Politik

Kritik an Klara Geywitz: Was ist nur aus dem geplanten Bau-Turbo geworden?

Lesezeit: 4 min
30.08.2024 06:01
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) wird immer mehr zum Totalausfall auf der Regierungsbank. Von den von ihr propagierten 400.000 neuen Wohnungen kann keine Rede mehr sein. Jetzt liegt endlich ihr Entwurf für die seit langem angekündigte Novelle des Baugesetzes vor. Ihre großen Versprechen wurden herausgestrichen. So wir es sicher nichts mit dem Aufschwung in der Bauwirtschaft - und mit dem Ende der Wohnungsnot erst recht nicht.
Kritik an Klara Geywitz: Was ist nur aus dem geplanten Bau-Turbo geworden?
Klara Geywitz (SPD), Bundesbauministerin, besucht auf ihrer Sommerreise die Produktion des japanischen Modulbaukonzerns Daiwa House Group und steht hier in einem Rohbau einer Modulwohnung. (Foto: dpa)
Foto: Patrick Pleul

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Klara Geywitz wurde in den Wendejahren als Punkerin in der Potsdamer Hausbesetzer-Szene sozialisiert. Damals standen in der königlich-preußischen Residenzstadt verfallene Häuser leer und luden zur Inbesitznahme förmlich ein. Heute indessen sind selbst die Parkbänke im Schloss Sanssouci besetzt. Die Wohnungsnot geht so weit, dass sie sich mittlerweile in der Obdachlosen-Statistik niederschlägt. Die SPD-Ministerin ist angetreten, das alles zu ändern. Seit der letzten Bundestagswahl versprach sie den großen Wurf bei Veränderungen im Baugesetzbuch. Die Novelle wurde sogar als Bau-Turbo etikettiert.

Seit Juli liegt nun der Referentenentwurf vor. Anfang September will die Bundesregierung das neue Gesetz beschließen und dem Gestzgeber im Bundestag vorlegen. Nun trudeln nach und nach auch die Noten und Beurteilungen der Experten aus der Bai- und Immobilienbranche ein. Im Schnitt scheint nicht einmal ein Ausreichend in Sicht. „Der Berg kreißte und gebar eine Maus“, würde man sagen, um die Kritik freundlich (mit den Worten des römischen Dichters Horaz) zu formulieren. Der Oberlehrer hält die Versetzung für gefährdet. Von Befreiungsschlag keine Spur. 125 Seiten und trotzdem mangelhaft!

Schöne neue Bauwelt - billiger wird es nicht

Geywitz schwärmt von einem modernen und zeitgemäßen Baurecht. Detailverliebt hat sie sich diese Jahr in Sachfragen eingegraben und sich von Baustelle zu Baustelle chauffieren lassen. Nach Sachsen zum Beispiel, um den Baufortschritt einer Sporthalle einer Grundschule in Dresden-Plauen zu inspizieren. Dort wird das erste öffentlichen Gebäudes mit Carbonbeton errichtet. Eine geradezu sinnliche Erfahrung. Ob es das Bauen wirklich billiger macht, geht in der Begeisterung unter – oder wird elegant verschwiegen. Die Kosten sind der größte Nachteil des zukünftigen Baustoffes. Ein Kilogramm Stahlbeton kostet in der Herstellung etwa ein Euro, ein Kilo Carbonbeton gut 20 Euro. Beim Bau einer Schule ist das natürlich kein Problem – die Hosentaschen des Steuerzahlers sind bekanntlich tief. In Zeiten grüner Ideologie zählt: Carbonbeton reduziert den Energiebedarf und CO₂-Ausstoß extrem. Das bedeutet Fortschritt und wird zumindest mal von den Koalitionspartner in der Ampel goutiert.

Zwei Jahre lang wurde herumgedoktert. Es herrschte anfangs noch große Zuversicht. Im vergangenen Herbst rechneten bereits alle mit einem schnellen Gesetzentwurf. „Die Koalition hat sich einiges vorgenommen“, versprach Elisabeth Kaiser (SPD), parlamentarische Staatssekretärin im Bauministerium, auf einer Fachtagung des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen (DV) in der Berliner Ufa-Fabrik. Ein „Bau-Turbo“ sollte (in Tradition von Doppel-Wumms und Bazooka des Bundeskanzlers) für Tempo im Wohnungsbau sorgen. Die erhoffte Revolution entpuppt sich als laues Lüftchen. Viele schöne Ideen und Überschriften! Dann scheint das anfängliche Teamwork mit den baupolitischen Sprechern der Regierungsparteien zerfasert zu haben. Das Ministerium hat in der Konsequenz jedenfalls wohl passagenweise Innovationen und Bau-Beschleuniger aus dem Gesetzentwurf gestrichen.

