Politik

Bürokratiewahnsinn und keine Trendwende: Kosten für Wirtschaft steigen ungebremst

Deutschlands Wirtschaft schrumpft, der Verwaltungsaufwand steigt: Meldepflichten, Anträge oder Anzeigen – die Bürokratiekosten für Unternehmen sind auf 67 Milliarden angestiegen! Die Bundesregierung räumt das auf AfD-Anfrage ein – stellt sich dennoch ein gutes Zeugnis aus. Wie begründet die Ampel das? Und Überraschung: Habecks Ministerium verursacht den meisten Aufwand. Was sagen die Zahlen und welchen Anteil machen Informationspflichten aus?
24.08.2024 15:53
Aktualisiert: 01.01.2030 09:00
Lesezeit: 3 min
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Die EU hatte sich vorgenommen, den staatlich veranlassten Verwaltungsaufwand für die Wirtschaft um 25 Prozent zurückzufahren. Doch für deutsche Unternehmen ist kein Land in Sicht. Die Ausgaben für bürokratische Anforderungen wachsen immer weiter: Die Kosten für Unternehmen in Deutschland sind im laufenden Jahr auf 67 Milliarden Euro (Stand: 31. März) gestiegen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion im Juli hervorgeht. Dabei sind in der aktuellen Berechnung bereits beschlossene, jedoch noch nicht in Kraft getretene Maßnahmen nicht enthalten, wie die Ampelregierung in ihrer Antwort einräumt.

2023 betrugen die Kosten für bürokratische Vorgänge 66 Milliarden Euro, 2022 waren es 65 Milliarden. Fazit: Sie liegen damit um rund eine Milliarde Euro höher als im Vorjahr und um zwei Milliarden Euro höher als 2022!

Regierung: „Bürokratiekosten auch gesunken“

Bei der Frage, in welchem Umfang die jährlichen Bürokratiekosten für die Wirtschaft reduziert werden konnten, gibt sich die Regierung zufrieden. Seit der aktuellen Amtszeit seien – „betrachtet man ausschließlich die durch bundesrechtliche Änderungen seit Beginn der 20. Legislaturperiode bis zum 31. März 2024 verursachte Entwicklung der Bürokratiekosten“ – so sind diese im Saldo um etwa 2,4 Milliarden Euro gesunken.

Die Bundesregierung erklärt dazu: „Ein kontinuierliches Wachstum der Bürokratie wird durch das Fehlen von Anreizen für öffentliche Verwaltungen verstärkt, bürokratische Prozesse zu optimieren und zu reduzieren. Politische Entscheidungsträger neigen dazu, auf neue Probleme mit weiterer Regulierung zu reagieren, was die Bürokratie zusätzlich aufbläht.“

„One in, one out“-Regel wird nicht eingehalten

Zudem fragte die AfD die Ampel nach der Wahrung der 2015 – damals noch von der Großen Koalition eingeführten – „One in, one out“-Regel. Diese besagt, dass jedes Mal, wenn einem Unternehmen durch ein neues Gesetz Mehrkosten entstehen, an anderer Stelle eine Vorgabe mit demselben finanziellen Aufwand verschwinden muss. Die Bundesregierung räumte ein, dass diese Regel bei einigen Vorhaben wie etwa der Digitalisierung der Verwaltung nicht zur Anwendung komme. Sie begründete das mit der Wichtigkeit des Projektes; es handele sich dabei um „eine Daueraufgabe“.

Habecks Ministerium verursacht größten Aufwand

Die meisten Gesetze, die die Unternehmen bürokratisch beeinträchtigen, stammen laut Bundesregierung aus dem von Robert Habeck (Grüne) geführten Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz – es sind 82 Gesetze und 368 Verordnungen zur Informationserhaltung und Berichtspflicht.

