Finanzen

DWN-Marktausblick: Attentat auf Donald Trump folgenlos – reguläre Wirtschaftsdaten bestimmen das Geschehen

Lesezeit: 5 min
15.07.2024 17:55
Auf den Anschlag auf US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump reagieren die Finanz- und Rohstoffmärkte gelassen. Inflationsdaten bleiben die maßgeblichen Preistreiber. Für Trump hingegen dürften sich nach dem Attentat die Chancen auf eine zweite Amtszeit als US-Präsident vergrößert haben - und damit vielleicht auch auf eine Aufwärtsrallye an der Wall Street.
DWN-Marktausblick: Attentat auf Donald Trump folgenlos – reguläre Wirtschaftsdaten bestimmen das Geschehen
Ungeachtet des Trump-Attentats sind es die üblichen Verdächtigen, die das Geschehen an den Märkten bestimmen (Foto: iStockphoto/Stadtratte).
Foto: Stadtratte

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Zwei Todesopfer forderte das missglückte Attentat auf den US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump – er selbst überlebte den Anschlag vergangenen Samstag buchstäblich nur um Haaresbreite. Für Trump ist der Ausgang dieses schockierenden Ereignisses in doppelter Hinsicht glücklich: nicht nur, dass der Ex-Präsident lediglich mit einem Kratzer davonkam, auch seine Siegchancen bei der bevorstehenden US-Wahl dürften sich weiter verbessert haben.

Zwar sind es bis zu den Wahlen noch vier Monate hin, in dieser Zeit kann viel passieren, und es bestehen darüber hinaus gewisse Zweifel daran, wer eigentlich sein Konkurrent sein wird. Somit ist ein Trump-Sieg noch keine beschlossene Sache, und was von Umfragen zu halten ist, zeigte erst jüngst der Ausgang der Frankreichwahl. Man wird Donald Trump jedoch auch als Kritiker zuerkennen müssen, dass sich dieser momentan in ausgezeichneter Verfassung befindet. Allein sein politischer Instinkt, die Bühne nicht zu verlassen, bevor er nicht eine triumphierende Faust in die Menge reckte und kämpferische Parolen rief, war bemerkenswert.

Nicht viele 78-Jährige, die gerade angeschossen wurden, hätten die Geistesgegenwart besessen, dies zu tun. Der Gesamteindruck, den er angesichts des brutalen Angriffs hinterließ, war durchaus beeindruckend. Ebenso, wie einige der in den entscheidenden Sekunden aufgenommenen Fotos, welche sich trefflich für Wahlkampfzwecke nutzen lassen werden. Wie groß auch immer seine Siegchancen vor dem Attentat waren, sie dürften jetzt noch besser sein.

Das große Bild bleibt unverändert

Die Markteilnehmer hatten auf Grund des handelsfreien Wochenendes genügend Zeit, die Lage in Ruhe zu bewerten. Dass sich deren Wahrnehmung mit dem für Donald Trump glimpflichen Ausgang nicht sonderlich verändert hat, ist nachvollziehbar, schließlich liegt er in den Umfragen schon das ganze Jahr über ununterbrochen vorn. Vor allem seit der desaströsen Leistung von Präsident Joe Biden in der jüngsten Debatte und dessen peinlichen Auftritten beim NATO-Gipfel ist Trumps zweite Amtszeit als US-Präsident nun das offensichtliche Basisszenario.

Angesichts der auch im demokratischen Lager immer lauter werdenden Stimmen, die einen Rückzug Bidens aus dem Präsidentschaftsrennen fordern, ist das Ereignis vom Wochenende beinahe nicht mehr als ein weiterer Datenpunkt in einem sich für Donald Trump verstärkenden Trend.

Trump-Sieg dürfte Zinspfad ändern

Ein Sieg Donald Trumps am 05. November ließe weitreichende Implikationen erwarten: von zunehmenden fiskalischen Anreizen in Form dauerhafter Steuersenkungen bis hin zu weitreichenden Handelszöllen scheint dessen Politik geradezu darauf ausgelegt zu sein, das US-Defizit in die Höhe zu treiben und die Inflation anzuheizen. Dies würde ein Ende der Zinssenkungen und damit aller Wahrscheinlichkeit nach auch der Hausse an den Aktienmärkten bedeuten.

