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Arbeit und Urlaub: Kein Feierabend und ständig erreichbar. Aus Sucht oder Angst?

Lesezeit: 4 min
07.07.2024 16:00  Aktualisiert: 03.07.2030 10:00
Von wegen „faul“: Die Hälfte der Deutschen arbeitet auch in Ihrer Freizeit. Urlaub, das klingt nach Abschalten und Erholung. Doch für viele Arbeitnehmer bleibt das eine Illusion: Fast die Hälfte der Deutschen können auch in ihrer Off-Zeit nicht von ihren beruflichen Aufgaben lassen - mit problematischen Folgen.
Arbeit und Urlaub: Kein Feierabend und ständig erreichbar. Aus Sucht oder Angst?
Erholung adé: Warum Arbeit im Urlaub immer üblicher wird (Foto: dpa).
Foto: Sebastian Kahnert

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Immer mehr Menschen bleiben in Ihrer Freizeit oder auch im Urlaub für ihre Chefs erreichbar. Rechtlich gilt: Freizeit ist arbeitsfrei. Verschwimmen hier die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben? Mit welchen Auswirkungen? Nutzen Arbeitgeber die digitale Erreichbarkeit per Handy und Laptop aus? Warum machen Angestellte Überstunden auf eigene Kosten?

Fakt ist: Viele Deutsche schaffen es aktuell nicht, ihre Arbeit im Urlaub beiseitezulegen. So lautet das Ergebnis einer jetzt veröffentlichten Studie der KÖNIGSTEINER Gruppe, die 1.017 Beschäftigte zum Zusammenspiel von Urlaub und Beruf befragt hat:

  • 48 Prozent der Befragten arbeiten im Urlaub, 13 Prozent sogar regelmäßig
  • 27 Prozent sind im Urlaub telefonisch erreichbar
  • 35 Prozent sind gelegentlich für berufliche Anliegen ansprechbar

Ständige Erreichbarkeit: Urlaub mit dem Chef im Gepäck

Vor allem Menschen mit akademischer Ausbildung können nur schwer von ihrer Arbeit lassen. Mehr als ein Viertel (28 Prozent) von ihnen nehmen immer daher ihren Laptop mit in den Urlaub, um notfalls auch im Hotel oder der Ferienwohnung zu arbeiten. Insgesamt tun dies 18 Prozent aller Befragten. Noch höher ist der Anteil derjenigen, die aus Arbeitsgründen auf funktionierendes WLAN in der Unterkunft achten. Das sind nämlich 45 Prozent aller Beschäftigten sowie 52 Prozent der Akademiker.

„Das Bundesurlaubsgesetz regelt eigentlich, dass Beschäftigte während ihres Urlaubs nicht arbeiten sollen. An unseren Zahlen sehen wir allerdings, dass dies trotzdem oft passiert – in den meisten Fällen allerdings auch freiwillig. Wenn diese Mehrarbeit in einem vertretbaren Rahmen bleibt, ist das aus Arbeitgebersicht sicher auch in Ordnung. Schwierig wird es dann, wenn der Job zum ständigen Urlaubsbegleiter wird. Dann kann das schnell in die Unternehmenskultur übergehen und als erwartbare Leistung wahrgenommen werden“, so Nils Wagener, Geschäftsführer der KÖNIGSTEINER Gruppe.

E-Mails checken gehört inzwischen zum Urlaubsalltag

Inhaltlich beschränken sich die verhinderten Urlauber vorwiegend auf drei Tätigkeiten: So erledigen 18 Prozent der Befragten, die auch in den Ferien arbeiten, immer ihre E-Mails. Weitere 40 Prozent von ihnen geben an, dies gelegentlich zu tun.

Zudem stehen Projektmanagement und administrative Tätigkeiten ganz oben auf der To-do-Liste in der freien Zeit. Interessant ist, dass sich gemäß der Studiendaten auch Co-Working-Spaces, immer mehr bei arbeitenden Urlaubern durchsetzen. Immerhin jeder fünfte Beschäftigte hat schon einmal im Urlaub aus einer solchen Location gearbeitet. Bei Akademikern liegt dieser Anteil sogar bei über einem Viertel der Befragten (28 Prozent).