Dahinter rangiert das Bundesfinanzministerium von Christian Lindner (FDP) mit 112 Gesetzen und 109 Verordnungen. Es folgen das Verkehrsministerium (63 Gesetze, 135 Verordnungen) und das Gesundheitsministerium (57 Gesetze, 70 Verordnungen). Insgesamt berichtet die Bundesregierung von 613 einschlägigen Gesetzen sowie 1029 Verordnungen sowie 33 weiteren Normen, die bürokratischen Aufwand verursachen.

Höchststand: Deutschland – ein Land der Gesetze und Regeln

Die Anzahl der Gesetze, Verordnungen und Einzelnormen nahm in den vergangenen Jahren kontinuierlich zu, sodass Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eine Verschlankung der Gesetzgebung fordern, um die bürokratischen Abläufe zu vereinfachen.

Zum 01. Januar 2024 waren 1.792 Gesetze mit 52.155 Einzelnormen und 2.854 Rechtsverordnungen auf deutscher Bundesebene in Kraft. Unter den zahlreichen Gesetzen und Rechtsverordnungen sind weitere Einzelnormen beinhaltet. Im Vergleich: Im Januar 2014 waren noch es 1.669 Gesetze mit 44.214 Einzelnormen und 2.720 Rechtsverordnungen.

Steigende Informationspflicht für Unternehmen

Ob Meldepflichten, Anträge oder Anzeigen – Unternehmen in Deutschland klagen zu Recht über zu viel Bürokratie, wie die Zahlen zeigen: Demnach müssen in Deutschland tätige Unternehmen heute fast 16 Prozent mehr Informationspflichten erfüllen als noch vor zehn Jahren.

Laut Statistischen Bundesamts gab es zu Beginn dieses Jahres insgesamt 12.265 Informationspflichten. Im Vergleich: Anfang 2022 waren es 12.001 und Januar 2014 nur 10.592 Informationspflichten. Inzwischen müssen Unternehmen schon Informationspflichten aus 1.675 Bundesnormen erfüllen. Demnach hat die Ampel in der 20. Wahlperiode 94 Normen mit neuen Informationspflichten für Unternehmen eingeführt. Dagegen wurden nur 19 solcher Normen abgeschafft.

Informationspflichten bedeutet, dass Unternehmen aufgrund bundesrechtlicher Regelungen Daten oder sonstige Informationen beschaffen, übermitteln oder verfügbar halten müssen. Dabei geht es beispielsweise um Meldepflichten, Anträge und Anzeigen.

AfD spricht von „Etikettenschwindel“

Leif-Erik Holm, der wirtschaftspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, sagt in einer Pressemitteilung, die Bürokratiekosten seien „neben der Steuerbelastung und hohen Energiekosten eines der Hauptprobleme von Unternehmen“. Statt, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, die Wirtschaft zu entlasten, vergrößere die Ampel „den bürokratischen Wust“. Das sei „Etikettenschwindel“.

Ausblick: IV Bürokratieentlastungsgesetz

Die Bürokratie in Deutschland nimmt überhand – und wird zu einem zunehmenden Standortnachteil für deutsche Unternehmen. Wirtschaftskreisläufe werden massiv durch Regelung und Bürokratie beeinträchtigt. Im Interesse der deutschen Wirtschaft und der Bürger muss die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen endlich Priorität haben, auch weil sich die Bedingungen auf dem Weltmarkt verschärfen.

Das vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) verspricht seit langem, wovon alle im Land träumen: weniger Bürokratie, mehr Fortschritt. Der Mittelstand fordert bereits nachzuschärfen. Die Koalition will mit einem großen Wurf bei der Bürokratieentlastung nach der Sommerpause starten. Doch wann der Entwurf verabschiedet werden kann, steht in den Sternen.

Ob die Regierung Mut zu Veränderungen hat? Noch scheint die Regierung handlungsunfähig. Derweil schwindet das Vertrauen in den Staat und die Geduld der Bürger und Unternehmer zusehends.

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Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

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