Jahre 2021 über nachhaltige urbane Mobilität der Europäischen Kommission zufolge haben „aktive Verkehrsträger“ wie das Radfahren in vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Städte hätten über 2.300 km zusätzlicher Radverkehrsinfrastruktur angekündigt – eine Zahl, die sich in den nächsten zehn Jahren verdoppeln sollte, so die Kommission.
Andreas Hohlmann, Geschäftsführer von Shopping-Center Unibail-Rodamco-Westfield Germany, sagte bei der ZIA-Konferenz, eine zentrale Frage bei Handelsimmobilien ist: Wie kommen die Menschen zu den Centern hin? In Berlin nutzten mittlerweile 88 Prozent der Unibail-Rodamco Kunden ÖPNV-Möglichkeiten um die Shopping Center zu erreichen. In Hamburg baut die Firma aktuell eine Fahrradstellplatzanlage für 3.500 Fahrradplätze und kooperiert mit verschiedenen Anbietern, um so Co2 zu reduzieren. „Grob gesagt haben wir es geschafft seit 2015, als wir angefangen haben, 63 Prozent unserer Co2-Ausstöße zu reduzieren“, so Hohlmann.
Studie Athen: Impulse für Mitteleuropa und Deutschland
Michael Ehret, Geschäftsführer bei Projektentwickler Ehret + Klein, setzt mit seiner Firma in Athen Projekte um. Er sagte beim ZIA-Immobilientag, man müsse bei klimagerechten und resilienten Städten der Zukunft langfristig denken und an die Nutzer denken. „Es geht nicht nur um das Bauen, es geht auch darum, wer der Nutzer ist.“
Eleni Myrivili, Europas erste Hitzebeauftragte, arbeitet in Athen eng mit Ehrets Firma zusammen.
Was derzeit in Athen passiert, wo Temperaturen im Juli und August leicht 35/36 Grad Celsius erreichen und bei Hitzewellen bis zu 40 Grad Celsius, wird auch in Deutschland passieren, kommentierte Ehret. Es sei wahrscheinlich, dass einige Städte in Mitteleuropa und in Deutschland sehr bald auch Hitzebeauftragte benötigen würden.
Laut Ehret hat Athen eine riesengroße Aufgabe, Betriebskosten zu reduzieren, weil nicht jeder in der Stadt sich eine Klimaanlage leisen könne. „Die Stadt hat klimatische Schätze …sie kann wahnsinnig helles Licht, sie kann viel Wind und Hitze. Man könnte Klimaschutz in der Immobilienbranche so begreifen, dass wir uns heute dagegen schützen, oder wir zählen es als Reichtum.“
„Wir haben gesagt: Was ist der Licht-, Wind- und Hitzenutzen und haben es geschafft, ein Gebäude fertigzustellen, das jetzt gerade von griechischen Energieversorger als Mieter bezogen wird. Wir haben dreiviertel der Betriebskosten reduziert, weil wir diesen Reichtum der Stadt thermisch (nicht künstlich) nutzen, weil wir das Licht nutzen usw.“
Mit Umerziehung den Klimawandel bestehen
Klar ist, dass es bei der Frage wie Städte durch die Integration von Energieeffizienzmaßnahmen und erneuerbaren Energien die Herausforderung des Klimawandels am besten bestehen, eine „Umerziehung“ geben muss. Nutzer, Entwickler und Investoren in Städten müssen sich umstellen: Im Gebäudesektor bedeutet das zum Beispiel, dass Räume und Gebäude sich den klimatischen Bedingungen anpassen müssen und Menschen mit dem Klima „mitgehen“ müssen.
Dem entgegen stehen Herausforderungen wie Finanzierungsprobleme, technische Hürden und auch, in manchen Fällen, mangelnde Akzeptanz in der Gesellschaft für die Umstellungen.
Doch Energieeffizienz und erneuerbare Energien sind wesentliche Bausteine einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Durch ihre Integration können Städte ihre Co2-Anteile reduzieren und so die Lebensqualität der Menschen langfristig verbessern und auch wichtige Jobs schaffen.
„Wir werden uns anpassen müssen, wir müssen Gebäude (in den Städten) dafür resilient machen, dass wir in der Lage sind, diesen Klimawandel auch zu bestehen,“ fasste Ehret die Zukunfts-Herausforderungen zusammen.