Auf dem Arbeitsmarkt zeichnet sich dieses Jahr ein überraschender Wandel ab, wie das Gesamtranking der deutschen Top-Ten-Berufe zeigt: Gesucht werden verstärkt Fachkräfte mit Berufsausbildung sowie angelernte Arbeitskräfte, Jobangebote für Akademiker hingegen gehen zurück.
Trendwende am Stellenmarkt: Praktiker statt Akademiker
Erstmals seit Erhebungsbeginn des Dekra Arbeitsmarktreports befindet sich kein akademischer Beruf unter den Top-Ten-Berufen in Deutschland - und der Anteil an IT-Jobangeboten ist so niedrig wie seit 2010 nicht. Insbesondere die Entwicklung bei Softwareentwicklern überrascht: Sie waren bislang unter den zehn am häufigsten gesuchten Berufen gesetzt und sind nun auf Position 19 zurückgefallen.
Energiewende: Elektroniker dringend gesucht
Anders sieht es für Fachkräfte mit einer Ausbildung im Bereich Elektronik sowie Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik oder Kraftfahrzeugmechatronik aus. Sie können aus vielen Stellenangeboten wählen und reihen sich in die Top Ten ein.
Sie werden – neben ihren angestammten Einsatzgebieten – dringend gebraucht, um beispielsweise Photovoltaik- oder Solaranlagen zu installieren. Gebraucht werden sie außerdem bei der Produktion und Reparatur von E-Autos. Ohne Elektroniker droht die Umsetzung der Energiewende zum Flaschenhals zu werden.
Offene Stellen bei Dienstleistungen und sozialen Berufen
Auch Arbeitgeber im Gastgewerbe oder der Kinderbetreuung suchen händeringend neue Mitarbeitende. Erzieherinnen und Erzieher befinden sich im Gesamtranking so weit vorne wie nie. Offerten für Sozialpädagogen befinden sich an 21. Stelle – das ist die zweitbeste Platzierung seit Erhebungsbeginn.
Service- und Empfangsmitarbeitende belegen den zweiten Platz im Gesamtranking der Berufe (2023: Position 41). Ebenso unterstreicht die Platzierung des Berufskoch oder der Köchin den hohen Personalbedarf im Hotel- und Gastgewerbe.
Erstaunlich: Gesundheits- und Krankenpflegefachkräfte müssen sich in diesem Jahr mit dem achten Platz zufriedengeben, obwohl die Engpässe in diesem Tätigkeitsbereich weiterhin groß sind. Im Jahr 2023 lag diese Berufsgruppe noch auf Platz 2.
Top-Ten-Berufe 2024
- Elektroniker, Elektroinstallateure, Elektromoneure
- Service- und Empfangsmitarbeiter
- Erzieher, Kinderbetreuer
- Staplerfahrer, Transportgeräteführer
- Produktionshelfer
- Anlagenmechaniker, Sanitär-, Heizungs-, Klimatechniker
- Köche, Sous-Chefs
- Gesundheits- und Krankenpfleger
- Kraftfahrzeugmechatroniker
- Raumreiniger, Küchenhelfer
Stellenschwund für Akademiker und Softwareentwickler
Bisher kaum vorstellbar und erstmals seit Erhebungsbeginn 2008: Kein akademischer Beruf ist unter den Top Ten zu finden. Gerade Softwareentwickler, die jahrelang auf den vorderen zehn Plätzen zu finden waren, sind jetzt von Platz 5 auf Platz 19 zurückgefallen. 2023 stellte auch das Institut für Wirtschaftsforschung fest, dass sich die Fachkräftelücke in der Softwareentwicklung stark verkleinert.
Ein Trend, der sich anscheinend fortsetzt. Aber warum? Trotz Künstlicher Intelligenz (KI) oder gerade deshalb?
Transformation: Was bedeutet KI für die Arbeitswelt?
Firmen investieren weltweit in rasantem Tempo in KI. Aus unternehmerischer Sicht erwarten sie, mit dem Einsatz von KI-Tools die gesamte Produktivität zu steigern. Top-Manager sind überzeugt, dass KI-Routineaufgaben automatisieren kann, Mitarbeiter von sich wiederholenden Tätigkeiten entlastet, die Effizienz bei der Datenverarbeitung und -analyse erhöht und innovative Lösungsansätze möglich sind. Das bedeutet auf den ersten Blick: Eine Maschine kann den Menschen nicht ersetzen, aber die Arbeit produktiver, gefragter und lukrativer machen.
Doch es gibt auch eine Kehrseite: Bis 2030 erwarten Experten, dass KI-Anwendung eine KI-Revolution in Europa und den USA auslösen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt bereits vor der Gefahr einer möglichen Massenarbeitslosigkeit. Allein in Deutschland könnten bis zu drei Millionen Jobs der Transformation zum Opfer fallen. Welche Jobs werden verschwinden und welche boomen?
Diese Jobs wird es bald nicht mehr geben
In den nächsten Jahrzehnten wird KI unsere Arbeitswelt maßgeblich verändern und es wird zu großen Verschiebungen auf dem Arbeitsmarkt geben: Jobs, die ausschließlich analytische Tätigkeiten mit Zahlen und Mengen ausführen, könnten von der KI in den kommenden Jahrzehnten komplett ersetzt und überflüssig werden. Dazu zählen die meisten Bürojobs: Buchhaltung, Wirtschaftsprüfung, Bauzeichnung, Steuerberatung, aber auch Kundenberatung und Produktion.
