Politik

Angriff statt Defensive: Grüne schalten in den Wahlkampfmodus

Die Grünen haben sich bisher in der Ampel-Koalition zurückgehalten, doch das ändert sich nun. Die klaren Statements sind nicht nur eine Reaktion auf den Schock bei der Europawahl.
22.08.2024 16:27
Lesezeit: 2 min

Rund ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl schalten die Grünen in den Wahlkampfmodus. "Für uns steht fest: So kann es in einer zukünftigen Regierung nicht weitergehen", erklärte die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" (SZ). "Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung der Grünen wird sein, dass die Partner respektvoll, vertrauensvoll, verbindlich und kollegial miteinander umgehen."

Umschalten auf Angriff

Mit anderen Worten: Die aktuellen Probleme in der Koalition aus SPD, Grünen und FPD sind damit nicht gemeint. Es ist ein deutlicher Vorwurf, der sich nahtlos in eine Serie ähnlicher Äußerungen der letzten Tage einreiht. Die Partei, die normalerweise Konflikte intern klärt, hat jetzt den Angriff gewählt.

Parteichef Omid Nouripour bezeichnete die Ampel-Regierung im ARD-Sommerinterview als "eine Übergangskoalition nach der Ära Merkel" und kritisierte eine "befremdliche Lust" am Streit. Diese Wortwahl ist bewusst gewählt; der Begriff "Übergangskoalition" fiel gleich zweimal. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, äußerte gegenüber der "Bild": "Es wird schwierig, wenn ein Partner ständig öffentlich gegen die eigene Koalition arbeitet."

Die Bundestagswahl 2025 wirft ihre Schatten voraus

Die kommenden Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sind für die Grünen ohnehin nicht von großer Bedeutung. Grund für den neuen Ton ist die Bundestagswahl, die bereits deutliche Schatten vorauswirft. Der reguläre Wahltermin ist im September nächsten Jahres. Ein prominentes Grünen-Mitglied nennt mehrere Gründe für die verschärfte Rhetorik.

Da ist zunächst Robert Habeck, der wahrscheinlich als Spitzenkandidat der Grünen in den nächsten Wahlkampf ziehen wird. Er hat inzwischen deutliche Kritik an der FDP geübt.

Zuletzt kritisierte er, dass Teile der Gutachten zum Haushaltsentwurf während der Sommerpause an die Öffentlichkeit gelangten, wofür Christian Lindner verantwortlich gemacht wird. "Solch ein Vorgehen führt immer dazu, dass jemand das Gesicht verlieren könnte oder seine Position revidieren muss", bemerkte Habeck in den Zeitungen der Funke Mediengruppe spitz, ohne Lindner direkt zu nennen.

Lieber Klartext als Schönreden

Das Ringen um den Haushalt und der mühsam nachverhandelte Kompromiss sind mindestens ein Grund dafür, dass das Fass bei den Grünen überläuft. Zudem lastet das desaströse Ergebnis der Europawahl schwer auf der Partei. Sowohl Anhänger als auch Bürger bevorzugen es, wenn Probleme offen angesprochen werden, statt sie zu beschönigen, heißt es. Es könne der Glaubwürdigkeit der Grünen helfen, frühzeitig klare Worte zu finden.

Obwohl die Grünen nun aggressiver auftreten, ist nicht zu erwarten, dass sie die Ampelkoalition vorzeitig verlassen. Dies widerspricht ihrem Selbstverständnis, gerade auch angesichts der US-Wahlen im November. Ein Wahlsieg von Donald Trump könnte Unsicherheit in der westlichen Unterstützung für die Ukraine auslösen, die den Grünen sehr wichtig ist.

Habeck warnte die Ampel-Parteien davor, ein vorzeitiges Ende der Koalition zu riskieren. "Ein leichtfertiges Spiel mit Neuwahlen ist nicht angebracht", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Schließlich stehe im Grundgesetz, dass ein Bundestag für vier Jahre gewählt wird.

Offenheit gegenüber der Union

So problematisch die aktuelle Zusammenarbeit mit SPD und FDP für die Grünen auch ist, die Zukunft bleibt offen. "Wir werden sehr genau prüfen, mit wem wir nach der nächsten Bundestagswahl koalieren", betonte Fraktionschefin Dröge. Und mit Blick auf ihre vier Anforderungen an eine neue Regierung (respektvoll, vertrauensvoll, verbindlich und kollegial): "Das kann auch mit FDP und SPD erfüllt sein. Aber auch andere Konstellationen und Koalitionen sind denkbar – auch mit der CDU." Es werde sich zeigen, welche Mehrheiten möglich seien.

Auch Parteichef Nouripour deutete Bereitschaft zu neuen Bündnissen an. "Wir müssen nach der Bundestagswahl offen sein, natürlich kann man nichts ausschließen", sagte er der SZ. "Auch weil die Veränderungen in der Parteienlandschaft Dreierkonstellationen wahrscheinlicher machen. Die Voraussetzung dafür ist, dass alle bereit sind, die Verantwortung, die sie übernehmen, auch auf Dauer zu tragen und Entscheidungen nicht ständig in Frage zu stellen."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Verbeamtung auf Kosten der Steuerzahler: Massenhafte fragwürdige Last-Minute-Beförderungen der alten Ampelregierung
08.03.2025

Teure Beförderungswelle bei Rot-Grün kurz vorm Ende: „Operation Abendsonne“. In einem Punkt war die Ampel produktiver als die meisten...

DWN
Panorama
Panorama Neue Pandemie der Kurzsichtigen: Augenärzte sprechen von einer Pandemie der Myopie
08.03.2025

Warum Augenoptik ein Handwerk mit großer Zukunft ist: Um 2050 wird Prognosen zufolge die halbe Menschheit kurzsichtig sein. Epidemiologen...

DWN
Panorama
Panorama Preiskrise bei Döner und Burger - Rindfleisch wird knapper und teurer
08.03.2025

Tierschutz, Bürokratie, Fachkräftemangel und EU-Agrarpolitik führen zu einem knapperen Angebot an Rindfleisch in Deutschland. Sowohl...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Jobabbau vs. Fachkräftemangel: Gelingt der deutschen Wirtschaft die Transformation?
08.03.2025

Obwohl immer mehr Berufe automatisiert und rationalisiert werden, fehlen der der deutschen Wirtschaft hunderttausende Fachkräfte. Wie...

DWN
Finanzen
Finanzen In Nordische Small Caps investieren: Eine unterschätzte Chance für Anleger?
08.03.2025

Die weltweiten Aktienmärkte, insbesondere in den USA, haben in den vergangenen Jahren beeindruckende Gewinne erzielt. Mit dieser...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Die Arbeitgeber (BDA) fordern von neuer Regierung: Rentenalter hoch, Leistungen kappen
08.03.2025

Vor Bildung einer neuen Bundesregierung fordern die Arbeitgeber erneut eine Erhöhung des Rentenalters und Einschnitte bei Renten- und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Miele investiert 500 Millionen Euro in deutsche Standorte
08.03.2025

Nach dem massiven Stellenabbau folgt jetzt ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland. Miele wird bis 2028 500 Mio. Euro hierzulande...

DWN
Politik
Politik Kommt sie doch die Pkw-Maut? CSU-Juristen wollen Abgabe für alle
08.03.2025

Das Scheitern der Maut für Autofahrer auf deutschen Autobahnen hat mehr als 240 Millionen Euro gekostet. Nun formiert sich pünktlich zur...