Politik

DWN-Interview: Reparatur der gesprengten Nordstream-Pipelines wäre möglich – doch die Zeit drängt

Lesezeit: 7 min
31.08.2024 06:01
Eyk-Uwe Pap, Geschäftsführer der Firma „Baltic Diver Germany“ ist im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten und spricht über das Arbeiten unter Wasser, die Dringlichkeit, Munitionsaltlasten aus der Ostsee zu bergen und die Möglichkeiten, die Nordstream-Pipelines wieder in Gang zu setzen.
DWN-Interview: Reparatur der gesprengten Nordstream-Pipelines wäre möglich – doch die Zeit drängt
Laut Eyk-Uwe Pap stellt die Munition, die unten vor sich hin rostet, ein gigantisches Umweltproblem dar. (Foto: Baltic Diver Germany)

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DWN: Sie sind Geschäftsführer der Firma Baltic Diver Germany. Was ist das für eine Firma?

Eyk-Uwe Pap: Baltic Diver Germany wurde im November 1992 von meinem Bruder Jens und mir als klassisches Taucherei- und Bergungsunternehmen gegründet. Das heißt, wir sind jetzt als maritimer Dienstleister mit der Spezialisierung Unterwassertechnologie seit 32 Jahren auf dem Markt.

Wir bieten also mit unserem eigenen Ingenieurbüro, das wir hier im Hause haben, diverse Dienstleistungen auf hoher See, vor der Küste, im Hafen oder auch im Binnenland an, um auf- oder unter Wasser Probleme zu lösen, Dinge zu reparieren, neu zu bauen, Munition aus dem Meer zu heben, Schiffe zu bergen, Öl aufzufangen.

Wir rammen Pfähle und bauen Steganlagen, bauen alte Kabel aus, bieten also diverse Dienstleistungen als Mischbetrieb mit der Spezialisierung Unterwassertechnologie an. 10.000 erfolgreich abgewickelte Projekte in 35 Ländern dieser Erde, machen uns sehr stolz.

DWN: Ist immer alles gut gelaufen?

Eyk-Uwe Pap: In all den 32 Jahren haben wir nicht einen Tauchunfall gehabt.

DWN: Wie sind Sie zu diesem Beruf gekommen?

Eyk-Uwe Pap: Ich und mein Bruder waren schon immer Wasserenthusiasten. Wir konnten schwimmen bevor wir laufen, und tauchen bevor wir laufen und schwimmen konnten. Das kommt nicht von ungefähr. Unser Elternhaus liegt direkt an einem Ostseestrand. Wir sind Nachfahren einer Jahrhundert Jahre alten Seefahrerfamilie. Mein Großvater war Kapitän und Segler, mein Vater war Marineoffizier. Also wenn Sie direkt am Strand aufwachsen als kleiner Bengel und dann noch technisch interessiert sind – und das waren und sind mein Bruder und ich – also wenn sich zur Unterwasserliebe so ein Interesse für und eine Affinität zur Technik gesellen, dann ist ein Beruf wie unserer wie ein Sechser im Lotto.

DWN: Sind Sie eigentlich lieber über oder unter Wasser?

Eyk-Uwe Pap: Unter Wasser. Da bist Du in einer ganz anderen Welt. Du bist alleine da unten mit dieser fantastischen Natur, und da ist diese totale Ruhe. Vielleicht lässt sich das vergleichen mit einem Raumfahrer. Du bist in einem ganz speziellen Raum, in einer ganz speziellen Umgebung und erledigst als Multifunktionshandwerker deine Aufgaben. Dafür hast du mal mehr oder mal weniger Hilfsmittel und du bist sowohl im kristallklaren Wasser unterwegs als auch im schwarzen Wasser, wo du gar nichts siehst. Das heißt, du bist unter Wasser und hast den vielseitigsten Beruf der Welt.

Und doch bist Du, wenn du tauchst, nie alleine bei uns. Du bist immer Teammitglied. Das heißt, deine Kollegen oben auf dem Boot überwachen deine Tätigkeit unter Wasser und wenn irgendwann irgendwas schiefläuft, holen sie dich auch raus. In unserem Team kann jeder jedem vertrauen.

DWN: Gibt es denn da unten etwas, was eine besondere Herausforderung darstellt?

Eyk-Uwe Pap: Die Bergung eines gesunkenen Schiffes oder Wracks ist besonders schwer, weil es immer ein höchst komplexes Unterfangen ist. Und das ist immer spannend. Also das ist jedes Mal anders, es ist nie ein Standard-Projekt. Wenn es da gut läuft, gibt es durchaus auch einmal einen Jubelschrei.