Kleines Konjunkturprogramm? Experten lachen

Geywitz glaubt immer noch „ein kleines Konjunkturprogramm für die Baubranche“ aufs Gleis gesetzt zu haben. Entsprechend groß ist jetzt die Enttäuschung bei den Profis. Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW findet, das Papier bleibe unter dem Strich „weit hinter dem Machbaren und Notwendigen zurück“. „Weder Investitionsimpulse noch ein Ruck in der Baubranche“ seien zu erwarten, bedauern die Vertreter der kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen.

„Entgegen der Zielsetzung wird das bezahlbare Bauen im Ergebnis nicht vereinfacht und beschleunigt“, klagt der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). Die Baumeister, Architekten und Ingenieure im BDB ahnen bereits: von Dämpfung der Kostenexplosion“ nicht zu spüren. So heißt es für die Mitglieder weiter Däumchen drehen und nach Baufirmen suchen, die den Dip am Immobilienmarkt überhaupt überlebt und nicht etwa ihre Mitarbeiter nach Hause geschickt haben.

Was fehlt und interner Widerstände zum Opfer fiel

Als vermeintliche Wunderwaffe propagierten Geywitz und ihre Staatssekretärin Kaiser den Paragraf 246e. Mit ihm hatte die Bundesregierung jene Sondervorschriften erlassen, die den quicken Bau von Flüchtlingsunterkünften ermöglichten: Die Hoffnung war, diese Regel jetzt auch auf den Mietwohnungsbau zu übertrage. Nach Meinung des Spitzenverbandes der Immobilienwirtschaft ZIA hätten damit (ohne langwierige Abstimmungsprozesse) Grundstücke zum Wohnungsbau herangezogen werden können. Die Architektenschaft gibt sich überzeugt, der Paragraf hätte das Baugeschehen „für einen befristeten Zeitraum und in Gebieten mit besonderer Wohnungsnot ankurbeln können“. Der Wirtschaftswissenschaftler Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hofft immerhin, dass der Passus im Gesetzesverfahren wieder „rein verhandelt“ wird. Die Zuversicht stirbt also wohl erst während der anstehenden parlamentarischen Verhandlungen.

Gesetzesvorrang für Wohnungsbau eine Utopie

Der GdW indessen hat sogar auf eine Art Generalklausel gewartet – einen radikalen Vorrang des Wohnungsbaus aufgrund überragenden öffentlichen Interesses. Hierbei geht es um die Gretchenfrage, warum bei einer Bundesregierung mit grüner Beteiligung eigentlich immer der Natur- und Artenschutz oder der Gewässer- und Denkmalschutz höher eingestuft werden als das Bedürfnis der Bürger nach einer hinreichenden Wohnraumversorgung. Bei der Errichtung von Windrädern war das alles ja auch kein Problem.

Nicht mal Digitalisierung ist zwingend

Als sichere Bank wiederum hatte Geywitz bei ihren öffentlichen Auftritten immer wieder die erleichterte Nachverdichtung und Aufstockung von Gebäuden für Wohnzwecke verkauft. Selbst hier könnte sich die Ministerin nicht gänzlich durchsetzen. Für die (zumeist langwierigen und nervraubenden) Bebauungspläne sitzen bekanntlich Länder und Kommunen in der Vorderhand, hier hat der Bund nur beschränkte Eingriffsmöglichkeiten. Doch auch künftig können viele Städte weiterhin auf ihre Quartiers- und Milieuschutzgebiete verweisen und die Vereinfachungen damit ausbremsen. Ein Schelm, wer da gleich das Gesicht des Baustadtrats im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg vor Augen hat, der jeden Joker zieht, wenn er das Bauen in seinem heiligen Kiez verhindern kann.

Kaum zu glauben: Doch nicht einmal die von allen Politikern gepredigte Digitalisierung bleibt im Baubereich eine Kann-Bestimmung. Sogar ganz einfache „No-Brainer“ werden so zum „Game-Changer“. Von wegen Transparenz: Es scheint, als wollten sich bestimmte Behördenleiter nicht ihre Einflussmöglichkeiten nehmen oder gar von oben beschneiden lassen. Soll ja nicht jeder gleich merken, wenn es mal wieder hakt in der Beamtenstube.

Klimaauflagen kommen und verteuern das Bauen

Wo es keine Widerstände im Ministerium und der Abstimmung gab, ist der Bereich Umwelt und Klimaauflagen. Weil weitere Hitzeperioden drohen, abwechselnd Trockenheit und Starkregen und dadurch vermehrt Hochwassergefahren, dürfen den Investoren und Bauherren künftig weitgehende Maßnahmen auferlegt werden. Die Begrünung der Dächer, das Pflanzen von Sträuchern und Bäumen, Ausgleichsmaßnahmen wie entsiegelte Flächen zum Abfluss von Regenwasser. Vieles davon ergibt Sinn, nur billiger macht es das Bauen nicht. Die Konsequenz ist klar: Wohnen wird noch teurer, weil alle Extras letztlich umgelegt bzw. wieder eingenommen werden müssen.

                                                                            ***

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.



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