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250.000 Euro pro Hektar: Intel macht deutsche Bauern reich

Für die Flächen der beiden neu entstehenden Chipfabriken des US-Konzerns Intel bei Magdeburg zahlt das Land im Auftrag von Intel hohe Summen. Warum betroffene Landwirte die Entwicklung dennoch kritisch sehen.
07.07.2024 07:40
Lesezeit: 3 min
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Einen beispiellosen wirtschaftlichen Wandel erlebt derzeit die Stadt Magdeburg. Nachdem der US-Chipkonzern Intel im März 2022 angekündigt hat, dort zwei Chipfabriken zu errichten und dafür rund 1.100 Hektar Land zu erwerben, will der Konzern noch in diesem Jahr mit den Bauarbeiten starten, um 2027 mit der Produktion zu beginnen.

Die Eigentümer der betroffenen Ackerflächen, die selbst Landwirte sind, können einerseits mit einer hohen finanziellen Entschädigung rechnen. Andererseits sehen viele von ihnen den Landverkauf mit gemischten Gefühlen, vor allem im Hinblick auf den Verlust von wertvollem Ackerland und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Region.

Bauern in der Zwickmühle

Die Landwirte Martin Lüer und Christian Beese, die gemeinsam einen Hof in Langenweddingen im Speckgürtel von Magdeburg bewirtschaften, stehen exemplarisch für die betroffenen Landwirte. Sie müssen einen Teil ihrer 800 Hektar Ackerland abgeben, um Platz für das Intel-Projekt zu schaffen, das mit einer Fläche von 1.100 Hektar oder 11.000.000 Quadratmetern etwa der Größe des Stadtgebietes von Manhattan entspricht.

Obwohl der Verkauf der Ackerflächen erhebliche Summen einbringt, fürchten die Landwirte den Verlust ihrer Existenzgrundlage. „Viele Außenstehende denken, dass wir mit dem Verkauf der Flächen jetzt das Geschäft unseres Lebens machen“, sagte Lüer der Mitteldeutschen Zeitung (MZ). „Aber was nützt mir das Geld auf dem Konto, wenn uns ein Teil der Lebensgrundlage entzogen wird?“ Beese ergänzte in der MZ: „Wir haben hier den besten Boden in Europa, aber der wird immer stärker betoniert.”

Tatsächlich handelt es sich bei den betroffenen Flächen um einen der fruchtbarsten Lösböden Europas, die ansonsten mit bis zu 50.000 Euro pro Hektar gehandelt werden. Schon zu Zeiten der DDR wurde die Magdeburger Börde als die “Kornkammer der DDR” bezeichnet. Der von Intel gebotene Preis von 250.000 Euro pro Hektar sei daher zwar verlockend, bringe aber auch Herausforderungen mit sich, so Landwirt Beese in der MZ.

Landkauf als Hürde

Mit dem Ankauf der Flächen und der Entwicklung des Industrieparks wurde Frank Ribbe, Geschäftsführer der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt (LGSA), beauftragt. Bereits 2021 begann die LGSA mit der Sicherung der benötigten Flächen. Zu diesem Zeitpunkt wussten die Verkäufer nur, dass ein großes US-Unternehmen investieren wollte. Erst im März 2022 wurde bekannt, dass es sich dabei um Intel handelt. Die Akquisition der zusätzlichen Flächen für die Zulieferer stellt jedoch eine große Herausforderung dar.

„Es ist nie einfach, landwirtschaftliche Flächen zu erwerben“, sagte Ribbe gegenüber dem US-Wirtschafts- und Finanznachrichtendienst FoxBusiness im Februar 2022. „In diesem speziellen Fall erst recht nicht.“ Landwirte seien verständlicherweise zögerlich, ihre fruchtbaren Böden aufzugeben, selbst wenn Ihnen hohe Summen geboten würden.

Klar ist: Die Flächen müssen so schnell wie möglich erworben werden, da Intel noch in diesem Jahr mit dem Bau beginnen will und viele Zulieferer bald konkrete Investitionspläne vorlegen müssen. Beobachter gehen davon aus, dass dies die Hektarpreise weiter in die Höhe treiben und den gesamten Prozess des Landkaufs weiter verkomplizieren wird.

Wirtschaftlicher Aufschwung und landwirtschaftliche Verluste

Durch die Ansiedlung von Intel sollen rund 3.000 direkte Arbeitsplätze und weitere 7.000 Arbeitsplätze bei Zulieferern entstehen. Das bedeutet einen erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung für die Region Magdeburg, der allerdings zu Lasten der Landwirtschaft geht. Der Präsident des Landesbauernverbandes Sachsen-Anhalt, Martin Dippe, sieht die Entwicklung daher mit gemischten Gefühlen: „Für die wirtschaftliche Entwicklung der Region ist die Ansiedlung von Intel natürlich sehr gut. Dass dafür aber bestes Ackerland weichen muss, ist sehr schmerzlich“, wird Dippe von FoxBusiness zitiert.

Eine weitere Folge der Intel-Ansiedlung ist der Anstieg der Ackerpreise in der Region. Betriebe, die Flächen an die zuständige High-Tech Park Sachsen-Anhalt GmbH verkaufen, könnten andernorts viel höhere Gebote abgeben, was die Konkurrenz um die verbleibenden landwirtschaftlichen Flächen weiter verschärften dürfte.

Ersatzflächen als Lösung?

Die Landgesellschaft bietet den betroffenen Betrieben Ersatzflächen rund um Magdeburg an. Doch diese liegen zum Teil 20 bis 30 Kilometer von den ursprünglichen Höfen entfernt, was die Landwirte vor zusätzliche logistische Herausforderungen stellen dürfte. Die betroffenen Landwirte Lüer und Beese erwägen in der MZ daher, andere Flächen in der Nähe ihres Hofes zu pachten.

Ein weiterer Aspekt ist die geplante Abtragung von 13 Millionen Tonnen Muttererde für den Bau der Intel-Werke. Diese Maßnahme soll im Sommer 2024 beginnen und erfordert rund 80.000 LKW-Ladungen. Landwirte aus der Region konnten sich um den Mutterboden bewerben, um ihre eigenen Flächen aufzuwerten. Die Aufwertung landwirtschaftlicher Flächen ist jedoch kompliziert und mit eigenen logistischen und finanziellen Herausforderungen verbunden.

Intel und der Durst nach Grundwasser

Auch der Wasserbedarf der beiden Intel-Fabriken dürfte noch für reichlich Diskussionen unter den Magdeburger Landwirten sorgen. Zum Vergleich: Derzeit baut der US-Konzern eine ähnliche Fabrik in Columbus, im US-Bundesstaat Ohio. „Intel wird voraussichtlich etwa 5 Millionen Gallonen Wasser pro Tag benötigen“, sagte Kristen Atha, Direktorin der Abteilung für öffentliche Dienstleistungen in Columbus, im örtlichen Fernsehsender 10TV. Das entspricht etwa 18,9 Millionen Litern Wasser pro Tag. Die Intel-Chipfabrik in Columbus, die ebenfalls 2027 mit der Chipproduktion beginnen soll, wird mit 404,7 Hektar flächenmäßig etwas mehr als halb so groß sein wie die beiden Magdeburger Fabriken. Der Wasserbedarf der Magdeburger Chipfabriken dürfte daher deutlich höher sein.

 

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