Weltwirtschaft

Lokale Fachkräfte statt Expats: Der Wandel in der Personalpolitik deutscher Unternehmen in China

Lesezeit: 5 min
17.08.2024 11:08
Die Personalpolitik deutscher Unternehmen in China durchläuft einen bedeutenden Wandel. Anstelle von Expats setzen Firmen zunehmend auf lokale Fachkräfte, was die wachsende Kompetenz chinesischer Arbeitnehmer und das Streben nach Kosteneffizienz widerspiegelt. Dieser Trend bringt nicht nur Vorteile wie bessere Marktanpassung, sondern stellt auch neue Herausforderungen in der interkulturellen Führung und Mitarbeiterbindung dar.
Lokale Fachkräfte statt Expats: Der Wandel in der Personalpolitik deutscher Unternehmen in China
Während seines Besuchs in China im April 2024 besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz die Niederlassung der Firma Bosch in Chongqing, China. (Foto: dpa)
Foto: Michael Kappeler

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Die Personalpolitik deutscher Unternehmen in China befindet sich im Umbruch. Immer häufiger ersetzen lokale Fachkräfte die bisher üblichen Expats aus Deutschland. Dieser Trend spiegelt nicht nur die wachsende Qualifikation chinesischer Arbeitnehmer wider, sondern auch das Streben nach Kosteneffizienz und besserer Marktanpassung. Während die Lokalisierung der Belegschaft Chancen bietet, stellt sie Unternehmen auch vor neue Herausforderungen im Bereich der interkulturellen Führung und Mitarbeiterbindung.

Lokale Fachkräfte statt Expats: Der Wandel deutscher Unternehmen in China

Es zeichnen sich gerade viele signifikante Trends in Bezug auf China ab. Nicht nur, dass wir uns in letzter Zeit öfters die Frage stellen, um was für eine Automarke es sich handelt, wenn optisch interessante moderne Vehikel neben den eigenen, alteingesessenen Marken auf den Straßen an uns vorbeirauschen. MG, BYD, NIO, ELARIS oder ORA haben wir vor einigen Jahren noch nicht gekannt. Nun sind sie da und machen keine schlechte Figur auf unseren Straßen. Gerade in der Automobilindustrie ist der Wandel enorm. China-Knowhow in Form von eigenen neuen Modellen ist sicherlich auch das Ergebnis von jahrelangem Wissenstransfer. Mit der Produktion und dem Verkauf deutscher Automobilmarken und anderer Produkte in Asien ist immer auch das Fachwissen hinter den Produkten mitgeliefert worden.

So gibt die Politik in China seit Jahren vor, dass ein Joint-Venture vorliegen muss, um ausländische Autos in China zu produzieren und verkaufen zu dürfen. Bestes Beispiel dafür ist der Volkswagen Konzern, der bereits seit über 40 Jahren zusammen mit seinen Joint-Venture-Partnern 30 Werke alleine in China betreibt und mit einer Mannschaft von 90.000 Mitarbeitern Autos produziert. 2,5 Milliarden Euro hat der Autobauer in die lokale Entwicklungskompetenz allein in seinem Standort in der Provinz Anhui investiert. Gemeinsam mit dem chinesischen Hersteller XPENG werden gerade zwei Fahrzeuge der Marke Volkswagen PKW entwickelt. 2026 soll die Produktion des ersten Modells, ein SUV im Mittelklassesegment, beginnen.

Asien und Europa wachsen zumindest auf der Produktseite immer mehr zusammen, ob wir De-Cupling betreiben wollen oder nicht. Die Joint-Ventures sind darauf ausgerichtet, gemeinsame Sachen zu machen und das Ergebnis rollt bereits auf unseren Straßen. 2017 wurde das erste reine Joint-Venture für Elektrofahrzeuge in Anhui gegründet. Die sogenannte „China für China“ Strategie, wie Volkswagen sie nennt, nutzt die hohe Lokalisierung für eine beschleunigte Transformation in China.

Kosteneffizienz und Qualifikation: Die Vorteile lokaler Mitarbeiter

Immer öfter ersetzen Großunternehmen wie VW, Daimler oder auch Siemens die deutschen Fachkräfte im Ausland durch chinesische Staatsbürger. Grundgehälter und Auslandszulagen verursachen schätzungsweise 40 Prozent höhere Kosten bei Expats, doch mittlerweile haben auch die chinesischen Fachkräfte ihren Preis. Es ist aber auch die Folge der wachsenden Qualifikation und Kompetenz der lokalen Arbeitskräfte.

