Gerade wenn man glaubt, das Angebot ist hinreichend vielfältig (und womöglich längst gesättigt), gibt es immer wieder Anbieter, die das partout nicht wahrhaben wollen. Sie halten unbeirrt an ihren Statistiken fest und setzen auf den Hoffnungsfaktor Wachstum.
In den USA, Frankreich und Großbritannien ist das Wachstum längst ausgereizt
„In den USA ist die Messe gesungen, das gibt es kein nennenswertes Wachstum mehr“, sagt Rémy Kurtz, internationaler Hotel-Berater und langjähriger Manager der französischen Accor-Gruppe in Deutschland, die mit den Marken Ibis, Etap und Formula 1 einst überhaupt die ersten Billighotel-Ketten im Lande aufgebaut hat. In Frankreich und Großbritannien sind die Chips indessen verteilt.
In Deutschland hingegen gibt es durchaus noch interessante, vor allem touristisch reizvolle Regionen, in denen es bislang gar keine standardisierten Hotel-Ketten gibt. Terra incognita für die Strategen aus Übersee, die überzeugt sind und sicher wähnen, dass auch deutsche Touristen über kurz oder lang auf Konfektionsware umschwenken, weil sie in punkto Ausstattung und Service keine bösen Überraschungen schätzen.
Gerade die Corona-Pandemie mit ihren weitreichenden Hygiene-Bestimmungen hat der Hotellerie im Lande schwer zugesetzt. In der Pfalz, entlang des Rheins und den deutschen Mittelgebirgen hat dies in den vergangenen drei Jahren viele der kleinen Anbieter in deutschen Klein- und Mittelstädten die Existenz gekostet. Hoteliers entlang des Ahrtals mussten dann spätestens mit der Jahrhundertflut ihre Unterkünfte für immer schließen.
Von den schweren Zeiten für die Tourismusbranche in dieser Region liest man zumeist aber nur in der dortigen Lokalzeitung - oder man merkt es, wenn man jetzt wieder buchen und hinfahren möchte. Längst drängen inzwischen verstärkt die angloamerikanischen börsennotierten Konzerne wie IHG, Hilton und die britische Whitbread-Gruppe (Premier Inn) vor und riskieren den Vormarsch bis in die deutsche Provinz. Das Risiko ist ja bei den Verträgen ökonomisch überschaubar und Fehlschläge verkraftbar. Das Problem ist: Die deutschen Hotels haben den Ketten im Haifischbecken der Hotel-Wirtschaft ökonomisch nicht viel entgegenzusetzen - außer ihrer Tradition und Freundlichkeit.
Das Haus mag zwar über Generationen abgezahlt und sogar immer wieder renoviert worden sein. Am Kostenfaktor Personal kommen die Betriebe aber ebenfalls nicht vorbei. Vor allem gibt es große Probleme, die nächste Generation im Familienverbund davon zu überzeugen, an Ort und Stelle weiterzumachen.
Neue Player versuchen deshalb ihr Glück. Der Umbruch ist in vollem Gange: Marken wie Etap (jetzt Ibis Budget) verschwinden plötzlich aus dem Stadtbild. Immer wieder schlüpfen mittelgroße Ketten unter die Fittiche großer und kapitalstarker Gruppen. So haben sich die Düsseldorfer Lindner Hotels jüngst Hyatt angeschlossen. Die Accor-Gruppe etwa, die das Konzept der Budget-Hotels in Frankreich einst bis in die Kleinstädte vervielfältigt hat, befindet sich in einer Neuorientierung. Der Vorstand setzt inzwischen mehr auf die Luxus-Branche und sogenannte Design- oder Boutique-Hotels - allein auf die Marge kommt es an unter dem Strich.
Hotels vergeben inzwischen zumeist nur noch Franchise- oder Management-Verträge
So kommt es, das längst die B&B-Hotels den jahrelang führenden Ibis-Häusern den Rang abgelaufen haben. Während es früher um genormte Neubauten mit reichlich Parkplätzen ging am Rande der Städte, greift die aggressive Premier-Inn-Gruppe durchaus auch auf bestehende Immobilien zurück, die sie überhaupt erst zu Hotels umfunktioniert und den Häusern damit einen Anstrich von Individualität zu geben vermag. Whitbread betreibt „mittlerweile 58 Premier Inns“, teilte unlängst der frühere Hotelchef des Tui-Konzerns, Erik Friemuth, mit. Er wurde eigens angeheuert, die Expansion der Briten hierzulande voranzutreiben. Fünf weitere Hotels sollen bis Jahresende in Deutschland eröffnen. Auch die Intercontinental Hotel Group (IHG) hat Deutschland verstärkt im Economy-Sektor ins Visier genommen. Die Nummer 4 der größten Konzerne (nach Marriott, Jin Jang aus China sowie Hilton) ist derzeit damit beschäftigt, die 100 Häuser der vor 35 Jahren gegründeten Hamburger Novum-Gruppe zusammen mit Holiday Inn und Niu ins Portfolio zu integrieren.
