Weltwirtschaft

Düstere Prognosen: Arbeitsmarkt vor neuen Herausforderungen im Winter

Lesezeit: 2 min
03.09.2024 11:00
Die anhaltende Konjunkturflaute der deutschen Wirtschaft wird auf dem Arbeitsmarkt jetzt deutlich spürbar. Hier wirkt nicht nur das Sommerloch – bis zum Winter könnten drei Millionen Arbeitslose in Deutschland Realität sein.
Düstere Prognosen: Arbeitsmarkt vor neuen Herausforderungen im Winter
Die Arbeitslosenquote in Deutschland hat im August 6,1 Prozent erreicht. (Foto: dpa)
Foto: Sina Schuldt

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die dauerhafte Wirtschaftsschwäche in Deutschland belastet jetzt den Arbeitsmarkt spürbar und hat die Zahl der Arbeitslosen auf den höchsten Wert seit dreieinhalb Jahren getrieben. Mit Zugängen bei den Arbeitslosen um + 63.000 im August sind mittlerweile 2.872.000 Menschen bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahresmonat August sind das insgesamt 176.000 mehr Arbeitslose. Die Arbeitslosenquote stieg damit im August auf 6,1 Prozent.

Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, sieht auch für die kommenden Monate keine Besserung der Situation und hält es für möglich, dass mit der saisonalen Winterarbeitslosigkeit im Januar zum ersten Mal seit 10 Jahren wieder mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland ohne Arbeitsplatz sein werden. Seit 2022 steigt die Arbeitslosigkeit in Deutschland stetig an.

Stellenstreichungen in Industrie und Bau

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit sei in fast allen Wirtschaftszweigen, ausgenommen die Energie- und Wasserwirtschaft, die Arbeitskräftenachfrage zum Vorjahresmonat gesunken, teilweise in zweistelliger prozentualer Höhe, so Nahles weiter. Ausgenommen sei hier nur die Energie- und Wasserwirtschaft.

Trotz der Wirtschaftskrise galt der Arbeitsmarkt bislang noch als stabil. Deshalb sei es durchaus alarmierend, dass die Unternehmen jetzt eine derartige Zurückhaltung bei den Neueinstellungen zeigen, wie sie es seit der Corona-Pandemie vor über drei Jahren nicht mehr getan haben. Dies geht aus den Informationen des aktuellen ifo-Beschäftigungsbarometers hervor. Die Zahl der offenen Stellen in den Betrieben zeigt mit aktuell 699.000 72.000 weniger Arbeitsplätze an als noch vor einem Jahr.

Abgebaut werden Arbeitsplätze besonders in der Industrie, dem Bau und dem Handwerk. In der Industrie ist die Lage besonders schlecht. Auftragsmangel führt hier zu Jobabbau, Einstellungsstopp und Kurzarbeit. Besonders düster sieht es in der Automobilindustrie aus, da der Absatzmarkt für die E-Autos stark eingebrochen ist. Ebenso stehen tausende Jobs in der Bauwirtschaft und Logistik auf der Kippe. Zehntausende Stellen fallen auch durch die Abwanderung der Produktion in der Chemiebranche ins Ausland weg. Auch die konjunkturelle Kurzarbeit hat wieder zugenommen. Im Juni wurden 232.000 Beschäftigten Kurzarbeitergeld bezahlt, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe.

Ausbildungsmarkt ebenfalls problematisch

Auch die Zahl der Ausbildungssuchenden ist seit Oktober 2023 um 10.000 leicht gestiegen zum Vorjahreszeitraum. Insgesamt haben sich 418.000 Suchende nach einem Ausbildungsplatz seit vergangenem Oktober gemeldet. Obwohl davon im August noch 82.000 keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, blieben trotzdem 158.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Laut Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger kann hier nur Abhilfe geschaffen werden durch eine Verbesserung der Bildung und eine praxisorientierte Berufsorientierung.