China hat in den letzten Jahren erheblich in die Ausbildung und Entwicklung seiner Arbeitskräfte investiert. Universitäten und technische Schulen bringen gut ausgebildete Fachkräfte hervor, die zunehmend in der Lage sind, anspruchsvolle Rollen zu übernehmen, die noch vor 20 oder 30 Jahren von Expats besetzt wurden. Die landeseigene Strategie „Made in China 2025“, bei der sich China zur innovationsgetriebenen Industrienation wandeln möchte, fördert die hochqualifizierten Arbeitskräfte. Die Lokalisierung der Belegschaft hat aber auch Schattenseiten für deutsche Unternehmen. Die chinesischen Niederlassungen deutscher Unternehmen werden zunehmend chinesischer und entfernt sie von dem deutschen Modell.

Es gibt aber auch gravierendere Probleme, weiß Johannes Weilharter, Rechtsanwalt und Senior Associate und Repräsentant von Schulz, Noack und Bärwinkel in Shanghai. Nach seinen Erfahrungen und Aussagen von lokalen Kollegen gibt es eine Anzahl von Fällen, in denen gegen chinesische Manager in deutschen Unternehmen gerichtlich wegen Veruntreuung und Compliance-Verstößen vorgegangen wird. Die Summen, um die es da geht, sind nicht unerheblich, weis Weilharter aus Gesprächen: Sie reichen bis in die Millionenhöhe. Das geht bei überhöhten Abrechnungen von Taxifahrten, Hotels, Telefon und Auto bis zu pro Forma Anstellung von Verwandten, um Sozialversicherungen zu kassieren.

In der Regel wechseln viele neue chinesische Manager das Team und umgeben sich mit Günstlingen, erzählt Weilharter. Besonders betroffen von Veruntreuung sind Joint Venture durch örtliche Führungskräfte, sagt der Chinaexperte Wulff Dinter. „Am besten verfährt man meines Erachtens mit lokalen Expats, also Ausländern mit guten Chinesisch-Kenntnissen, die lange schon vor Ort sind und ein gutes lokales Package bekommen“, rät Weilharter. Mittlerweile haben sich bereits Anwälte darauf spezialisiert, gegen chinesische Manager und deren Betrugsfälle in deutschen Unternehmen vorzugehen. Jede chinesische Führungskraft sollte daher immer einem ausländischen Vorgesetzten unterstehen. So würden mehr Kontrollinstanzen vorherrschen und Abstimmung notwendig machen.

Wulf Dinter kennt China seit über 25 Jahren durch seine Arbeit in diversen Führungspositionen und bei verschiedenen Unternehmen vor Ort. Mehrmals musste er miterleben, wie sein Posten durch chinesische Fachkräfte ersetzt wurde. Seine Erfahrungen im chinesischen Markt führen zum Schluss, dass deutsche Firmen erwarten, dass ihre Philosophie in China durch deutsche Mitarbeiter durchgesetzt wird. Sie scheitern aber meist daran, dass man in China nur deutsche Firmen-Philosophie mit anderen, nicht so erwarteten Erfolgen umsetzen kann, oder man stellt die örtliche Firmenkultur auf China ab, erreicht die geforderten Ziele, nutzt aber innovativ chinesische Ansätze. „Chinesische Mitarbeiter tendieren zu letzterem, daher entsteht oft Misstrauen zwischen der Führung der Tochter und dem Mutterhaus. Hierfür und wegen nötiger Transparenz sind deutsche Mitarbeiter vor Ort interessanter, aber teurer. Eingespielte Firmen können mit chinesischen Mitarbeitern allerdings Erfolge halten. Chinesen mit deutschem Pass sind ein guter Mittelweg, allerdings auch nicht billiger als entsandte ausländische Fachkräfte“, rät die erfahrene Führungskraft.

