Unternehmen

Politik auf Arbeit: Wieviel Meinungsfreiheit ist erlaubt?

Politik am Arbeitsplatz: Die politische Einstellung ist Privatsache, sollte man meinen. Doch dann fällt ein beiläufiger Kommentar über die bevorstehende Wahl am Arbeitsplatz. Eine hitzige politische Debatte mit extremen Meinungen entbrennt. Wie als Chef reagieren? Arbeitsrechtler klären auf: „Das Arbeitsrecht ist kein Strafrecht.“
30.08.2024 10:00
Aktualisiert: 01.01.2030 09:00
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Politik auf Arbeit: Wieviel Meinungsfreiheit ist erlaubt?
Meinungsfreiheit im Job: Eine Äußerung wie „ich wähle die AfD oder das BSW, weil ich die Partei gut finde“ ist aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht verboten, sagt Fachanwalt Peter Meyer. (Foto: dpa) Foto: Silas Stein

Die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg stehen vor der Tür, der Wahlkampf ist im vollen Gange und die Atmosphäre, nach dem islamistischen Terroranschlag in Solingen ist mehr als aufgeheizt. Sogar Unternehmen geben Empfehlungen zur Wahl ab und plädieren mit einer Plakataktion für Vielfalt gegen Fremdenfeindlichkeit. Unterschiedliche Meinungen und hitzige Debatten kommen direkt am Arbeitsplatz an. Was, wenn die Diskussion in extreme Positionen umschlägt? Was ist aus rechtlicher Sicht erlaubt, wo sind die Grenzen und darf sich die politische Einstellung eines Mitarbeiters auf ein Arbeitsverhältnis auswirken?

Arbeitsrecht: Was Chefs dürfen und was nicht

Dabei muss man verschiedene Situationen unterscheiden. Während der Arbeitszeit kann der Arbeitgeber zum Beispiel vorgeben, wie sich die Beschäftigten zu verhalten haben. Das kann etwa beinhalten, gegenüber Kunden keine politischen Äußerungen zu tätigen.

Auch Vorgaben zum Erscheinungsbild sind möglich, wie Prof. Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht, erklärt. So kann es verboten werden, einen bestimmten politischen „Sticker“ zu tragen, wenn Dritte diesen wahrnehmen können.

Meinungsfreiheit gilt auch am Arbeitsplatz

Während der Pausen dürfen Arbeitnehmer dem Fachanwalt zufolge über den Ausgang der Europawahl ebenso diskutieren wie über Fußballergebnisse oder die Wahlen in den USA. Das gelte auch für das Mittagessen in der Werkskantine, sagt Fuhlrott, der Mitglied im Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VDAA) ist.

Eine Äußerung wie „ich wähle die AfD oder das BSW, weil ich die Partei gut finde“ ist aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht verboten. „Die Meinungsfreiheit macht vor dem Arbeitsrecht keinen Halt", sagt Peter Meyer, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. Allerdings dürfe der Betriebsfrieden nicht gestört werden. Bringt also der AfD-Sympathisant oder ein Parteimitglied der Grünen das Parteiprogramm mit und drängt es den Kolleginnen und Kollegen so sehr auf, dass diese sich gestört fühlen, kann der Arbeitgeber eingreifen.

Für Beamte gelten teilweise strengere Regelungen. Auch Angestellte im öffentlichen Dienst sind der Verfassung verpflichtet, müssen für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten und dürfen also den Staat nicht aktiv bekämpfen.

Das Arbeitsrecht ist kein Strafrecht

Möchte ein Arbeitgeber eingreifen – etwa, weil ein Mitarbeiter den Betriebsfrieden stört – sind Abmahnungen oder im Wiederholungsfall die Kündigung denkbar. „Das ist allerdings immer vom Einzelfall abhängig“, so Meyer.

Wichtig: „Das Arbeitsrecht ist kein Strafrecht“, sagt Meyer. Es gehe also bei allen möglichen Sanktionen wie Kündigung oder Abmahnung nicht darum, einen Fehler aus der Vergangenheit zu bestrafen. Vielmehr seien alle Sanktionen zukunftsbezogen.

Als Arbeitgeber muss man sich daher fragen: Kann ich es mir erlauben, mit einem Mitarbeiter, der diesen Fehler gemacht hat, auch in Zukunft zusammenzuarbeiten? Oder ist das Vertrauensverhältnis durch das Fehlverhalten irreparabel zerstört?

Politische Einstellung ist Privatsache

Und wie sieht es aus, wenn sich Arbeitgeber proaktiv ein Bild zur politischen Stimmung im Betrieb machen wollen? Arbeitgeber dürfen sich grundsätzlich nicht für die Parteizugehörigkeit oder gar die politische Einstellung der Angestellten interessieren. „Werden sie doch gefragt, dürfen Mitarbeitende die Unwahrheit sagen“, so Meyer.

Eine Ausnahme: Eine Partei möchte einen Mitarbeiter als Referenten einstellen. Dann darf Fuhlrott zufolge gefragt werden, ob dieser die Parteiziele teilt. Die Partei darf dann auch die Mitgliedschaft zur Voraussetzung für die Einstellung machen.

