Panorama

Schlachtfeld Ampel-Koalition? Scholz bleibt ambitioniert

Der Frust ist spürbar, wenn Kanzler Olaf Scholz über die Arbeit der Ampel-Koalition in den letzten Monaten spricht. "Mühselig" - dieses Wort wiederholt der SPD-Politiker immer wieder. Schon die Bildung der Regierung mit drei Parteien war mühselig, jetzt auch das Regieren selbst, der Haushalt: "mühselig", betont der Kanzler in der Sat.1-Sendung ":newstime spezial" mit dem Titel "Wo steht Deutschland?". Der wiederkehrende Streit hat SPD, Grüne und FDP zunehmend entfremdet.
21.08.2024 07:47
Lesezeit: 2 min

Die Ernüchterung ist offensichtlich. Nicht nur die Wähler zeigen sich in Umfragen mehrheitlich unzufrieden mit der Leistung der Ampel-Koalition, auch innerhalb der Koalition glaubt 13 Monate vor der nächsten Bundestagswahl kaum noch jemand an eine Fortsetzung. Das Vertrauen hat Grenzen erreicht. So offen wie Grünen-Chef Omid Nouripour spricht es jedoch fast niemand aus: Im ARD-Sommerinterview sagte er am Wochenende: "Diese Koalition ist eine Übergangskoalition nach der Ära Merkel."

Scholz und das "Schlachtfeld"

Die Ampel-Koalition als Lückenfüller zu sehen, dieses schonungslose Urteil will Scholz so nicht akzeptieren. "Jede Regierung ist die Regierung vor der nächsten", entgegnet er - und manchmal sei es eben doch dieselbe. Die Ampel-Koalition habe viel erreicht: Schnelligkeit bei der Modernisierung, das Meistern der Energiekrise, die Unterstützung der Ukraine, eine bessere Aufstellung der Bundeswehr. "Aber gleichzeitig ist wahr: Alle diese vielen Entscheidungen sind mühselig errungen und man muss immer befürchten, dass der Pulverdampf vom Schlachtfeld gewissermaßen verdeckt, was tatsächlich passiert ist", gibt er zu. Das sei "natürlich nicht gut".

Mit dem Pulverdampf meint der Kanzler wohl die Kommentare der Ampel-Partner, die anstatt Kompromisse zu loben oft betonen, was besser hätte laufen können. Nouripour spricht von einer seltsamen Lust mancher am Konflikt.

Wie lange kann die Koalition durchhalten?

Das Tischtuch scheint zwischen den Partnern der Ampel-Koalition zerschnitten zu sein. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) zeigte seinen Frust beim Thema Haushalt: In einem Etat von mehr als 450 Milliarden Euro sollte es doch nicht so schwer sein, drei Milliarden zu finden. "Aber wir haben sie halt jetzt nicht gefunden. Wie soll ich sagen: Ist halt so." Die SPD setzt auf eine Reform der Schuldenbremse in einer nächsten Legislatur ohne die FDP. Diese wiederum trifft Entscheidungen, die die Koalitionspartner SPD und Grüne als Provokation empfinden müssen. Jüngstes Beispiel: "Fahrplan Zukunft - Eine Politik für das Auto", ein Papier, das mehr Autos in die Innenstädte bringen will, indem es kostenfreies Parken fördert.

"Eine solche Koalition kann eigentlich nicht weitermachen", analysierte Meinungsforscher Manfred Güllner von Forsa für die "Bild". "Dann sollte man ehrlicherweise diesen Krampf beenden."

Der Appell: Zusammenreißen

Für Scholz ist Aufgeben keine Option. Dass das Regieren mühselig sei, räumt er ein. "Trotzdem muss man sich die Mühe machen", sagt der Kanzler entschlossen. Am Ende zählten die Ergebnisse. Deutschland müsse sich daran gewöhnen, dass Regierungen künftig von Parteien gebildet werden, die nicht immer freiwillig zusammenarbeiten. Tatsächlich sorgen die starken Wahlergebnisse der AfD dafür, dass Parteien auch über bisherige Grenzen hinaus zusammenarbeiten müssen. Einfacher werde es sicher nicht, meint der Kanzler.

Es ist ein unausgesprochener Appell an die Ampel-Koalition, sich zusammenzureißen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) stimmt Scholz zu. "Unsere Aufgabe ist es, für die Bürgerinnen und Bürger das Beste herauszuholen und als Koalition jetzt gut zusammenzuarbeiten in den letzten anderthalb Jahren", sagte sie in Rostock. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) widersprach Nouripours Einschätzung auf X: "Die Analyse ist falsch", schrieb er. Die Ampel arbeite und löse im Gesundheitsbereich einen riesigen Reformstau auf. Die Botschaft: Es ist noch Ambition in der Ampel-Koalition vorhanden.

In der SPD sieht man Nouripours scharfe Aussagen ohnehin als ein sehr frühes Wahlkampf-Manöver. "Das ist eine Initiativbewerbung der Grünen, in der nächsten Regierungskoalition mit der CDU zusammenzuarbeiten", sagte Juso-Chef Philipp Türmer im Deutschlandfunk. Die Ampel müsse durchhalten, da alles andere unverantwortlich sei. Doch eine Fortsetzung der Ampel-Koalition? Auch er hält das für unwahrscheinlich.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Wahlsieger Merz: Trotz Wermutstropfen Rambo-Zambo
23.02.2025

Der CDU-Chef bringt den Vorsprung aus den Umfragen ins Ziel: Die Union gewinnt die Bundestagswahl. Doch ein wichtiges selbstgestecktes Ziel...

DWN
Politik
Politik Historisches Debakel für die SPD: Scholz' Tage sind gezählt
23.02.2025

Trotz Widerstands innerhalb seiner Partei wollte er es noch einmal versuchen – und ist kläglich gescheitert. Die kürzeste Amtszeit...

DWN
Politik
Politik Erwartungen verfehlt: FDP erleidet mit Lindner herbe Wahlniederlage
23.02.2025

Die FDP bleibt unter den eigenen Erwartungen und hat sich von der Krise in der Ampel-Koalition nicht erholt. Parteichef Lindner und seine...

DWN
Politik
Politik Bundestagswahl: Union gewinnt vor AfD, Fiasko für die SPD - droht erneut eine Dreierkoalition?
23.02.2025

CDU und CSU gehen als klare Sieger aus der Bundestagswahl hervor – für die SPD ist es das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Die...

DWN
Politik
Politik Merz triumphiert, Scholz geschwächt: Die Konsequenzen der Wahl
23.02.2025

Deutschland hat entschieden, und es gibt einen klaren Gewinner. Dennoch dürfte die Regierungsbildung herausfordernd werden, da die Zeit...

DWN
Politik
Politik Wie es nach der Bundestagswahl weitergeht
23.02.2025

Nach der Bundestagswahl beginnt die nächste Phase: die Regierungsbildung. Dabei sind zahlreiche Schritte erforderlich, die sich über...

DWN
Politik
Politik Wahlrecht 2025: Kleinerer Bundestag, größere Auswirkungen – Das ändert sich für Wähler und Parteien
23.02.2025

Am Wahltag selbst werden die meisten Wählerinnen und Wähler keinen Unterschied bemerken. Doch hinter den Kulissen verändert sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Schweizer Infrastrukturexperte: "Deutschland war lange der Wirtschaftsmotor Europas – das muss wieder so sein"
23.02.2025

Deutschland kämpft mit maroden Brücken, Straßen, Schienen, Strom- und Kommunikationsnetzen. Der Schweizer Infrastrukturexperte Alexander...