Diese Jobs bleiben weiter gefragt
Dafür wächst der Fachkräftebedarf an anderen Stellen teils massiv: Die Nachfrage nach technologischen und sozial-emotionalen Fähigkeiten wird erheblich zunehmen. Der Bedarf an Fachkräften in den Bereichen MINT und Gesundheitswesen soll bis 2030 um bis zu 25 Prozent steigen. Digitale Grundkenntnisse werden ebenso wie Empathie und Führungskompetenzen zu den wichtigsten Skills der Zukunft gehören.
Der Zuwachs an Jobs findet vor allem bei Gesundheits-, Bildungs- und Managementberufen statt: Die Zahl der Gesundheitsberufe dürfte bis 2035 um 26 Prozent zunehmen, während lehrende und ausbildende Berufe um 20 Prozent wachsen.
Die Jobs der Zukunft erfordern Interaktion mit anderen Menschen und sind nur gering automatisierbar: 65 Prozent der Arbeitszeit können nicht durch Technologie ersetzt werden und dürften in Zukunft auch stärker nachgefragt werden.
KI wird 60 Prozent der Berufe beeinflussen
Automatisierung betrifft vor allem Routinetätigkeiten, die nach denselben Mustern verlaufen. Die Jobs der Zukunft sind dagegen wissensintensiv und erfordern Spezialisierung, Kreativität und analytische Fähigkeiten. Die KI wird also viele Jobs für immer verändern und 60 % der Berufsfelder maßgeblich beeinflussen, diagnostiziert der IWF in einer Studie. Nicht wenige Jobs könnten durch maschinelle Weiterentwicklung auch gänzlich verschwinden – egal ob in der Medizin, in der Lebensmittelproduktion und vielleicht sogar in der Politik?
Deutschland: Wo hat KI bereits Einzug gehalten?
Auch in Deutschland ist die Künstliche Intelligenz schon in einige Jobs eingezogen. Fachkräfte, die eher körperliche Arbeit verrichten, sogenannte „Blue Collar Worker“ spüren bisher nur einen geringen Einfluss von KI, hat eine aktuelle repräsentative Befragung im Auftrag des Jobportals meinestadt.de, an der im Juni mehr als 3000 Fachkräfte teilgenommen haben, ergeben. Das sind Arbeitnehmer, die überwiegend körperliche Arbeit verrichten, wie in Produktionsbetrieben, auf Baustellen, in der Gastronomie, im Pflegebereich oder im Handwerk. Genau diese Tätigkeiten finden sich in der Top Ten wieder und werden auf dem Arbeitsmarkt dringend gesucht.
Nur neun Prozent sehen bisher starken Einfluss von KI
In diesen Bereichen gaben über die Hälfte der Befragten (55 Prozent) an, dass Künstliche Intelligenz für ihren Beruf gar keine Rolle spielt. Ein knappes Drittel (32 Prozent) gibt an, der Einfluss von KI sei bislang „weniger stark“.
Erst neun Prozent stellen bereits einen eher oder sehr starken Einfluss der Technologie auf ihre Arbeit fest. Besonders für Führungskräfte ist das Thema relevanter als für den Durchschnitt der Befragten: 14 Prozent geben einen starken Einfluss von KI auf ihre Tätigkeit an.
Insgesamt ergibt die Auswertung, dass sich KI auf Fachkräfte im Einzelhandel sowie in Logistik und Transport am stärksten auswirkt. Dagegen spüren Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen davon am wenigsten.
Künstliche Intelligenz – Fluch oder Segen für Arbeitsmarkt?
Bisher allerdings verzichtet die Hälfte der deutschen Unternehmer auf den Einsatz von KI. Alles nur Panikmache oder verlieren wir den Anschluss an die Zukunftstechnologie? Künstliche Intelligenz hat das Potenzial für sehr große Veränderungen. KI plant nicht nur unsere Reisen und schlägt uns die nächste Serie vor, sondern schmeißt auch unsere Arbeitswelt um: weniger Routine, mehr analytisches Denken und menschliche Interaktion. Letztendlich ist KI nur ein Werkzeug, richtig eingesetzt kann es gegen Überlastung helfen und für mehr (Frei)Zeit sorgen und für uns „sinnlose“ Aufgaben übernehmen.
So relativiert sich der Wert von Erwerbsarbeit und Tätigkeiten für die Daseinsvorsorge werden aufgewertet. Wer wünscht sich nicht mehr Zeit für die Familie, den Haushalt, die Pflege von Angehörigen oder das Ehrenamt zu haben? Das sind doch eigentlich ganz wunderbare Aussichten.
Wenn Sie weiter neugierig geworden sind, wie die Arbeitswelt von morgen aussehen könnte, dann haben wir eine taufrische Leseempfehlung: „Das kann doch jemand anderes machen! Wie KI uns alle sinnvoller arbeiten lässt“ erklärt Bestsellerautorin Sara Weber. Für sie ein notwendiger Umbruch, der genau zum richtigen Zeitpunkt kommt. Ein erfrischender und anderer Blick auf das Potenzial der Künstlichen Intelligenz: „Es geht nicht darum, wo uns KI in Zukunft ersetzen kann, sondern wo wir wollen, dass sie es tut.“