Unternehmen

Fachkräftemangel adé: Arbeitsmarkt stagniert!

Die deutsche Wirtschaft und der Arbeitsmarkt befinden sich auf einer Talfahrt: Sinkende Konjunktur und schlechte Prognosen führen zu weniger Bedarf an Fachkräften. Die Nachfrage sinkt signifikant – und das bei allen Berufsgruppen. Der Fachkräfteindex zeigt, welche Branchen und Berufe gerade einen regelrechten Einbruch erleben.
10.09.2024 08:30
Aktualisiert: 01.01.2030 09:00
Lesezeit: 4 min

Die deutsche Wirtschaft schrumpft weiter: Das Bruttoinlandsprodukt verringerte sich im zweiten Quartal um 0,1 Prozent. Das hat Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: Die Zahl der Arbeitslosen ist im Juli auf 2,8 Millionen angestiegen. Die Bundesagentur für Arbeit verzeichnete einen Rückgang der offenen Stellen auf 703.000.

Wirtschaftsschwäche beeinflusst Arbeitsmarkt

Die Sorgen der Unternehmen bezüglich des Fachkräftemangels scheinen nachzulassen. Laut einer aktuellen Konjunkturumfrage des ifo-Instituts geben lediglich 34 Prozent der Firmen an, nicht genügend qualifiziertes Personal zu finden. Oder suchen sie gar nicht mehr – aus Spargründen?

Eine aktuelle Auswertung legt diese Vermutung nahe: Nach dem Aufwärtstrend der letzten beiden Quartale weist der Index des weltweit führenden Personaldienstleisters Hays im zweiten Jahresviertel 2024 nun einen signifikanten Nachfragerückgang aus: Mit einer Reduktion von 52 Prozentpunkten auf 108 Prozent unterschreitet der Hays Fachkräfte-Index den Tiefstwert aus dem dritten Quartal letzten Jahres und fällt auf den niedrigsten Wert 2021.

Arbeitsmarkt stagniert: Wem betrifft es?

Nachdem es so ausgesehen hatte, dass die Fachkräftenachfrage in den letzten beiden Quartalen von der unsicheren Wirtschaftslage unbeeinflusst bleibt, wirkt sich die wirtschaftliche Stagnation jetzt als deutlicher Faktor auf die Rekrutierung aus.

Personaler: Nachfrageeinbruch bei HR-Stellen

Die generelle Zurückhaltung der Unternehmen bei Stellenausschreibungen wirkt sich – besonders deutlich auf die Berufsgruppe der Personaler aus: Human Resources (auch „Personalwesen“ oder „Personalmanagement“) bezeichnet den Arbeitsbereich, der sich mit den Menschen und Mitarbeitern eines Unternehmens – also den immateriellen Ressourcen – sowie deren Bedürfnisse und Entwicklungsprozesse befasst.

Hier legt der Fachkräfte-Index die deutlichste Kehrtwende hin: mit einem Minus von 92 Prozentpunkten sinken die Stellengesuche auf das Niveau von 2021. „Das Personalwesen legt aktuell einen klaren Fokus auf die Transformation der Organisation. Bisher vorgesehene Planstellen sowie auch angedachte Projekte wurden daher im vergangenen Quartal flächendeckend reduziert. Das zeigt sich vor allem am massiven Rückgang der HR Business Partner und HR-Manager“, fasst Florian Wagner, Bereichsleiter HR Interim & Projects bei Hays zusammen.

Rückgang bei IT-Stellen – auch bei IT-Security Experten

Für die begehrten IT-Fachkräfte verzeichnet das zweite Jahresviertel einen erneuten Rückgang: Nach dem dritten Quartal 20203 unterschreitet die Zahl der Stellenausschreibungen die Marke von 100.000 gesuchten Positionen und fällt positionsübergreifend um 53 Prozentpunkte auf 120 Prozent.

Sehr erstaunlich, in Anbetracht der anstehenden EU-Regularien, ist die Nachfrageentwicklung bei den IT-Security-Experten. Während diese im Vorquartal den deutlichsten Anstieg verzeichneten, weist diese Berufsgruppe nun mit – 119 Prozentpunkten wiederum den stärksten Nachfragerückgang aus. Merklich gesunken sind auch die Stellengesuche für Entwickler-Embedded-Services, IT-Supporter und IT-Architekten.

Andreas Sauer, Bereichsleiter Technology bei Hays zur aktuellen Entwicklung: „Viele Unternehmen haben auf die anhaltend herausfordernde wirtschaftliche Situation, mit Umstrukturierungen und Sparmaßnahmen reagiert, denen auch neu geplante Stellen zum Opfer gefallen sind.“

Stellengesuche für Ingenieure sinken

Mit einer Reduzierung von 47 Prozentpunkten auf 79 Prozent sinkt der Bedarf an Ingenieuren positionsübergreifend auf den niedrigsten Wert seit Q3/2021. Stellenspezifisch schrumpft bei den zahlenmäßig stark vertretenen Berufsgruppen die Nachfrage nach Projektingenieuren überdurchschnittlich stark, bei den der Elektro- und Bauingenieuren weniger.

Nur geringe Minuswerte sind bei den Chemieingenieuren sowie den Maschinen-/Anlagenbauingenieure auszumachen.

Als Hauptursache für den Rückgang sehen die Experten die wirtschaftliche Unsicherheit, die zu einer Verringerung der Investitionen in neue Projekte und zu einem Abbau führen, wie in der Automobilbranche.