Angesichts dessen, dass die Welt noch unsicherer würde, gewänne der Dollar, ebenso, wie andere als sichere Häfen geltende Assetklassen, weiter an Attraktivität, längerfristige Anleiherenditen sollten steigen. Zum Wochenbeginn übertraf die Rendite 30-jähriger US-Staatsanleihen zum ersten Mal seit Januar den Satz für die zweijährige Laufzeit, da man darauf setzt, dass Trumps Politik das Wachstum ankurbeln wird.

US-Notenbank auf Zinssenkungskurs, EZB geht in Sommerpause

Derweil sind es die üblichen Verdächtigen, die das Geschehen an den Märkten bestimmen. So zeigte der jüngste monatliche US-Arbeitsmarktbericht eine eindeutige Verlangsamung in fast allen wichtigen Kennzahlen. Das Wachstum der Beschäftigtenzahlen - die vielleicht wichtigste Zahl - fiel auf Quartalsbasis auf den niedrigsten Stand seit Anfang 2021, die Arbeitslosenquote stieg auf den höchsten Stand seit November 2021, und das Lohnwachstum kühlte sich auf den niedrigsten Wert seit Mai 2021 ab. Für den Vorsitzenden der Federal Reserve, Jerome Powell werden die Zahlen nur schwer zu ignorieren sein. Nur wenige Tage vor dem Bericht bezeichnete Powell auf einer von der EZB veranstalteten Konferenz den US-Arbeitsmarkt noch als "stark", obwohl er auch andeutete, dass er sich einer Art Wendepunkt nähern könnte. Danach sieht es tatsächlich aus.

Die jüngsten Inflationsdaten vom vergangenen Donnerstag bezeichnen die US-Notenbanker praktisch unisono als ausgezeichnet und auf gutem Wege, das angepeilte 2-Prozent-Ziel zu erreichen. So haben sich die Verbraucherpreise in der weltgrößten Volkswirtschaft unter den für Juni prognostizierten Wert auf 3,0 Prozent abgekühlt, den niedrigsten Anstieg seit fünf Monaten. Kombiniert man die jüngsten Trends bei den Arbeitsmarktdaten mit der Verlangsamung der Inflationszahlen, ist es keine Überraschung, dass die Anleger derzeit darauf wetten, dass sich die US-Notenbank im September und Dezember für Zinssenkungen entscheiden wird. Für September preisen die Märkte nun fast vollständig eine Zinssenkung ein, während die Chancen vor den letzten Verbraucherpreis-Daten vom 11.07. nur bei etwa 70 Prozent lagen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte laut einer Umfrage unter Ökonomen bei der Senkung der Zinssätze vorsichtig vorgehen, insbesondere aufgrund der politischen Unsicherheiten in den USA. Nach einer ersten Senkung im Juni um einen Viertelprozentpunkt erwarten die Befragten, dass die EZB in der kommenden Woche pausieren und weitere Zinssenkungen erst wieder ab September im vierteljährlichen Rhythmus vornehmen wird, bis der Einlagensatz 2,5 Prozent erreicht. Die Ökonomen sehen die US-Präsidentschaftswahlen im November und eine mögliche zweite Amtszeit von Donald Trump als größtes Risiko für die hiesige Wirtschaft, deren zaghafte Erholung bereits ins Stocken geraten sein könnte, während der Inflationsdruck hoch bleibt. Die Märkte sind noch vorsichtiger als die Ökonomen und erwarten nur noch eine weitere Zinssenkung in diesem Jahr.

Favoritenwechsel an den Aktienmärkten?

Angesichts des US-Inflationsanstiegs von Juni, der sich stärker als erwartet verlangsamt hatte, kam es an den Aktienmärkten zu einigen bemerkenswerten Ausschlägen, die unter dem Strich eine deutliche Verschiebung der Anlegergunst weg von den bisher geliebten wachstumsstarken Tech-Titeln hin zu denen aus der Value-Kategorie. So übertraf der S&P 500 den Nasdaq 100 so stark wie seit einem Jahr nicht mehr und der Russel 1.000 Value lag gegenüber seinem Growth-Pendant so gut, wie zuletzt Im Januar 2021.

