Die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg stehen vor der Tür, der Wahlkampf ist im vollen Gange und die Atmosphäre, nach dem islamistischen Terroranschlag in Solingen ist mehr als aufgeheizt. Sogar Unternehmen geben Empfehlungen zur Wahl ab und plädieren mit einer Plakataktion für Vielfalt gegen Fremdenfeindlichkeit. Unterschiedliche Meinungen und hitzige Debatten kommen direkt am Arbeitsplatz an. Was, wenn die Diskussion in extreme Positionen umschlägt? Was ist aus rechtlicher Sicht erlaubt, wo sind die Grenzen und darf sich die politische Einstellung eines Mitarbeiters auf ein Arbeitsverhältnis auswirken?
Arbeitsrecht: Was Chefs dürfen und was nicht
Dabei muss man verschiedene Situationen unterscheiden. Während der Arbeitszeit kann der Arbeitgeber zum Beispiel vorgeben, wie sich die Beschäftigten zu verhalten haben. Das kann etwa beinhalten, gegenüber Kunden keine politischen Äußerungen zu tätigen.
Auch Vorgaben zum Erscheinungsbild sind möglich, wie Prof. Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht, erklärt. So kann es verboten werden, einen bestimmten politischen „Sticker“ zu tragen, wenn Dritte diesen wahrnehmen können.
Meinungsfreiheit gilt auch am Arbeitsplatz
Während der Pausen dürfen Arbeitnehmer dem Fachanwalt zufolge über den Ausgang der Europawahl ebenso diskutieren wie über Fußballergebnisse oder die Wahlen in den USA. Das gelte auch für das Mittagessen in der Werkskantine, sagt Fuhlrott, der Mitglied im Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VDAA) ist.
Eine Äußerung wie „ich wähle die AfD oder das BSW, weil ich die Partei gut finde“ ist aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht verboten. „Die Meinungsfreiheit macht vor dem Arbeitsrecht keinen Halt", sagt Peter Meyer, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. Allerdings dürfe der Betriebsfrieden nicht gestört werden. Bringt also der AfD-Sympathisant oder ein Parteimitglied der Grünen das Parteiprogramm mit und drängt es den Kolleginnen und Kollegen so sehr auf, dass diese sich gestört fühlen, kann der Arbeitgeber eingreifen.
Für Beamte gelten teilweise strengere Regelungen. Auch Angestellte im öffentlichen Dienst sind der Verfassung verpflichtet, müssen für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten und dürfen also den Staat nicht aktiv bekämpfen.
Das Arbeitsrecht ist kein Strafrecht
Möchte ein Arbeitgeber eingreifen – etwa, weil ein Mitarbeiter den Betriebsfrieden stört – sind Abmahnungen oder im Wiederholungsfall die Kündigung denkbar. „Das ist allerdings immer vom Einzelfall abhängig“, so Meyer.
Wichtig: „Das Arbeitsrecht ist kein Strafrecht“, sagt Meyer. Es gehe also bei allen möglichen Sanktionen wie Kündigung oder Abmahnung nicht darum, einen Fehler aus der Vergangenheit zu bestrafen. Vielmehr seien alle Sanktionen zukunftsbezogen.
Als Arbeitgeber muss man sich daher fragen: Kann ich es mir erlauben, mit einem Mitarbeiter, der diesen Fehler gemacht hat, auch in Zukunft zusammenzuarbeiten? Oder ist das Vertrauensverhältnis durch das Fehlverhalten irreparabel zerstört?
Politische Einstellung ist Privatsache
Und wie sieht es aus, wenn sich Arbeitgeber proaktiv ein Bild zur politischen Stimmung im Betrieb machen wollen? Arbeitgeber dürfen sich grundsätzlich nicht für die Parteizugehörigkeit oder gar die politische Einstellung der Angestellten interessieren. „Werden sie doch gefragt, dürfen Mitarbeitende die Unwahrheit sagen“, so Meyer.
Eine Ausnahme: Eine Partei möchte einen Mitarbeiter als Referenten einstellen. Dann darf Fuhlrott zufolge gefragt werden, ob dieser die Parteiziele teilt. Die Partei darf dann auch die Mitgliedschaft zur Voraussetzung für die Einstellung machen.
Grölerei auf Sylt: Freizeit ist Freizeit
Und wie sieht es in der Freizeit aus? Ein Beispiel: Nachdem eine Gruppe junger Menschen rassistische Parolen in einer Bar auf Sylt gegrölt hatte und ein Video davon öffentlich wurde, sollen einige Personen, die im Video identifizierbar waren, von ihren Arbeitgebern eine Kündigung erhalten haben.
„Das geht in den meisten Fällen nicht, Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“, fasst Fuhlrott zusammen. Will sagen: Über das Arbeitsrecht lässt sich ein solcher Fall nur dann regeln, wenn man einen Bezug zum Arbeitgeber herstellen kann. Diskutiert wird allerdings laut Meyer, ob diejenigen nicht hätten wissen müssen, dass sie gefilmt werden und das Video sich im Netz wiederfinden könnte, sie und ihre Arbeitgeber also identifizierbar sind.
In ihrer Freizeit könnten Angestellte also zum Beispiel an Demonstrationen teilnehmen, bei denen rechtswidrige Inhalte geteilt werden, das ist arbeitsrechtlich ohne Relevanz. Ebenso könnten sie sich für die Klima-Initiative Letzte Generation engagieren und in diesem Zusammenhang strafrechtlich relevante Taten begehen. Auch das hätte keine Konsequenzen am Arbeitsplatz.
Ist das Verhalten geschäftsschädigend?
Es gibt Ausnahmen, wenn sich ein Bezug zum Arbeitgeber herstellen lässt. Denkbar ist das etwa, wenn eine Person in Arbeitskleidung auftaucht – zum Beispiel in einer Arbeitskluft mit Firmenlogo. Oder wenn derjenige ein Foto von sich auf der Demo postet und den Arbeitgeber taggt, die Arbeitsstelle erwähnt oder auf Berufsplattformen wie LinkedIn oder Xing direkt mit seiner Arbeitsstelle in Verbindung steht.
Das gilt auch für einen CEO oder Fußballer, die in besonderer Weise mit ihrem Unternehmen oder in diesem Fall ihrem Verein identifiziert werden. In solchen Fällen kann der Arbeitgeber den Experten zufolge geltend machen, dass derartiges Verhalten diametral zu seinen Überzeugungen und Unternehmenswerten steht und der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin sogar geschäftsschädigend wirkt.
Arbeitgeber dürfen sich grundsätzlich nicht für die Parteizugehörigkeit oder gar die politische Einstellung der Angestellten interessieren. „Werden sie doch gefragt, dürfen Mitarbeitende die Unwahrheit sagen“