Politik

Trotz knapper Kassen: Wie Deutschland die Ukraine weiterhin unterstützen will

Deutschland bleibt nach dem Willen der Bundesregierung trotz angespannter Haushaltslage einer der zentralen Unterstützer der Ukraine. Wie soll das gelingen?
20.08.2024 05:35
Aktualisiert: 20.08.2024 07:21
Lesezeit: 3 min

"Deutschland ist weiterhin absolut engagiert, und es gilt nach wie vor das Versprechen des Kanzlers, dass die Unterstützung für die Ukraine so lange fortgeführt wird, wie es nötig ist, und dass niemand, insbesondere nicht der russische Präsident, hoffen kann, dass wir nachlassen", betonte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner in Berlin.

Allerdings wird die bisherige direkte Hilfe aus dem Bundeshaushalt teilweise durch multilaterale Unterstützung ersetzt. Diese Umstellung steht jedoch auf unsicheren Beinen, da die internationalen Pläne noch nicht endgültig abgesichert sind. Dennoch versicherte Kanzler Olaf Scholz (SPD): "Damit kann die Ukraine umfangreich Waffen beschaffen. Darauf kann sie zählen."

Ob und wie Deutschland die Ukraine im kommenden Jahr unterstützen kann, bleibt jedoch weiterhin völlig ungewiss.

Höhe der Militärhilfe Deutschlands

Die Bundesrepublik ist nach den USA der zweitgrößte Finanzierer der Ukraine. Rund 7,5 Milliarden Euro hat die Ampel-Regierung in diesem Jahr für "Ertüchtigung", sprich Militärhilfe, vorgesehen. Doch bereits jetzt ist klar, dass diese Summe knapp kalkuliert war: Laut Verteidigungsministerium ist fast alles bereits ausgegeben oder verplant.

Ob noch in diesem Jahr zusätzlicher Finanzbedarf besteht, ist umstritten. Einem Bericht des "Spiegel" zufolge bat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bereits vor Wochen informell um eine Aufstockung in Höhe von fast vier Milliarden. Ein Sprecher seines Ministeriums wollte dies aktuell nicht kommentieren. Laut Finanzministerium liegt bisher keine offizielle Anfrage vor.

Für das nächste Jahr sind im Bundeshaushalt bisher nur vier Milliarden Euro Militärhilfe vorgesehen. Ähnlich war es auch beim Haushalt 2024, wo der Titel später durch den Bundestag aufgestockt wurde. Diesen Spielraum sehen Haushälter für 2025 aufgrund der angespannten Haushaltslage jedoch nicht.

Finanzministerium: Zusätzliche Mittel nur mit stichhaltigem Grund

Finanzminister Christian Lindner (FDP) schrieb deshalb einen warnenden Brief an Pistorius und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Neue Maßnahmen mit finanziellen Verpflichtungen in den kommenden Jahren dürften nur dann ergriffen werden, wenn "eine Finanzierung gesichert ist". Lindners klare Erwartung: "Bitte stellen Sie sicher, dass die festgelegten Obergrenzen eingehalten werden."

Das Finanzministerium ergänzte später, dass kurzfristig geprüft werden könne, ob zusätzliches Geld bereitgestellt werden könne. Der Bedarf müsse jedoch "konkret gemeldet und nachvollziehbar sein", um den Bundestag um weitere Mittel zu bitten.

Hoffnung auf neue Finanzierungsquellen

Weniger direkte Unterstützung bedeutet laut Kanzleramt und Finanzministerium nicht unbedingt weniger Hilfe für die Ukraine. Die großen westlichen Industriestaaten arbeiten derzeit an einem neuen Finanzierungskonzept für die Ukraine.

Im kommenden Jahr soll die Ukraine einen Kredit über 50 Milliarden Dollar erhalten. Zinsen und Tilgung sollen aus den Erträgen eingefrorener russischer Staatsvermögen finanziert werden. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine wurden in westlichen Ländern nach Angaben der US-Regierung etwa 280 Milliarden US-Dollar (rund 260 Milliarden Euro) an russischen Zentralbankgeldern eingefroren. Der größte Teil dieser Gelder befindet sich in der Europäischen Union: nach Angaben der Kommission rund 210 Milliarden Euro. Diese eingefrorenen Gelder generieren jährlich Zinserträge in Milliardenhöhe.

Das Problem: Die Verhandlungen für das Kreditprojekt laufen bereits seit Monaten – eine endgültige Vereinbarung gibt es jedoch noch nicht. "Wir gehen davon aus, dass das bis Ende 2024 gelingen wird", heißt es in der Bundesregierung. Für die Ukraine bedeutet dies jedoch, dass sie mit diesem Geld aktuell noch nicht verbindlich planen kann. Der Kreml sieht die Nutzung dieser Zinserträge zudem als Enteignung an.