„Der Weltmeister unter den Investoren und Kapitalgebern ist inzwischen allerdings Motel One“, sagt Kurtz und ist vom Aufstieg der Firma beeindruckt. Er lobt, dass diese Kette im Kern als Familienbetrieb enorm gewachsen ist und tatsächlich noch ihre Häuser mit klassischen langjährigen Pachtverträgen betreibt, während ansonsten selbst Hilton auf das Franchise-System umgestellt hat oder andere ihre Hotels zumeist nur per Management-Vertrag betreiben. Die Häuser gehören dabei entweder privaten Eigentümern oder Immobiliengesellschaften - die Marke ist nach einer Grundsanierung so austauschbar.
Erstes Spark-Hotel eröffnet in Stuttgart - weitere sollen bundesweit folgen
In Stuttgart-Sindelfingen soll nach Angaben der Hilton-Gruppe im Oktober erstmals eines der neuen Spark-Hotels eröffnen. Die Herberge mit 103 Zimmern wird dem Berliner Betreiber Aspire unterstehen, der das Konzept ebenfalls per Franchise-Vertrag übernehmen will. Danach könnte es mit der Skalierung schnell weitergehen.
„Wir sehen Deutschland als Eckstein und Fundament für unsere Wachstumschancen in Kontinentaleuropa“, sagt Hiltons Europa-Chef, David Kelly. Erst 2023 ist die neue Kette gestartet worden. „Aktuell haben wir für die Premium-Economy-Marke 50 Hotels in Betrieb, der Großteil davon in den USA, sowie 175 Häuser in Entwicklung“, sagt Kelly.
Rémy Kurtz beschwichtigt und nennt es „einen Kommunikationskrieg“, der draußen im Markt im Gange ist. „Die Zuversicht ist mitunter nur gespielt, alle protzen mit ihren Zahlen“, weiß Kurtz. Auch große Ketten wie früher zum Beispiel die Accor-Hotels von Red Roof in den USA verschwinden gerne mal über Nacht, wenn sich ein Konzern mit seinen Marktchancen verkalkuliert hat.
Im Moment gehe es Kurtz zufolge „vor allem um die unter Druck befindlichen Drei- und Vier-Sterne-Hotels“. Die hätten jahrelang bestens vom Exportweltmeister Deutschland und der bei uns boomenden Industrie profitiert. Vertreter und Mitarbeiter wurden auf Dienstreisen natürlich standesgemäß untergebracht, wenn sie etwa auf Messereise nach Berlin oder Hannover reisen mussten. Inzwischen wurden von den Analysten vor allem Individual-Reisenden und Rollkoffer-Touristen als interessante Zielgruppe ausgemacht. Bei Motel One zum Beispiel.
Motel One gilt als heißer Kandidat für einen Börsengang
Die Motel-One-Zimmer sind vergleichsweise günstig, genormt und in verlässlicher Qualität! So kommt es, dass die Kette inzwischen an neuralgischen Punkten der Hauptstadt zwischen Alexanderplatz und Kurfürstendamm mit gar drei Bettenburgen in der Premium Economy von 380 Zimmern am Bahnhof Zoo, über 500 Zimmern am Hauptbahnhof sowie 780 Zimmern am Alexanderplatz vertreten ist. Die Immobilien-Besitzer dieser Hochhäuser sind begeistert von guten Ergebnissen, der hohen Sicherheit und den langfristigen Verträgen. Derlei Immobilien sind für Investmentfirmen ideal. Die Hotellerie ist damit im Kern heute vor allem zum Immobiliengeschäft geworden. Die Gastronomie indessen ist nur noch ein lästiger Kostenfaktor, der den im Verband Dehoga organisierten deutschen Betrieben eher zu schaffen macht, als Freude bereitet oder gar gute Umsätze beschert.
Finanzexperten vermuten, dass Motel One deshalb heißer Kandidat für einen baldigen Börsengang wird. „Gut möglich, dass das die anderen großen Konzerne jetzt zu ihrer plötzlichen Markt-Offensive verleitet hat“, so Kurtz. Ob sich die Hilton-Billighotels mit dem Namen Spark hingegen durchsetzen können (mit ihrem Konzept von praktischer Ausstattung, hellen Bädern, Frühstücksbuffet und 24-Stunden-Supermärkten), ist für den Hotel-Fachmann aus dem Elsass längst nicht ausgemacht. Als Marke haben sie sich jedenfalls noch nicht international durchgesetzt.