Immobilien

So kann der Wohnungsmangel bekämpft werden - Ansätze und Expertenmeinungen

Das Thema Wohnraummangel belastet Regierung und Bürger. Auf einem Markt, der den Neubau nur begrenzt begünstigt, müssen Wege gefunden werden, um schneller und günstiger zu bauen. Ganz oben mit dabei: der Abbau bürokratischer Komplikationen. Lesen Sie Ansätze und Meinungen rund um das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum in Deutschland.
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24.08.2024 08:41
Lesezeit: 4 min
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Die Problemstellung

Man liest die Zahl immer wieder: Stand 2024 fehlen in Deutschland rund 800.000 Wohnungen. Bei Sozialwohnungen fehlt es akut an um die 910.000 Wohnungen, wobei die Hans-Böckler-Stiftung sogar von Dunkelziffern von bis zu „mehreren Millionen“ fehlenden Sozialwohnungen ausgeht.

Spricht man von bezahlbarem Wohnraum, fehlen in den 77 Großstädten in Deutschland fast zwei Millionen Wohnungen. Mit bezahlbarem Wohnraum ist gemeint, dass der Wohnraum nicht mehr als 30 % des Haushaltseinkommens verschlingt. Laut Statistischem Bundesamt geben Deutsche im Schnitt 28,9 % ihres Einkommens für die Miete aus. Gute Zahlen, könnte man meinen. Zum Vergleich: In München gibt man im Durchschnitt 37 % seines Einkommens für die Miete aus, in anderen Großstädten sieht es nicht besser aus.

Bei den Gründen für die Krise gibt es einige typische Verdächtige, darunter: gestiegene Kosten für Baumaterial, die wirtschaftlichen Krisen der letzten Jahre und natürlich das altbekannte Stichwort Fachkräftemangel. Doch die wohl am schwersten wiegenden Gründe für den Mangel haben sich schon vor Jahren schleichend angekündigt:

Explodierende Bevölkerungszahlen

Betrachtet man die demographische Entwicklung in Deutschland zwischen 1970 und 1980 und dann wieder zwischen 1990 und 2000, so kann man nur ein Fazit stellen: Die Bevölkerung ist exponentiell und innerhalb kürzester Zeit gewachsen. Der Wohnbau hinkte hinterher, schon seitdem. Nach der Wende wurde zudem erschwerend der soziale Wohnbau vielerorts eingestellt – was auch tragend für den heutigen Mangel an Sozialwohnungen ist. Während man 1987 noch um die 5.5 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland zählte, sind es heute nur noch um die 1.5 Millionen.

Landflucht

Es ist kein Geheimnis, dass viele Menschen für die Jobsuche und Weiterbildung in die Städte getrieben werden. Doppelte Abiturjahrgänge und wegfallende Studiengebühren haben den Umzug in Städte stark gepusht, die abgeschaffte Wehrpflicht tat ihr Übriges, um jungen Menschen zu erlauben, sich weiterzubilden. Man betrachtet Augsburg, eine mittelgroße Universitätsstadt: Zwischen 2013, dem Jahr, in dem die Studiengebühren in Bayern abgeschafft wurden, und 2020 ist die Bevölkerung von 278.473 auf fast 300.000 gestiegen.

Wohnraum als Investment

Mit dem Abschaffen der Wohngemeinnützigkeit in den 90er Jahren wurde Wohnraum für Investoren klar als Renditeoption in den Mittelpunkt gerückt. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank tat ihr Übriges, um Immobilien zum idealen Spekulationsobjekt für Investoren aus dem In- und Ausland zu machen. Seitdem erwerben Immobilienkonzerne flächendeckend Wohnraum in Großstädten und kreieren ein Monopol. Das Ergebnis: In Städten wie Frankfurt haben sich die Preise für Bauland seit 2014 fast verdoppelt; die Preise für Wohneigentum sind ebenso um 50 % gestiegen.