Zweischneidige Entwicklungen auch am Arbeitsmarkt

Trotz steigender Arbeitslosigkeit bleiben auch in Deutschland 1,6 Millionen Stellen unbesetzt. Obwohl der Jobabbau sich in Industrie und anderen Branchen fortsetzt, wird in anderen Wirtschaftszweigen händeringend nach qualifiziertem Personal gesucht. Allein im Handwerk fehlen zur Zeit 250.000 Fachkräfte und auch die Pharmaindustrie hat zehntausende Stellen zu besetzen. Gastronomie und Hotelgewerbe suchen nach geeignetem Personal, insbesondere Köche und Kellner.

Durch diesen parallel entstehenden Personalmangel wird eine signifikante Belebung der Konjunktur weiter verhindert, wie Wirtschaftsweise analysiert haben. Ohne die Zuversicht auf eine konjunkturelle Belebung fehlt es aber in anderen Wirtschaftsbereichen am Mut, auch Neueinstellungen zu planen.

Der Arbeitsmarkt steht außerdem vor tiefgreifenden Veränderungen und es wird in Zukunft noch schwieriger werden, qualifiziertes Personal zu finden. Da die Babyboomer nun das Rentenalter erreichen, werden allein in diesem Jahr 450.000 mehr Beschäftigte den Arbeitsmarkt verlassen, als jüngere Arbeitskräfte hinzukommen. Die Schere wird in den kommenden Jahren noch weiter auseinanderklaffen. Ulrich Walwei, Vizedirektor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, teilte mit, dass bis 2035 das Minus am Arbeitsmarkt sich auf insgesamt 7,2 Millionen Arbeitskräfte belaufen wird.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Ampel-Aus: Was dann? Wie geht's jetzt weiter?
07.11.2024

Wann finden die Neuwahlen statt? Das ist die drängende Frage, die Deutschland beschäftigt. Gestern kam es mit einem Paukenschlag zum...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Förderbank des Bundes: KfW vergibt weniger Fördermilliarden und macht mehr Gewinn
07.11.2024

Das Geschäft der Förderbank normalisiert sich nach mehreren Krisenjahren zusehends. Dennoch verdient die KfW Bankengruppe gut.

DWN
Politik
Politik Welche Projekte Kanzler Scholz bis Jahresende noch durchbringen will
07.11.2024

Die FDP geht raus aus der Regierung. Der Kanzler und die Minister von SPD und Grünen bleiben. Das macht es schwierig, wichtige Pläne noch...

DWN
Politik
Politik Friedrich Merz für Neuwahl in zweiter Januar-Hälfte - Kanzler Olaf Scholz blockt ab
07.11.2024

Die Unionsfraktion fordert, der Kanzler solle spätestens nächste Woche die Vertrauensfrage im Bundestag stellen. Scholz lässt sich...

DWN
Politik
Politik Der Sherpa übernimmt: Scholz-Berater Jörg Kukies wird neuer Finanzminister
07.11.2024

Er ist einer der wichtigsten Berater von Kanzler Scholz. Jetzt soll er den Posten des gefeuerten Finanzministers Lindner übernehmen.

DWN
Politik
Politik Die Biege machen: Volker Wissing bleibt und tritt aus der FDP aus - doch seine Staatsekretäre gehen
07.11.2024

Die Ampel ist zerbrochen. Die FDP ist nicht mehr Teil der Bundesregierung, Verkehrsminister Volker Wissing schon. Doch nicht alle in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen DIHK gibt Empfehlungen zum EU-Bürokratieabbau, Entlastung dringend nötig
07.11.2024

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer hat Ideen für den Abbau von Bürokratie vorgelegt. Diese betreffen EU-Gesetze, die nach...

DWN
Politik
Politik Europa und Trump: Eine neue Herausforderung für die transatlantische Beziehung
07.11.2024

Bundeskanzler Scholz und andere europäische Staatsoberhäupter hatten auf einen Wahlsieg von Kamala Harris gehofft. Wird die Rückkehr von...