DWN: Sie sagten eingangs, dass auch die Bergung von Munition zu Ihren Aufgaben gehört. Können Sie dies erläutern?

Eyk-Uwe Pap: Dabei geht es um Munition, also etwa Seeminen und Torpedos, aus dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Mit moderner Munition hingegen befassen wir uns nicht. Wie funktioniert das? Also zunächst einmal muss die Munition gesucht werden und das ist sehr aufwendig. Dafür gibt es spezielle Technologien mit Magnetometern. Stoßen wir auf einen ferromagnetischen Verdachtspunkt – so der Fachbegriff – geht es los. Jetzt muss die Munition freigelegt, identifiziert und klassifiziert werden: Um was für einen Typ Munition handelt es sich, wie hoch ist das Risiko, dass sie explodiert, ist sie transportfähig oder nicht. Das entscheidet der leitende Feuerwerker. Wird die Munition an Land verbracht, um sie dort zu entsorgen oder wäre das zu heiß und sollte sie vor Ort gesprengt werden.

DWN: Und warum lässt man die Munition nicht einfach im Wasser? Unglücke scheinen sich bisher ja nicht ereignet zu haben – jedenfalls hört man davon nichts.

Eyk-Uwe Pap: Weil die Munition, die da unten vor sich hin rostet, ein gigantisches Umweltproblem darstellt. Wenn die Behälter, in denen sich der Sprengstoff befindet, durchrosten, wird der freigesetzt, also beispielsweise TNT, verseucht den Seegrund und die gesamte Umwelt, die ganze Fauna und die ganze Flora. Wenn wir das Zeug da nicht rausholen, kannst Du irgendwann keinen Fisch aus der Ostsee mehr essen, da können wie die Uhr danach stellen. Es gibt spezielle Sperrgebiete in der Ostsee, beispielsweise im Raum Bornholm, da ist Angeln verboten, weil da auf dem Grund so viel Munition liegt, auch chemische Munition, dass der gesamte Seegrund dort arsenverseucht ist und die Fische nicht mehr essbar sind. Die gesamte Nahrungskette ist bereits jetzt in Gefahr. Wenn wir uns nicht sputen und das Zeug da rausholen, wird die Ostsee in zehn bis zwanzig Jahren nur noch ein riesiger toter Tümpel sein.

DWN: Wäre es denn möglich, die Ostsee innerhalb von 10 bis 20 Jahren vollständig zu räumen?

Eyk-Uwe Pap: Wenn die beteiligten Parteien nicht bald an einen Tisch kommen, Geld bereitstellen und die Altlasten beseitigen, stehen wir vor einem ernsthaften Problem. Es heißt oft, die Deutschen sollten dafür zahlen. Aber viele Politiker sagen heute, sie hätten das ja nicht ins Wasser geworfen. Denn das waren Engländer und Amerikaner. Doch letztlich müssen sich alle Beteiligten zusammensetzen und gemeinsam eine Lösung finden. Glücklicherweise hat die Bundesregierung jetzt eine Initiative gestartet, um Erkenntnisse über die notwendigen Technologien zu gewinnen. Ziel ist es, die Munition systematisch aus dem Wasser zu holen und auf See zu vernichten, da an Land nicht genügend Kapazitäten zur Verfügung stehen.

DWN: Das klingt nach einem aufwendigen Prozess.

Eyk-Uwe Pap: Ja, die Bundesregierung hat 100 Millionen Euro für ein Pilotprojekt bereitgestellt, das dieses und nächstes Jahr in der westlichen Ostsee durchgeführt wird. Dabei sollen an ausgewählten Stellen Munitionen geräumt werden. Die Ergebnisse werden protokolliert, um zusammen mit Behörden, Umweltverbänden und der Regierung zu lernen, wie effektiv wir sind und welche Technologien noch fehlen. Ziel ist es, in den kommenden Jahren einen umfassenden Plan zu entwickeln.

DWN: Ihr Unternehmen war der einzige gewerbliche Unterwasserdienstleister, der eine Inspektion an einer der Nord Stream-Pipeline-Strecken durchführen durfte, richtig?

Eyk-Uwe Pap: Ja, wir waren der einzige gewerbliche Unterwasserdienstleister. Doch neben uns waren auch hoheitliche Spezialisten aus verschiedenen Ländern vor Ort. Die Arbeit in solch großer Tiefe erfordert erhebliche Vorbereitungen und kann nicht einfach nebenbei erledigt werden.

