Der Sommer 2024 bringt nicht nur hohe Temperaturen, sondern auch eine beispiellose Welle von Krankmeldungen mit sich. Laut aktuellen Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist der Anteil der deutschen Bevölkerung, der an akuten Atemwegsinfektionen (ARE) leidet, auf ein Rekordniveau gestiegen. In der ersten Augustwoche waren rund 3,9 Prozent der Bevölkerung betroffen, und auch die Wochen zuvor verzeichneten außergewöhnlich hohe Krankheitsraten. Geht es tatsächlich um eine Krankheitswelle oder möchten die Mitarbeiter einfach den Sommerurlaub etwas länger genießen?
Die DWN haben Jens Usebach, seines Zeichens Fachanwalt für Arbeitsrecht, gefragt, was der Arbeitgeber tun darf, wenn er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arbeitnehmers anzweifelt. Und wann darf der Arbeitgeber bei der Krankheit eines Mitarbeiters keinen Lohn mehr zahlen?
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: Wann Arbeitgeber zahlen müssen
In Deutschland sorgt das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) dafür, dass Arbeitnehmer im Krankheitsfall weiterhin ihr Gehalt erhalten. Demnach verpflichtet das Gesetz den Arbeitgeber, das Entgelt für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen fortzuzahlen, falls der Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig ist.
Grundsätzlich gilt, dass die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf eine einzige Krankheitsperiode begrenzt ist. Dies bedeutet, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht für jede neue Erkrankung neu auflebt, sondern nur für die ursprüngliche Krankheitsperiode, die zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat.
Wenn der Arbeitnehmer nach den ersten sechs Wochen wieder krank wird und nicht arbeiten kann, kann er normalerweise einen neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung geltend machen. Dies gilt jedoch nur, wenn die neue Krankheit ganz anders ist als die vorherige und nicht damit zusammenhängt.
„Wenn der Arbeitnehmer beispielsweise aufgrund einer Grippe arbeitsunfähig ist und nach Ablauf der sechswöchigen Frist erneut erkrankt, diesmal jedoch an einer Magen-Darm-Infektion, handelt es sich um zwei völlig verschiedene Erkrankungen. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer einen neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von bis zu sechs Wochen“, sagt der Rechtsanwalt.
Krankmeldungen: Vorsicht bei wiederholten Erkrankungen
Ein Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf eine erneute 6-wöchige Lohnfortzahlung, wenn er wegen derselben Krankheit wieder krankgeschrieben wird. In diesem Fall wird die ursprüngliche Erkrankung als fortgesetzt betrachtet, und der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Lohn weiterhin zu zahlen.
Eine Ausnahme besteht jedoch, wenn zwischen den Krankheitsphasen mindestens 6 Monate liegen. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer bei erneuter Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit erneut einen Anspruch auf Lohnfortzahlung geltend machen. Besonders bei chronischen oder langanhaltenden Erkrankungen, die immer wieder zu Arbeitsunfähigkeit führen, ist dies relevant, fügt Usebach hinzu.
Liegen zwischen den Krankheitsphasen mindestens 6 Monate, ist der Arbeitgeber in der Regel verpflichtet, bei jeder neuen Phase der Arbeitsunfähigkeit erneut bis zu 6 Wochen lang den Lohn fortzuzahlen. Diese Regelung soll sicherstellen, dass Arbeitnehmer auch bei wiederkehrenden Krankheiten finanziell abgesichert sind und nicht durch eine dauerhafte Lohnkürzung benachteiligt werden. So wird gewährleistet, dass die finanzielle Belastung für den Arbeitnehmer in solchen Fällen nicht zu groß wird, erklärt der Rechtsanwalt.
Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit: Rechte des Arbeitgebers
Eine vom Arzt ausgestellte AU-Bescheinigung hat zwar einen hohen Beweiswert, doch das bedeutet nicht, dass Arbeitgeber bei berechtigten Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit schutzlos sind, bestätigt der Rechtsanwalt.
Laut § 275 SGB V haben Arbeitgeber das Recht, die Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) zu veranlassen. Dies könne vor allem dann sinnvoll sein, wenn auffällige Muster wie häufige Kurzzeiterkrankungen oder wiederholte Krankmeldungen an Brückentagen auftreten, sagt Usebach. Der Arbeitgeber kann bei der Krankenkasse des Arbeitnehmers die Überprüfung beantragen, um sicherzustellen, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich gegeben ist und kein Missbrauch vorliegt.
Der Medizinische Dienst wird daraufhin eine unabhängige Prüfung vornehmen und gegebenenfalls ein Gutachten erstellen. Sollte sich dabei herausstellen, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht gerechtfertigt war, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Fehlzeiten zu verhindern.
„Zum einen kann der Arbeitgeber die Überprüfung des Arbeitnehmers durch einen Detektiv veranlassen“, fügt der Rechtsanwalt hinzu.
Fazit: Vertrauen und zahlen?
In diesem Sommer sind die Krankheitszahlen ungewöhnlich hoch. Deshalb ist es für Arbeitgeber besonders wichtig, Krankmeldungen sorgfältig zu prüfen und bei Zweifeln den Medizinischen Dienst der Krankenkasse einzuschalten.
Arbeitgeber sollten auch die rechtlichen Regeln zur Entgeltfortzahlung gut kennen, um zu vermeiden, dass sie unnötig lange Gehälter zahlen. Bei vielen Krankheitsfällen kann dies eine große Belastung für den Betrieb darstellen. Daher ist es wichtig, rechtlichen Rat einzuholen und Krankmeldungen gründlich zu überprüfen, um die Rechte der Arbeitnehmer und die Interessen des Unternehmens in Einklang zu bringen.