Arbeiten im Urlaub nicht aus Karrieregründen

Die Minderheit der Beschäftigten, die auch in der eigentlich schönsten Zeit des Jahres arbeiten, tut dies aus Karrieregründen. Einen Karrieresprung erhoffen sich nämlich „nur“ 22 Prozent der Teilnehmenden durch ihr Engagement. 45 % der Befragten sind dagegen der Auffassung, dass die Urlaubsarbeit keinen Einfluss auf ihre beruflichen Ambitionen hat. Die meisten Beschäftigten gehen indes trotzdem davon aus, dass ihre außerplanmäßige Arbeit im Unternehmen eher positiv bewertet wird, im privaten Umfeld dagegen eher negativ.

So glauben 37 Prozent von ihnen, dass ihre Kollegen ihren Einsatz zu schätzen wissen. Nur 15 Prozent befürchten, dass das eigene Engagement im Kollegenkreis nicht gut ankommt. Deutlich mehr als die Hälfte (57 Prozent) glauben zudem, mit ihrer Mehrarbeit bei der eigenen Führungskraft punkten zu können.

Nur im Familienkreis, da sind sich viele von ihnen einig, wird das Engagement weniger geschätzt, weil es eben auf Kosten der gemeinsamen Freizeit geht. Mehr als jeder Zweite (51 Prozent) ist überzeugt, dass die eigene Familie die Arbeit im Urlaub alles andere als gut findet.

Ein globaler Trend: Warum Arbeit im Urlaub immer üblicher wird

Eine aktuelle Umfrage der Movchan Agency in den USA zeigt, dass auch in Amerika die Hälfte der Befragten im Urlaub arbeitet. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 54 Prozent der 2.000 befragten US-Amerikaner arbeiten während ihres Urlaubs. Doch damit nicht genug. Rund die Hälfte fühlt sich schuldig, egal ob sie arbeiten oder nicht. Nadya Movchan, die Gründerin der Movchan Agency, betont, dass diese Zahlen sogar niedriger sind als in den Vorjahren. Damals lag der Anteil der arbeitenden Urlauber bei zwei Dritteln.

Aber warum arbeiten so viele Menschen im Urlaub? Ein Grund dafür ist die ständige Erreichbarkeit. 86 Prozent der Befragten gaben an, dass sie Anrufe und Nachrichten von Kollegen erhalten, während sie eigentlich entspannen sollten. Kein Wunder, dass 63 Prozent sich ängstlich fühlen, wenn sie ihre Arbeitsnachrichten nicht checken.

Quelle: Die Agentur Movchan hat 2.000 berufstätige Erwachsene zu ihrer Bereitschaft befragt, im Urlaub zu arbeiten. Die Ergebnisse zeigen, dass die Grenzen am Arbeitsplatz überschritten wurden – und statt eines erholsamen Urlaubs droht vielen ein Burnout.

Fazit: Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmt immer mehr. Früher war der Weg nach Hause eine klare Trennlinie – heute wird die Fahrt genutzt, um noch schnell ein paar Anrufe zu erledigen oder Arbeitschats zu checken. Für Menschen im Homeoffice fällt der Arbeitsweg ganz weg. Die Folge: Die Arbeit dringt immer weiter in den privaten Raum ein.

Übrigens: Laut Gesetz ist Arbeiten im Urlaub nicht erlaubt. Arbeitsrechtlich sind unter anderen folgende Punkte zum Thema Urlaub und Arbeit festgeschrieben:

Sie müssen sich im Urlaub erholen: Wer aus dem Urlaub zurückkommt, muss erholt sein. Darauf haben Chefs einen Anspruch. Tun Angestellte in den Ferien, was diesem Ziel widerspricht, könne der Arbeitgeber den Urlaub schlimmstenfalls streichen.

Urlaub ist arbeitsfrei: Der Arbeitnehmer ist gesetzlich nicht verpflichtet, Tätigkeiten zu verrichten, eine Telefonnummer zu hinterlassen oder erreichbar zu sein.

Unser Tipp: Schreiben Sie eine eindeutige Abwesenheitsnotiz in den Arbeitsprogrammen: „Nachrichten werden nicht gelesen.“ Am letzten Urlaubstag wäre es allerdings sinnvoll, die Arbeitsmails zu checken, um zu wissen, ob es vom Arbeitgeber vielleicht wichtige Anweisungen für den ersten Arbeitstag gibt. Wer trotzdem auch im Urlaub arbeiten möchte, kann dafür vertragliche Regeln (Halbtags, Vergütung) vereinbaren, denn es herrscht Vertragsfreiheit. Aber Achtung: die Home-Office-Pauschale gilt nur in den eigenen vier Wänden, nicht für eine fremde Unterkunft.

 

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Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.


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