Sales: Digital-Marketing-Stellen stark rückläufig

Auch bei der zweitgrößten Berufsgruppe, den Sales- und Marketing-Spezialisten zeigen sich die Unternehmen verhaltener als zuletzt, insgesamt sinkt die Nachfrage um 52 Prozentpunkte auf 81 Prozent.

Eine deutlich reduzierte Anzahl an Stellengesuchen sind bei dem im Vorquartal stark nachgefragten Digital-Marketing-Experten auszumachen. So sinkt die Nachfrage bei den Social-Media-Managern um ganze 227 Prozentpunkte und den Content-Managern um 170 Prozentpunkte.

Gleichzeitig gibt es in den letzten drei Jahren eine enorme Steigerung des Suchvolumens nach Vertriebsmitarbeitern, Vertriebs- und Sales Managern sowie Key-Account-Managern.

KI kommt: Bedarf an Finanz-Fachkräfte auch rückläufig

Auch bei den Finanz-Experten sind die Unternehmen im zweiten Quartal zurückhaltender als zuletzt. Verglichen mit anderen Berufsgruppen und dem Durchschnitt fällt der Rückgang von 32 Prozentpunkten in diesem Bereich noch am geringsten aus.

Der Blick auf die Positionen zeichnet aber ein gemischtes Bild: Die im ersten Quartal verstärkt nachgefragten Tax- und Compliance-Manager verzeichnen deutliche Rückgänge – Buchhaltern, Risikomanager und Controller weniger.

Dass der Bedarf im Finanzbereich weniger zurückgeht, erklären die Personalexperten mit dem konjunkturunabhängigen Recruitment. Spannend ist aber die Feststellung: „Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz werden bereits Teile der Aufgabenstellungen im Finanz- und Rechnungswesen übernommen“, erläutert Erich Schwinghammer, Bereichsleiter Finance und HR bei Hays.

Unternehmen schreiben generell weniger Stellen aus

Schlussfolgerung: In Anbetracht der Entwicklung der einzelnen Branchen sind sinkende Nachfragewerte über alle Industrien hinweg festzustellen, außer im Bereich der öffentlichen Verwaltung

„Im Gegensatz zum vorherigen Quartal zeigt sich deutlich, wie stark Unternehmen ihre Investitionen zurückhalten. Viele fokussieren sich auf die technologische und organisatorische Transformation mit vorhandenen Ressourcen. Dabei ist es jetzt wichtig, bisher ungenutzte Beschäftigungsoptionen am Markt zu nutzen, um Potenziale zu heben und wettbewerbsfähig zu bleiben: Hochqualifizierte Bewerbende steigern die Produktivität, flexible Arbeitsmodelle fördern die Vereinbarkeit von Karriere und Familie und vermeiden soziale Ungleichheit“, ordnet Alexander Heise, Hays CEO Deutschland und CEMEA die aktuelle Entwicklung ein.

Der Hays-Fachkräfte-Index basiert auf einer quartalsweisen Auswertung der index Internet und Mediaforschung GmbH für Hays. Einbezogen werden Stellenanzeigen der meistfrequentierten Online-Jobbörsen, von Tageszeitungen sowie dem Business-Netzwerk Xing. Der Fachkräfte-Index zeigt die prozentuale Veränderung zum Ausgangswert vom 1. Quartal 2015 an. Die Prozentpunkte beziehen sich auf die Veränderung zu einem anderen Erhebungsquartal.

 

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft CO2-Zertifikate: Europas Aufschub, der Autofahrer teuer zu stehen kommt
15.11.2025

Europa verschiebt den Start seines neuen CO2-Handelssystems – doch die Benzinpreise werden trotzdem steigen. Während Brüssel von...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
15.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzielles Notfallpaket: So sichern Sie Ihr Vermögen in Krisenzeiten
15.11.2025

In Zeiten wachsender Unsicherheiten rückt neben Notvorräten und Fluchtplänen auch die finanzielle Absicherung in den Fokus. Marek...

DWN
Politik
Politik Für einen Kampfjet braucht es 400 Kilogramm seltene Erden: Europa im Wettbewerb mit China und den USA
15.11.2025

Seltene Erden sind zu einem entscheidenden Faktor in globalen Machtspielen geworden und beeinflussen Industrie, Verteidigung und Hightech....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klassengesellschaft 2.0 – Warum Demokratie ohne soziale Gleichheit zerbricht
15.11.2025

In Deutschland redet kaum jemand über Klassen – als wäre soziale Herkunft heute keine Machtfrage mehr. Doch die Soziologin Prof. Nicole...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzblasen 2025: Wo der nächste große Crash drohen könnte
15.11.2025

An den Finanzmärkten steigt die Nervosität. Künstliche Intelligenz treibt Bewertungen auf Rekordhöhen, Staaten verschulden sich wie nie...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienpreise: Boom zu Neuverträgen – eine Prognose
15.11.2025

Laut ifo sind Neuverträge in Großstädten um 48 Prozent teurer als Bestandsverträge. Das, so Experten, ist nicht nur ein Problem für...

DWN
Finanzen
Finanzen So profitiert Trumps Familie im Kryptosektor: CZ-Deals bringen Milliarden
14.11.2025

Der Fall um Čangpeng Žao und die Trump Familie wirft ein Schlaglicht auf die Verknüpfung von Kryptowährungen, Finanzströmen und...