DWN: Wir wirkt die Hypothese auf sie, dass sechs Personen mit einer Yacht rausgefahren sind und eben mal runtergetaucht sind, um die Pipeline zu sprengen?

Eyk-Uwe Pap: Ich habe meine eigenen Ansichten dazu, doch die möchte ich hier nicht kundtun.

DWN: Die Sprengung der Nord Stream Pipeline hat doch sicher großen Umweltschaden verursacht, oder?

Eyk-Uwe Pap: Ja, da ist ein erheblicher Schaden entstanden. Die Umgebung sieht aus wie eine Mondlandschaft, und das austretende Gas hat die Umwelt stark belastet. Besonders die Dänen sind besorgt und führen umfangreiche Messungen durch.

DWN: Ist eine Reparatur der Pipeline prinzipiell möglich?

Eyk-Uwe Pap: Natürlich, aber es erfordert den Austausch von mehreren Kilometern Rohrleitung, um wieder „gesundes Fleisch“, wie wir sagen, also intakte Bereiche zu erreichen. Die Reinigung der Pipeline ist sehr aufwendig und wird dann mit sogenannten Molchen durchgeführt – hochentwickelten Geräte, die durch die Leitung sausen, um sie zu reinigen und zu prüfen.

DWN: Ist dieser Prozess teuer?

Eyk-Uwe Pap: Ja, die Reparatur würde viele Millionen Euro kosten, ist aber technisch möglich, wenn auch sehr aufwendig. Da kommt sehr, sehr viel Elektronik, Sensorik, Messtechnik, Antriebstechnik, Reinigungstechnik zum Einsatz, also das ist im Grunde wie Weltraumtechnik, das ist schon eine hohe Schule. Doch wie lange der Stahl – es handelt sich um Feinkornstahl, der aus Deutschland kommt - der Korrosion standhält, kann ich nicht genau sagen. Da sollte man sich besser beeilen. Stand jetzt wäre mit genügend finanziellen Mitteln eine Wiederherstellung machbar.

DWN: Und Ihr Unternehmen wäre an einem Wiederaufbau beteiligt?

Eyk-Uwe Pap: Ja, wir sind bereits involviert, insbesondere beim Rückbau der beschädigten Teile. Wir setzen dabei Roboter und Krantechniken ein, aber der eigentliche Neubau erfolgt automatisiert durch spezialisierte Rohrleger. Die schweißen die Rohre nach höchstem Stand der Technik auf einem Rohrverlegeschiff zusammen und legen dann das Rohr dann sachte auf den Seegrund ab.

DWN: Ihr Unternehmen war auch an der Untersuchung des Estonia-Wracks beteiligt, korrekt?

Eyk-Uwe Pap: Ja, wir waren die ersten vor Ort nach dem Untergang und haben später mit modernster Scanning-Technologie das Wrack untersucht. Dabei haben wir mögliche Schäden und Anomalien sehr genau erfasst.

DWN: Weiß man inzwischen, warum die Estonia gesunken ist?

Eyk-Uwe Pap: Es gibt Vermutungen, dass schlechtes Wetter und verrutschte Ladung eine Rolle spielten, aber der genaue Grund ist nach wie vor unklar. Traurig ist, dass bei dem Unglück 855 Menschen ums Leben kamen, was eine Tragödie ist.

DWN: Welche Zukunftspläne haben Sie?

Eyk-Uwe Pap: Unser Ziel ist es, mit Partnern und Instituten wie dem Fraunhofer Institut neue Technologien zu entwickeln, insbesondere ferngesteuerte Roboter. Dazu haben wir das Digital Ocean Lab vor Warnemünde aufgebaut, ein großes Testfeld für Unterwassertechnologien, das auch von der Bundesregierung unterstützt wird. Wir möchten als deutsches Unternehmen weiterhin in Deutschland bleiben und hier Innovationen vorantreiben.

DWN: Das klingt nach einem spannenden Projekt.

Eyk-Uwe Pap: Absolut. Wir freuen uns, in Deutschland zu arbeiten und wollen hier bleiben, auch wenn es manchmal schwierig ist. Wir halten die Fahne hoch und arbeiten gerne in diesem Land.

Info zur Person: Eyk-Uwe Pap ist Geschäftsführer der Firma Baltic Diver Germany. Mit seiner langjährigen Erfahrung hat er sich auf den Einsatz und die Koordination von Tauch- und Unterwasserarbeiten spezialisiert.


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