Lösungsansätze zum Wohnungsmangel

Die Gründe für den Wohnungsmangel sind vielseitig, kompliziert und oft nicht umgehend lösbar. Gleichzeitig handelt es sich um ein Problem, das sofortige Lösungen fordert. Ansätze von Verbänden und Experten gibt es zu Genüge:

Baurecht erleichtern

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat sich bereits im ersten Quartal 2024 für eine Reform des Baurechts ausgesprochen. „Aus der Bauwirtschaft höre ich oft, dass bestimmte Komfort-Standards das Bauen stark verteuern. Wir wollen es einfacher machen, auf solche Komfort-Standards rechtssicher zu verzichten - wenn die Beteiligten eines Bauprojekts dies wollen“, so Buschmann gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Nur indem unnötige Standards abgebaut werden, könne der Mangel schnell behandelt werden, so der Minister. „Uns geht es um Standards, die gesetzlich nicht zwingend sind, die aber bei Neubauprojekten oft als vereinbart gelten - wie zum Beispiel in Bezug auf die Trittschalldämmung.“ Um das zu schaffen, muss das Bauvertragsrecht anpassen.

Wohnhäuser aufstocken – wortwörtlich

Matthias Günther vom Pestel-Institut sieht Potenzial in der Erweiterung bereits bestehender Immobilien. Man könne, so die Rechnung von Günther, 2.7 Millionen Wohnungen schaffen, indem bereits existierende Mehrfamilienhäuser um mehrere Etagen erweitert werden. Die Initiative „Architects for Future“ sieht durch dieses Prinzip sogar ein Potenzial für 4.3 Millionen neue Wohnungen aus Bestandsimmobilien. Bis dato scheiterten etwaige Bauvorhaben an bauordnungsrechtlichen Vorgaben wie Schall- und Brandschutz sowie fehlenden Stellplätzen für Autos. Die Lösung sei die Lockerung des Bauordnungsrechts, wo es Sinn macht, so Architektin Ulla Basquè, die sich in der Initiative engagiert.

Unsichtbaren Wohnraum nutzen

Wirtschaftswissenschaftler Daniel Fuhrhop bezieht sich auf Grundprinzipien der Sharing Economy, um Wohnraum besser zu nutzen. Statistiken zufolge werden rund 9 Millionen Wohnungen in Deutschland mit einer Fläche von mehr als 80 Quadratmetern nur von einer Person bewohnt, auf 100 Quadratmetern wohnen nur 2 Personen. Diese Situation entstehe oft durch Erbe oder die Langzeitbewohnung einer Immobilie ohne eine marktgerechte Mietanpassung, vor allem bei Senioren. Der „Mehrraum“ könnte von den Bewohnern sinnvoll – und ergiebig – genutzt werden, zum Beispiel indem „übrige“ Räume an Studenten vermietet werden, so Fuhrhop.

Auch ein Wohnungstausch könne zu einer faireren Wohnraumverteilung führen: So geben knapp 1/3 der Befragten einer Studie des Verband Wohneigentum an, bereit zu sein, ihre größere Wohnung einzutauschen, um Wohnraum besser zu verteilen. Portale wie tauschwohnung.de haben in den vergangenen Jahren auf diese Art rund 5300 Haushalte „umvermittelt“.

Tausch-„Geschäfte“ wie diese, so Geschäftsführer John Weinert, scheitern leider oft an den Vermietern. Deswegen fordert Weinert ein gesetzlich festgeschriebenes Recht auf Tausch.

Erfolgsaussichten? Kompliziert

Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren bereits zahlreiche Einzelmaßnahmen an den Markt gebracht, um den Wohnungsmangel zu adressieren. Jüngst wurde die in den 90er Jahren verlorene Wohngemeinnützigkeit (wieder) im Steuergesetz verankert. Bei einem Wohnbaugipfel im Kanzleramt Ende 2023 wurden weitere Maßnahmen angekündigt, darunter auch weitreichende finanzielle Anreize und der Abbau von Planungs- und Genehmigungshürden.

Diese Lösungsansätze sind grundsätzlich nicht verkehrt und es ist verständlich, dass solch wichtige und umfangreiche Maßnahmen nicht innerhalb von 2 Wochen beschlossen, versiegelt und umgesetzt werden können. Gleichzeitig darf die metaphorisch tickende Uhr der fehlenden Wohnungen – allem voran Sozialwohnungen – zu keinem Zeitpunkt aus den Augen verloren werden. Akute Probleme bedürfen akuter Lösungen. Es ist Zeit, dass die Regierung agil reagiert, statt nur bedacht.

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