"Es wird eine neue Finanzierung – ich sage mal wohl und wahrscheinlich – geben", sagte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) bei einem Termin in Hamburg. Die Ukraine werde dann keine Waffen geschenkt bekommen, sondern Geld, mit dem sie sich Waffen kaufen könne. Dies sei völlig in Ordnung, der Übergang dürfe jedoch nicht zu einer monatelangen Unterbrechung der Unterstützung führen, warnte er.

Welches Signal sendet die Bundesregierung?

Das Vorgehen der Bundesregierung stößt auf heftige Kritik – auch innerhalb der Ampel. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Auswärtiges, Michael Roth von der SPD, sprach in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe von einem fatalen Signal an die Ukraine. Der Kredit über 50 Milliarden sei bei Weitem nicht ausreichend.

Zahlreiche Mitglieder der Grünen-Basis kritisierten in einem offenen Brief, es entstehe der Eindruck, "als sei die deutsche Schuldenbremse wichtiger als das Leben und Überleben einer angegriffenen europäischen Nation". Der Grünen-Vorstand, die grünen Minister und die Bundestagsfraktion müssten dafür sorgen, dass Deutschland seine Zusagen an die Ukraine vollständig erfülle, heißt es in dem Schreiben, über das zuerst der "Tagesspiegel" berichtete.

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte sich ungewöhnlich deutlich: Er erwarte, "dass Deutschland ein großer, europäisch größter Unterstützer der Ukraine bleibt", sagte er am Rande eines Besuchs in Ungarn.

Die Bundesregierung versuchte, die Lage zu beruhigen und aktualisierte ihre Liste mit militärischen Lieferungen an die Ukraine. Bis Jahresende sollen noch vier Iris-T-Luftverteidigungssysteme mit unterschiedlichen Reichweiten geliefert werden, kündigte Büchner an. Dazu kämen zehn Gepard-Flugabwehrpanzer, 16 Panzerhaubitzen, zehn Leopard-Kampfpanzer, Kampfdrohnen und mehrere Tausend Schuss Artillerie- und Panzermunition.

Auch für das kommende Jahr seien der Ukraine mehr als 20 Panzerhaubitzen, 20 Schützenpanzer vom Typ Marder, 37 Leopard-Kampfpanzer, fünf Gepard-Flakpanzer, sechs IRIS-T-Systeme sowie mehrere tausend Schuss Artillerie- und Panzermunition zugesagt. "Deshalb gibt es von der Regierung überhaupt keine Botschaft, dass die Unterstützung eingeschränkt wird."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlandfonds startet: Wie der Staat 130 Milliarden Euro private Investitionen lostreten will
18.12.2025

Deutschland braucht Wachstum, aber der Staat allein kann es nicht finanzieren. Die Bundesregierung setzt deshalb auf einen neuen Hebel: den...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Zinsentscheidung: Leitzinsen der Eurozone bleiben erneut unverändert
18.12.2025

Die EZB-Zinsentscheidung ist gefallen: Wie erwartet lassen die Währungshüter der Europäischen Zentralbank den Leitzins für die Eurozone...

DWN
Immobilien
Immobilien Unser neues Magazin ist da: Urbane Zukunft – von Smart-Cities bis hin zu futuristischen Utopien
18.12.2025

Städte entscheiden, wie Freiheit, Wohlstand und Klimaschutz in der nahen Zukunft zusammengehen. Zwischen Sensoren, Sanierungswellen und...

DWN
Technologie
Technologie SMR in Schweden: Blykalla sichert fast 48 Mio Euro für KI-Energie
18.12.2025

Blykalla sammelt fast 48 Millionen Euro für kleine modulare Reaktoren (SMR) ein. Investoren aus Schweden, den USA und Japan setzen auf...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Steuersenkung in Restaurants: Warum Gäste kaum profitieren
18.12.2025

Die Politik senkt die Mehrwertsteuer in der Gastronomie - wird der Restaurantbesuch damit endlich wieder erschwinglicher? Wohl kaum....

DWN
Politik
Politik Trumps Rede an die Nation: Eigenlob und Schweigen im Walde
18.12.2025

Zwischen Weihnachtsbäumen und Selbstlob inszeniert Donald Trump seine Rede an die Nation als Erfolgsgeschichte. Er verspricht...

DWN
Politik
Politik EU-Gipfel in Brüssel: Streit um russisches Vermögen und Mercosur-Freihandelsabkommen
18.12.2025

In Brüssel beginnt ein EU-Gipfel, der über Milliarden und Handel entscheidet. Es geht um festgesetztes russisches Vermögen, die...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitaler Euro: Kryptowährung für den Euroraum kommt – EU-Finanzminister ebnen den Weg
18.12.2025

Die EU-Finanzminister haben sich zweieinhalb Jahre nach dem Start des Gesetzesverfahrens auf eine Kryptowährung für die Eurozone...