Laut Merics und einer Studie der Auslandskammer beschäftigten 2023 nur noch 69,5 Prozent der deutschen Unternehmen in China Ausländer. Sieben Jahre zuvor waren es noch 83 Prozent Ausländer, die für die deutschen Unternehmen im Ausland beschäftigt waren. China verliert zudem immer mehr an Attraktivität für ausländische Fachkräfte. 2022 war die Quote der Auswanderer mit 1000 Personen die niedrigste seit 20 Jahren. Gleichzeitig stieg die Zahl der Rückkehrer aus China nach Deutschland im selben Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 24,5 Prozent an. Es kommen immer mehr Deutsche zurück aus China.

Auch der zunehmende Autoritarismus im Land und die eingeschränkten Freiheits- und Bürgerrechte verschlechtern die Lebensqualität der Expats in China. Der Rückgang der Zahl deutscher Auswanderer nach China fällt zeitlich zusammen mit der autoritären Entwicklung Chinas Machtapparats. Dies zeigt sich auch in der rapiden Abnahme der deutschen Studierenden in China. Die Zahl sank von circa 8.000 bis 2014 auf lediglich 1.787 im Jahr 2022. Dagegen nahm die Zahl der chinesischen Studenten in Deutschland kontinuierlich zu und ist jetzt bei einem sehr hohen Stand von circa 43.000.

Andererseits können die Produkte durch die Ersetzung der Fachkräfte mit inländischen Mitarbeitern noch genauer an den Markt adaptiert werden. Es gab in der Vergangenheit beispielhafte Autoprodukte wie den VW Phaeton, die in China nicht gut angekommen sind. Denn sie wurden zwar für den chinesischen Markt entwickelt, aber aus einer europäischen Sicht, was dazu geführt hat, dass das Produkt komplett floppte.

Herausforderungen und Lösungen: Interkulturelle Kompetenzen und Mitarbeiterbindung

Wie man schwierig Automodelle aus der deutschen Sicht für den asiatischen Markt entwickeln kann, genauso wenig kann man Personalentwicklungs- und Mitarbeiterbindungssysteme aus Europa einfach so auf China übertragen. Zum einen sprechen ältere Berufstätige mit über 40 Jahren schlecht Englisch, weshalb ausländische Arbeitgeber Schlüsselpositionen zunehmend mit jüngeren Talenten im Alter von maximal 30 Jahren besetzen. Die jungen Chinesen sind zudem ehrgeizig und lernwillig. Sie unterscheiden sich aber, sofern sie keine Auslandserfahrung haben, stark von deutschen gleichaltrigen Kollegen. Sie sind durch ihr System daran gewöhnt, Instruktionen zu erhalten. Problemlösungen eigenständig oder in Arbeitsgruppen zu erarbeiten, fällt ihnen eher schwer.

Es kann für deutsche Unternehmen herausfordernd sein, chinesischen Mitarbeitern gerecht zu werden. Denn sie erwarten besonders von ausländischen Arbeitgebern eine qualifizierte Einarbeitung und Ausbildung, weil sie den Ruf haben, das schneller zu tun. Diese Erwartung gilt es zu erfüllen. Chinesen erwarten auch von ihrem Arbeitgeber, dass er zu ihnen dieselbe emotionale Bindung eingeht, wie sie zu ihm. Spüren sie keine persönliche Verbindung, wechseln sie auch schneller das Unternehmen. Schon banalere Gründe reichen chinesischen Mitarbeitern oft, um das Unternehmen zu wechseln. Solange sie das Gefühl haben, dass sie durch einen Arbeitgeberwechsel mehr verdienen oder ihren sozialen Status erhöhen könnten, binden sie sich emotional nicht an ein Unternehmen. Das kann zu einer höheren Fluktuationsrate im deutschen Unternehmen führen, mit allen Konsequenzen, die sich daraus ableiten.

Zunehmendes chinesisches Personal in deutschen Unternehmen in China bedeutet, dass deutsche Führungskräfte in China noch mehr interkulturelle Kompetenzen benötigen, um den veränderten Führungsansprüchen gerecht zu werden. Die Zügel komplett aus der Hand zu geben, scheint nach den beschriebenen Erfahrungen keine gute Idee zu sein.

                                                                            ***

Sofia Delgado ist freie Journalistin und arbeitet seit 2021 in Stuttgart, nachdem sie viereinhalb Jahre lang in Peking gelebt hat. Sie widmet sich gesellschaftskritischen Themen und schreibt für verschiedene Auftraggeber. Persönlich priorisiert sie die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit, als dringendste Herausforderung für die Menschheit.

 


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