Finanzen

Wehrpflicht: Droht Deutschland eine Milliardenbelastung?

Eine Rückkehr zur Wehrpflicht könnte Deutschland Milliarden kosten, so das ifo-Institut. Szenarien zeigen mögliche Verluste von bis zu 70 Milliarden Euro. Alternativen könnten die Belastung halbieren.
10.07.2024 09:48
Lesezeit: 2 min

Die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland könnte gesamtwirtschaftliche Kosten in Milliardenhöhe verursachen. Dies ergab eine Studie des ifo-Instituts für das Bundesministerium der Finanzen. Die Untersuchung betrachtet die Kosten in drei verschiedenen Szenarien: Wird ein ganzer Jahrgang eingezogen, könnte die Wirtschaftsleistung um 1,6 Prozent oder knapp 70 Milliarden Euro sinken. Bei einem Viertel eines Jahrgangs, ähnlich wie bei der früheren Wehrpflicht, wären es 0,4 Prozent oder 17 Milliarden Euro. Wird nur fünf Prozent eines Jahrgangs eingezogen, ähnlich wie in Schweden, beträgt der Rückgang 0,1 Prozent oder drei Milliarden Euro.

„Eine Wehrpflicht im Rahmen eines sozialen Pflichtjahres würde jährlich wirtschaftliche Kosten verursachen, die in etwa so groß sind, wie die Mittel aus dem Verteidigungshaushalt und dem Sondervermögen Bundeswehr im Jahr 2024 zusammen“, erläutert Marcel Schlepper, ifo-Militärexperte.

Alternativen zur Wehrpflicht: mehr Geld für die Bundeswehr?

Die Hauptkosten entstehen, weil junge Menschen später beginnen, Humankapital und Vermögen aufzubauen. Panu Poutvaara, Leiter des ifo Zentrums für internationalen Institutsionenvergleich und Migrationsforschung, schlägt vor: „Als Alternative zur Wehrpflicht wäre es sinnvoller, die Bundeswehr mit mehr Mitteln auszustatten, um sie als Arbeitgeber attraktiver zu machen. Denkbar wäre, den Wehrdienstleistenden höhere Gehälter zu bezahlen.“

Dies würde zwar den Staatshaushalt stärker belasten, die gesamtwirtschaftlichen Kosten jedoch um fast die Hälfte verringern: 37 statt 70 Milliarden Euro im 100-Prozent-Szenario, neun statt 17 Milliarden Euro im 25-Prozent-Szenario und zwei statt drei Milliarden Euro im Fünf-Prozent-Szenario. Poutvaara betont, dass die militärischen Fähigkeiten der Bundeswehr bei dieser Lösung genauso wachsen würden wie bei der Wehrpflicht.

Ungerechte Verteilung: Wehrpflicht trifft die Jungen hart

Die Kosten der Wehrpflicht wären zudem nicht gleichmäßig in der Gesellschaft verteilt, sondern träfen vor allem die Wehrpflichtigen selbst, da der Dienst deren Bildungs- und Berufsplanung beeinflusst. „Wenn nur ein kleiner Anteil eines Jahrgangs verpflichtet wird, wirft das angesichts der ungleichen Verteilung der Lasten erhebliche Zweifel an der Wehrgerechtigkeit auf“, so Poutvaara.

Bei einer Marktlösung mit höheren Gehältern müssten dagegen alle gleichermaßen die höheren Staatsausgaben finanzieren. Schlepper ergänzt: „Bei einer Wehrpflicht entstehen für die Nicht-Wehrpflichtigen kaum Kosten. Das mag erklären, warum eine Wehrpflicht insbesondere bei jenen Altersgruppen so beliebt ist, die nicht selbst betroffen wären.“

Die Studie „Volkswirtschaftliche Kosten einer Wiedereinführung der Wehrpflicht oder eines sozialen Pflichtjahres“ wurde als ifo-Forschungsbericht Nr. 144 veröffentlicht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

avtor1
Farhad Salmanian

Zum Autor:

Farhad Salmanian arbeitet bei den DWN als Online-Redakteur. Er widmet sich den Ressorts Politik und Wirtschaft Deutschlands sowie der EU. Er war bereits unter anderem für die Sender BBC und Radio Free Europe tätig und bringt mehrsprachige Rundfunkexpertise sowie vertiefte Kenntnisse in Analyse, Medienbeobachtung und Recherche mit.

DWN
Politik
Politik EU plant Ukraine-Hilfe: Kann Russlands eingefrorenes Vermögen helfen?
13.11.2025

Die Europäische Union steht vor einer heiklen Entscheidung: Sie will die Ukraine weiterhin finanziell unterstützen, sucht jedoch nach...

DWN
Politik
Politik Zollfreigrenze in der EU: Billigwaren künftig ab dem ersten Euro zollpflichtig
13.11.2025

Billige Online-Waren aus Asien könnten bald teurer werden. Die EU plant, die 150-Euro-Freigrenze für Sendungen aus Drittländern...

DWN
Politik
Politik EU-Politik: Fall der Brandmauer öffnet Tür für Konzernentlastungen
13.11.2025

Das EU-Parlament hat das Lieferkettengesetz deutlich abgeschwächt. Künftig sollen nur noch sehr große Unternehmen verpflichtet sein,...

DWN
Politik
Politik Wehrdienst-Reform: Union und SPD einigen sich auf Kompromiss
13.11.2025

Union und SPD haben ihren Streit über den Wehrdienst beigelegt – und ein Modell beschlossen, das auf Freiwilligkeit setzt, aber eine...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Google: Milliardenstreits um Marktmissbrauch
13.11.2025

Google steht erneut unter Druck: Die Preissuchmaschine Idealo verlangt Milliarden, weil der US-Konzern angeblich seit Jahren seine...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs aktuell: Stabilisierungsversuch nach Kursverlusten
13.11.2025

Nach der kräftigen Korrektur in den vergangenen Tagen zeigt sich der Bitcoin-Kurs aktuell moderat erholt – was steckt hinter dieser...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gender Pay Gap in der EU: Was die neue Richtlinie wirklich fordert
13.11.2025

Die EU hat mit der Richtlinie 2023/970 zur Gehaltstransparenz die Gender Pay Gap im Fokus. Unternehmen stehen vor neuen Pflichten bei...

DWN
Finanzen
Finanzen Telekom-Aktie: US-Geschäft treibt Umsatz trotz schwachem Heimatmarkt
13.11.2025

Die Telekom-Aktie profitiert weiter vom starken US-Geschäft und einer angehobenen Jahresprognose. Während T-Mobile US kräftig wächst,...