Zu schön, um wahr zu sein: 1.200 Euro cash, sich keine Existenzsorgen mehr machen müssen, einfach kreativ sein - und ganz und gar Mensch. Der Traum vom bedingungslosen Grundeinkommen ist eine Utopie, die gleichermaßen fasziniert wie erschreckt. Sollen wir das Experiment wirklich wagen? Interessierte Kreise meinen: unbedingt. Eva Vivalt von der britischen Oxford-Universität meint: Forget it! Ernüchtert ist sie gerade aus den USA nach England zurückgekehrt, im Gepäck die Forschungsergebnisse einer entsprechenden US-Studie.
In Deutschland ist es vor allem Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, der die Speerspitze für die Umverteilung des lieben Geldes bildet. Er kann fast nur Vorteile erkennen und hat vor allem bei den Profiteueren „eine hohe Zustimmung“ gemessen. Und noch eine Knaller-Erkenntnis hält Fratzscher für Zweifler parat : „Je höher das Grundeinkommen, desto größer ist die Zustimmung: 1.200 Euro im Monat stimmen die meisten zu!“
Ernüchternde Erkenntnisse aus einer US-Studie
Professorin Vivalt hat jetzt ganz andere ernüchternde Erkenntnisse bekanntgegeben auf ihrem X-Account. 1.000 ganz zufällig ausgewählten US-Bürgern zwischen 21 und 40 Jahren mit einem Durchschnittseinkommen von knapp 30.000 Dollar pro anno wurden seit 2019 für die Dauer von drei Jahren lang jeden Monat 1.000 Dollar überwiesen. Sie mussten den Zuschuss einer Non-Profit-Organisation weder versteuern, noch sind ihre sonstigen Ansprüche auf Sozialleistungen geschmälert worden. Eine Kontrollgruppe, bestehend aus 2.000 anderen Bürgern erhielt indessen monatlich nur 50 Euro. Über Fragebögen und per App meldeten alle Teilnehmer der Studie, wie viel sie gerade arbeiten oder stattdessen ihre Freizeit verbringen - und vor allem, wie viel Geld sie verdienen bzw. selbst erwirtschaften.
Wenig überraschend ist die erste Erkenntnis: Bezieher des Grundeinkommens arbeiten weniger, und zwar durchschnittlich etwa 1,3 Stunden je Woche. Die Einkommen seien, verglichen mit Menschen aus der Kontrollgruppe, rund fünf Prozent gesunken. „Interessanterweise haben auch die Partner und andere Erwachsene in den Haushalten ihr Arbeitsangebot verringert“, ergab die Auswertung der Autoren. Unter dem Strich hat jeder geschenkte Dollar das Arbeitseinkommen um 21 Cent verringert. „Das ist ein ziemlich substantieller Betrag“, findet Forscherin Vivalt - immerhin über ein Fünftel.
Stagnation und Müßiggang - kaum positive Effekte
Für den Arbeitsmarkt sind keine positiven Effekte zu erwarten. Verbesserungen der Arbeitsplatzqualität wurden von Vivalts Forscher-Team trotz hartnäckigen Bohrens und Nachfragens nicht festgestellt. Die größere finanzielle Unabhängigkeit führte nicht dazu, sich in Ruhe einen besser bezahlten und endlich zufriedenstellenden Job zu suchen. Tatsächlich registrierte Prof. Vivalt eine Stagnation bei den Löhnen und Gehältern. Vom Wunsch der Selbständigkeit gar keine Rede. Das Risiko zu scheuen, ist der Teufel im Detail. Selbstbestimmt zu arbeiten, ist keine erstrebenswerte Perspektive für die Mehrzahl.
Kann es noch schlimmer kommen? Ja, schon. Zwei weitere Aspekte lohnen die Betrachtung: Arbeitslose blieben im Schnitt länger arbeitslos! Proverbial mal den Hintern aus dem Sofa zu bewegen, das findet immer seltener statt, verraten uns die gemessenen Werte. Während die Kontrollgruppe von einem Vorstellungsgespräch zum nächsten hetzte, um irgendwie voranzukommen oder sogar ein Stück sozial nach oben. Ökonomin Vivalt sagt: „Insgesamt scheinen die negativen Auswirkungen auf das Arbeitskräfteangebot nicht durch andere produktive Aktivitäten ausgeglichen zu werden, und es ist nicht zu beobachten, dass die Menschen während der dreijährigen Laufzeit des Programms bessere Arbeitsplätze bekommen.“
Nicht mal der innere Schweinehund wird geweckt
Und nun noch die Sache mit dem inneren Schweinehund und der Gesundheit. Kurzfristig wurde zwar mehr Geld für medizinische Versorgung, sprich Medikamente und Arztbesuche, ausgegeben. Eine positive Wirkung auf Körper und Geist stellte sich freilich nicht ein. Sowohl die physische als auch mentale Gesundheit ließ schon bald zu wünschen übrig - man könnte vermuten, dass bei manchen sogar die Verblödung einsetzte. Nicht einmal besser geschlafen oder gar geträumt haben die Probanden im Schlummerland. Autsch!
Die entscheidende Fragestellung ist jedoch, ob die Probanden ihr mehr an Freizeit wirklich für sinnvolle Aktivitäten eingesetzt haben. Haben sie gemalt, musiziert, gelesen, sich an einem College fortgebildet oder einfach nur Sport getrieben? Mitnichten, die Zeit verging wie im Fluge beim Busfahren von A nach B, im Auto im Stau, um irgendwo hinzuknattern. Man kann es mit Fug und Recht auch den Müßiggang nennen, der im alten Straßenkreuzer eingelegt wurde. Bei uns nennt man das, wohlfeil, auf der faulen Haut liegenbleiben.
Nicht immer, aber durchaus mehr als zuvor! Was im Ergebnis, die gesamtwirtschaftliche Betrachtung natürlich negativ beeinflusst. Wir in Deutschland haben das ebenfalls längst als Problematik identifiziert. Die Ampel hat es Bürgergeld genannt und kräftig angehoben und breit gestreut. Wenn alle mitmachen dürfen und Fratzscher sich mit seinen Visionen durchsetzen sollte, werden gut eine Billion aus dem Staatshaushalt fällig - wir hätten endlich das totale Defizit erreicht und würden Bhutan als das glücklichste Land der Welt ablösen. Nirwana!
Mal abwarten, was für Ergebnisse das DIW oder der Verein „Mein Grundeinkommen“ uns demnächst auf einer Pressekonferenz vorlegen. Und im Hintergrund dudeln die Dire Straits: „Money for nothing!“