Früher galt die Faustregel, dass bei steigenden Zinsen Value-Aktien besser und Growth-Aktien schlechter abschneiden, da Technologieunternehmen, die mit Wachstum assoziiert werden, besonders von niedrigeren Diskontsätzen profitieren. Diese Regel änderte sich im letzten Jahr, als Technologie- und Wachstumsaktien trotz steigender Zinssätze weiterhin überdurchschnittlich zulegen konnten. Als Erklärung diente vor allem der aufkommenden Megatrend KI. Seit dem CPI-Tag der vergangenen Woche dreht sich der bisherige Trend, Anleger weichen von überbewerteten Tech-Aktien ab und investieren verstärkt in Value- und Small-Cap-Aktien. Möglicherweise ist dies ein Zeichen dafür, dass der Höhepunkt im Tech-Bereich erreicht ist. Vor diesem Hintergrund ist auch der Abgang des letzten Bären an der Wall Street - Marko Kolanovic von JPMorgan – beachtenswert, erinnert dies doch an einen ähnlichen Gesinnungswechsel kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase.

Rohstoffmärkte haben eigene Themen

Von den Ereignissen des Wochenendes profitiert vor allem der US-Dollar, dessen Preisaufschwung durch enttäuschende chinesische Wirtschaftsdaten noch weitere Unterstützung erhält. Angesichts dessen bleiben währungssensitive Rohstoffe, wie beispielsweise Erdöl, zum Wochenstart auf der eher defensiven Seite. Doch insbesondere der Energiesektor ist momentan anfällig für weitere Preisaufschläge.

So wachsen angesichts des mit Kategorie-5-Hurrican Beryl ungewöhnlich frühen Starts der diesjährigen atlantischen Hurrican-Saison die Befürchtungen vor Einschränkungen der US-amerikanischen Öl- und Gasproduktion, deren Förderanlagen im Golf von Mexiko in den nächsten Wochen in Mitleidenschaft gezogen zu werden drohen. Dass die Zahl der aktiven US-Bohranlagen derzeit rapide zurück geht, allein In den letzten zehn Wochen wurden 41, oder mehr als sechs Prozent, außer Betrieb genommen, macht die angebotsseitige Situation nicht besser und könnte Rohöl im Fall der Fälle leicht wieder in dreistellige Gefilde führen (Sorte Brent aktuell: 84,80 Dollar). Auch für die Benzinproduktion bleiben Wirbelstürme die derzeit größte Unbekannte. Sollte ein größerer Sturm das Raffineriesystem an der US-Golfküste treffen, würde zwar die Nachfrage nach Rohöl sinken, allerdings stünden pro Tag bis zu einer Million Barrel an Kraftstoffversorgung auf dem Spiel, und auch längere Ausfälle sind in solchen Situationen nicht ungewöhnlich.

An den Metallmärkten zeigt sich ein gemischtes Bild. Während jene mit hohem industriellen Nutzen, wie Kupfer, Platin, Palladium und auch Silber, unter der schleppenden chinesischen Konjunktur leiden, die die Importnachfrage dämpft, kann sich Gold, als reines Edelmetall ohne nennenswerten Industriebedarf, gut behaupten. Mit aktuell wieder über 2.400 Dollar pro Unze notiert das gelbe Metall nahe seines Allzeithochs vom 20. Mai (2.450 US-Dollar). Vor allem die Ungewissheit über die politische und wirtschaftliche Lage in den USA, die Sorge über die Nachhaltigkeit des US-Defizits sowie die Erwartung weiterer Zinssenkungen dürften den Goldpreis langfristig stützen, nicht abflauende geopolitische Spannungen sind in diesem Sinne positive Nebenschauplätze.

Andernorts drohen Wetterkapriolen den Kaffeefreunden mittelfristig die Freude an ihrem Heißgetränk zu verderben. So dürften die Exporte aus Vietnam, dem weltweit größten Robusta-Anbauer, bis zum Jahresende knapp bleiben und den Preisen, die in den vergangenen neun Monaten bereits um mehr als 60 Prozent angestiegen sind, weiteren Auftrieb verleihen. Dies ist natürlich ein Randthema, hat für den ein oder anderen aber ganz praktische Relevanz.

                                                                            ***

Markus Grüne (49) ist langjähriger professioneller Börsenhändler in den Bereichen Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 arbeitet er als freier Finanzmarkt-Journalist, wobei er unter anderem eigene Börsenbriefe und Marktanalysen mit Fokus auf Rohstoffe publiziert. 



Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

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