Wirtschaft

Strom abdrehen? Frankreichs Pläne und Deutschlands Sorgen

Frankreich erwägt, aus dem europäischen Strommarkt auszusteigen, sowohl Rechte als auch Linke unterstützen diese Idee. Sollte sich Deutschland Sorgen machen? Ein genauer Blick auf die Fakten.
09.07.2024 10:02
Aktualisiert: 09.07.2024 10:02
Lesezeit: 2 min

Frankreichs extreme Rechte sieht die Stromlieferungen ins europäische Ausland kritisch. Das Ergebnis der vorgezogenen Parlamentswahlen, bei der der Rassemblement National (RN) unter Marine Le Pen zur drittstärksten Kraft wurde, wirft Fragen auf. Interessanterweise teilen auch die Linken die Auffassung, dass ein Ausstieg aus dem europäischen Strommarkt sinnvoll wäre.

Mit dem Sieg des neuen Linksbündnisses La France Insoumise könnte dies Folgen für Deutschland haben, das auf Stromimporte angewiesen ist. Wie groß ist die Abhängigkeit tatsächlich? Und ist ein Ausstieg Frankreichs realistisch?

Strom abschalten? Frankreichs Sorgen um die Kaufkraft

Die Hauptsorge der französischen Bevölkerung ist aktuell die Kaufkraft. Daher fordern sowohl die rechtsnationale Le Pen als auch die Linkspartei La France Insoumise und die Kommunisten regelmäßig einen Ausstieg aus dem europäischen Strommarkt. Sie argumentieren, dass Frankreich mit seinem Atomstrom und einem selbst festgelegten Tarif günstiger versorgt werden könnte, was mehr Geld im Portemonnaie der Menschen bedeuten würde.

Le Pen kritisiert die europaweit abgestimmten Strompreise, die ihrer Meinung nach der französischen Industrie schaden. Sie argumentiert, dass Deutschland aufgrund seines Atomausstiegs vor Versorgungsproblemen steht und daher höhere Preise zahlt. Der Chef des Rassemblement National, Jordan Bardella, fordert eine Ausnahme für Frankreich von den europäischen Regeln zur Energiepreisfestlegung. Dies würde jedoch nicht bedeuten, dass Frankreich sich vollständig von seinen europäischen Partnern abkoppelt.

Expertenmeinungen zum Strommarkt-Ausstieg

Experten wie Jean-Pierre Clamadieu, Präsident des Energiekonzerns Engie, und Patrice Geoffron, Wirtschaftsprofessor an der Universität Paris Dauphine, betonen, dass Frankreich auf den ständigen Austausch von Strom im europäischen Netz angewiesen ist.

Auch wenn Frankreich netto mehr Strom exportiert als importiert, wäre ein Ausstieg aus dem europäischen Strommarkt problematisch. Es drohten Stromausfälle und der Bedarf an zusätzlichen Kraftwerken, was den Strompreis erhöhen würde. Außerdem verdient Frankreich gut an seinen Stromexporten, sodass ein Ausstieg wirtschaftlich wenig sinnvoll wäre.

Theoretisch könnte Frankreich eine Ausnahme von den europäischen Energiepreisregeln verhandeln, wie es Portugal und Spanien während der Energiekrise taten. Angesichts der Bedeutung des europäischen Strommarkts für Frankreich halten Experten dies jedoch für kontraproduktiv. Ein kompletter Ausstieg würde europäische Verträge brechen und könnte zu Sanktionen durch Brüssel führen.

Der europäische Strommarkt: Geben und Nehmen

Deutschland und Frankreich sind wichtige Stromtransitländer in der EU. Das bedeutet, dass sie kontinuierlich Strom importieren und exportieren, um den Bedarf im Staatenbund zu decken. Der gemeinsame europäische Strommarkt zielt darauf ab, durch Zusammenarbeit Kosten zu senken und Emissionen zu reduzieren.

Laut dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) lieferte Deutschland bis zum 8. Juli dieses Jahres rund 26,2 Terawattstunden (TWh) Strom an andere europäische Staaten und erhielt im Gegenzug 38,3 TWh. Die öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland betrug im selben Zeitraum etwa 234 TWh, wobei knapp fünf Prozent auf Stromimporte entfielen.

Stromaustausch zwischen Frankreich und Deutschland

Der Stromaustausch zwischen Deutschland und Frankreich zeigt, dass Deutschland 2024 bisher mehr Strom aus Frankreich importiert als umgekehrt. Bis zum 8. Juli erhielt Deutschland 8,44 TWh aus Frankreich und exportierte 1,62 TWh dorthin. Frankreich ist damit einer der größten Stromlieferanten Deutschlands, knapp übertroffen von Dänemark mit 8,6 TWh.

Die deutsch-französische Energiezusammenarbeit kann auch andersherum verlaufen. Zwischen Ende November 2022 und Ende November 2023 exportierte Deutschland laut Bundestag 14,2 TWh Strom nach Frankreich und importierte 12 TWh.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass ein Ausstieg Frankreichs aus dem europäischen Strommarkt unwahrscheinlich ist, da die wirtschaftlichen und infrastrukturellen Nachteile überwiegen würden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik G20 in Afrika: Geschlossenheit trotz US-Abwesenheit – Signal für Frieden und Entwicklung
24.11.2025

Beim ersten G20-Gipfel auf afrikanischem Boden bleibt der Platz der USA demonstrativ leer – doch die übrigen Mitglieder setzen ein...

DWN
Panorama
Panorama Abnehmwirkstoff ohne Alzheimer-Erfolg: Novo-Nordisk-Studie enttäuscht Anleger
24.11.2025

Der Pharmakonzern Novo Nordisk hat mit seinem Abnehmmittel Semaglutid in einer Alzheimer-Studie einen Rückschlag erlitten. Die...

DWN
Finanzen
Finanzen Marktrisiko: Weshalb Topinvestoren jetzt Alarm schlagen
24.11.2025

Die jüngsten Kursstürze an den Märkten zeigen, wie angespannt die Lage geworden ist. Während Anleger nervös auf jede Bewegung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Konjunkturtrübung: Ifo-Index sinkt überraschend – Hoffnungen auf Erholung schwinden
24.11.2025

Die Stimmung in den deutschen Chefetagen hat sich unerwartet eingetrübt: Im November fiel das Ifo-Geschäftsklima auf 88,1 Punkte und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bayer-Aktien auf Jahreshoch: Pharma-Erfolg mit dem Gerinnungshemmer Asundexian
24.11.2025

Nach Jahren des Abstiegs erlebt die Bayer-Aktie einen überraschenden Kursschub. Ein neuer Studienerfolg weckt Hoffnung auf...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bürokratieabbau: Normenkontrollrat kritisiert Bund-Länder-Pläne als zu schwach
24.11.2025

Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hält die aktuellen Vorschläge von Bund und Ländern zum Bürokratieabbau für unzureichend. In...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Infrastruktur in der Finanzlücke: Pkw-Maut als mögliche Lösung?
24.11.2025

Eine aktuelle Studie der Denkfabriken Agora Verkehrswende und Dezernat Zukunft zeigt, dass Deutschland bis 2030 rund 390 Milliarden Euro...

DWN
Panorama
Panorama Kita unter Druck: Experten fordern besseren Gesundheitsschutz für Erzieher
24.11.2025

Das Kita-System in Deutschland steht vor großen Herausforderungen: Hohe Ausfallraten und Personalmangel belasten Erzieherinnen und...