Das bayerische Elektroflugzeug-Startup Lilium erwägt offenbar, Deutschland zu verlassen und einen neuen Standort zu finden. Angeblich verhandelt das Management mit der französischen Regierung über Subventionen und Kreditbürgschaften für einen Wechsel in das Nachbarland. Eine weitere Option scheint Lilium-Aufsichtsratschef Tom Enders zu erkunden. Der frühere Airbus-Chef will im September nach China und in die USA reisen, um dort eventuell Investoren zu finden. Ein Unternehmenssprecher von Lilium wollte sich zu den Gerüchten nicht äußern.
Dass Enttäuschung eine Rolle spielt, ist offenkundig. Das Start-up fühlt sich vom Land Bayern und auch der Bundesregierung im Stich gelassen. Volker Wissing, der Bundesverkehrsminister der FDP, gilt zwar als Fan der neuen Technik. Doch für Wirtschaftsförderung ist natürlich das Ministerium von Robert Habeck (Grüne) zuständig. Und der zuckt nicht mal beim Thema Flugtaxis – zu wenig grün, ist offenkundig für ihn entbehrlich, als neue Branche. Tom Enders ist fassungslos über die Gleichgültigkeit und betont: „Den Airbus-Erfolg hätte es ohne Förderung von Deutschland und Frankreich nie gegeben.“
500 beschäftigte Ingenieure warten auf Signal, wie es künftig weitergeht
Jedenfalls wartet das Pionierunternehmen im Süden von München bis heute vergeblich auf einen 100-Millionen-Euro-Kredit von Bund und Land als Anschubhilfe. Lilium beschäftigt aktuell rund 500 Luftfahrtingenieure. Der erste bemannte Flug des vollelektrischen Senkrechtstarters wurde jüngst deswegen auf Anfang 2025 verschoben. Wobei die ersten Maschinen eigentlich bereits 2026 an Kunden ausgeliefert werden könnten. Saudia Airlines hatte gerade geordert und für Euphorie in der Lilium-Belegschaft gesorgt. Es heißt jedoch, dass die Unterstützung der deutschen Behörden eine gewisse Vorbedingung der Lilium-Co-Investoren sei. Es geht um das Erlangen der Serienreife. Und für die braucht es eine Finanzspritze. Die privaten Geldgeber sollen allein 2024 gut 200 Millionen Euro selbst finanziert haben, heißt es.
Immerhin wird Lilium an der US-Börse Nasdaq gehandelt und von rund 70 Geldgebern unterstützt. Luftfahrtexperten verweisen darauf, dass andere E-Flugzeugentwickler etwa in den USA und China staatlich gefördert würden. Ehang zum Beispiel aus Guangzhou. Nach der Absage finanzieller Hilfe aus Baden-Württemberg und Bayern warf unlängst bereits der Chef des E-Flugtaxi-Herstellers Volocopter, Dirk Hoke, der Politik mangelnde Unterstützung vor. Dabei hat Volocopter gerade für Furore in Paris gesorgt, wo es anlässlich der olympischen Spiele unter Realbedingungen seinen E-Helikopter testet.
Lilium ist eine weitere deutsche Flugschmiede, die sich der Elektromobilität am Himmel verschrieben hat und von daher mit Volocopter sowie dem chinesischen Hersteller Ehang um die Pole-Position auf den kurzen Taxi-Strecken kämpft. Das Rennen ist offen, ob sich die kleinen Drohnen-Hubschrauber schneller etablieren können als die etwas komfortableren Mini-Jets, die wie einst die britischen Harrier-Jets als Senkrechtstarter unterwegs sind.
Großbestellung aus Saudi-Arabien verpufft, wenn die Finanzierungslücke weiterhin offen klafft
Bei Lilium in Weßling bei München wiederum hatte man erst vor wenigen Wochen noch an den großen Durchbruch gehofft, als die staatliche Fluggesellschaft Saudia Airlines verlautbaren ließ, bis zu 100 der elektrischen Senkrechtstarter zu erwerben. Die kleinen Elektro-Jets mit bis zu 200 Kilometern Reichweite sollen künftig zwischen Riyadh und dem heiligen Mekka pendeln. Ibrahim Al-Omar von der Saudia-Group sagt: „Diese innovativen Flieger werden ein Game-Changer für den Tourismus, den Sport, Entertainment, da sie eine Premium-Reiseerfahrung zu solchen Zielen ermöglichen.“ Es heißt, schon 2026 sollen die ersten Jets ausgeliefert werden.
CEO Klaus Roewe sagte: „Wir haben insgesamt 106 Flugzeuge fest verkauft und 76 Optionen.“ Für 600 weitere der Jets würden Absichtserklärungen (Memorandum of Understanding) vorliegen. Nun geht es erst mal darum, eine neue Heimat zu finden – wenn sich in der Politik niemand für Lilium engagiert.