Grölerei auf Sylt: Freizeit ist Freizeit

Und wie sieht es in der Freizeit aus? Ein Beispiel: Nachdem eine Gruppe junger Menschen rassistische Parolen in einer Bar auf Sylt gegrölt hatte und ein Video davon öffentlich wurde, sollen einige Personen, die im Video identifizierbar waren, von ihren Arbeitgebern eine Kündigung erhalten haben.

„Das geht in den meisten Fällen nicht, Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“, fasst Fuhlrott zusammen. Will sagen: Über das Arbeitsrecht lässt sich ein solcher Fall nur dann regeln, wenn man einen Bezug zum Arbeitgeber herstellen kann. Diskutiert wird allerdings laut Meyer, ob diejenigen nicht hätten wissen müssen, dass sie gefilmt werden und das Video sich im Netz wiederfinden könnte, sie und ihre Arbeitgeber also identifizierbar sind.

In ihrer Freizeit könnten Angestellte also zum Beispiel an Demonstrationen teilnehmen, bei denen rechtswidrige Inhalte geteilt werden, das ist arbeitsrechtlich ohne Relevanz. Ebenso könnten sie sich für die Klima-Initiative Letzte Generation engagieren und in diesem Zusammenhang strafrechtlich relevante Taten begehen. Auch das hätte keine Konsequenzen am Arbeitsplatz.

Ist das Verhalten geschäftsschädigend?

Es gibt Ausnahmen, wenn sich ein Bezug zum Arbeitgeber herstellen lässt. Denkbar ist das etwa, wenn eine Person in Arbeitskleidung auftaucht – zum Beispiel in einer Arbeitskluft mit Firmenlogo. Oder wenn derjenige ein Foto von sich auf der Demo postet und den Arbeitgeber taggt, die Arbeitsstelle erwähnt oder auf Berufsplattformen wie LinkedIn oder Xing direkt mit seiner Arbeitsstelle in Verbindung steht.

Das gilt auch für einen CEO oder Fußballer, die in besonderer Weise mit ihrem Unternehmen oder in diesem Fall ihrem Verein identifiziert werden. In solchen Fällen kann der Arbeitgeber den Experten zufolge geltend machen, dass derartiges Verhalten diametral zu seinen Überzeugungen und Unternehmenswerten steht und der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin sogar geschäftsschädigend wirkt.

Arbeitgeber dürfen sich grundsätzlich nicht für die Parteizugehörigkeit oder gar die politische Einstellung der Angestellten interessieren. „Werden sie doch gefragt, dürfen Mitarbeitende die Unwahrheit sagen“

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Siton Mining: Mining mit BTC, XRP und DOGE.Verdienen Sie 8.600 $ pro Tag an passivem Einkommen

Auf dem volatilen Kryptowährungsmarkt ist die Frage, wie sich die täglichen Renditen digitaler Währungen maximieren lassen, anstatt sie...

 

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Finanzen
Finanzen Topmanager erwarten Trendwende bei Börsengängen
17.09.2025

Nach Jahren der Flaute sehen Topmanager eine Trendwende am Markt für Börsengänge. Warum Klarna den Wendepunkt markieren könnte und was...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Solar-Krise: Solarfirma Meyer Burger schließt Standorte - 600 Beschäftigten gekündigt
17.09.2025

Rettung geplatzt: Warum auch Investoren keinen Ausweg für den insolventen Solarmodul-Hersteller Meyer Burger sehen und was jetzt mit den...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinesische Waren: Europas Industrie gerät zunehmend unter Druck
17.09.2025

Chinesische Waren fluten Europa. Subventionen aus Peking drücken Preise, während Europas Industrie ins Hintertreffen gerät. Deutschland...

DWN
Politik
Politik AfD stärkste Kraft: AfD zieht in YouGov-Umfrage erstmals an der Union vorbei
17.09.2025

Die AfD zieht in der Sonntagsfrage an der Union vorbei – für die SPD geht es minimal aufwärts. Eine Partei, die bislang nicht im...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft TOP10 Biotech-Unternehmen: Was Anleger jetzt wissen müssen
17.09.2025

Biotech-Unternehmen dominieren mit GLP-1 und Onkologie – doch Zölle, Patente und Studienerfolge entscheiden über Renditen. Wer jetzt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Halbleiterstandort Sachsen: Ansiedlung von TSMC - Silicon Saxony rechnet mit 100.000 neuen Jobs
17.09.2025

Sachsen ist Europas größter Mikroelektronik-Standort mit rund 3.600 Unternehmen und rund 83.000 Mitarbeitern. Auf der Halbleitermesse...

DWN
Politik
Politik Haushaltsdebatte im Bundestag: Erst Schlagabtausch, dann Bratwürste für den Koalitionsfrieden
17.09.2025

Merz gegen Weidel: Zum zweiten Mal treten die beiden in einer Generaldebatte gegeneinander an. Weidel wirft Merz „Symbolpolitik“ und...

DWN
Finanzen
Finanzen Berliner Testament: Ungünstige Nebenwirkungen bei größeren Vermögen – und was sonst zu beachten ist
17.09.2025

Das Berliner Testament ist in Deutschland sehr beliebt, denn es sichert den überlebenden Ehepartner ab. Allerdings hat es auch eine Reihe...