In Deutschland ist die Zahl der Privatiers zuletzt gewachsen. Im Jahr 2021 bestritten über 800.000 Menschen ihren Lebensunterhalt aus eigenem Vermögen, etwa Zinsen, Einnahmen aus Vermietung oder einem Altenteil, wie die Datenplattform Statista unter Berufung auf das Statistische Bundesamt berichtet.
40 Prozent davon waren zwischen 45 und 65 Jahren alt. Der Rest war je zur Hälfte älter oder jünger. Insgesamt machen Privatiers rund 1 Prozent der Bevölkerung aus.
Selbst für vorzeitige Rente meist sechsstelliges Vermögen nötig
Laut Experten ist aber ein relativ hohes Vermögen nötig, um dauerhaft von den Erträgen leben zu können. “Die meisten Menschen unterschätzen die Summe erheblich, die man braucht, um von den Erträgen ein Leben wie ein Reicher zu führen. Ein oder zwei Millionen genügen definitiv nicht”, erklärt der Reichtumsforscher Rainer Zitelmann gegenüber DWN.
Viele würden die Steuern und die Inflation außer Acht lassen oder davon ausgehen, dass alles in Aktien angelegt werde. Das sei aber “zu riskant”. Gehe man von einem Portfolio von je 50 Prozent Aktien und Staatsanleihen mit Top-Bonität aus (AAA-Rating), seien nach Steuern, Kosten und Inflation knapp 2 Prozent Rendite realistisch, erklärt der Autor des Buches “Reich werden und bleiben”.
Dann sei eine Summe von 10 Millionen Euro nötig, um 14.000 Euro pro Monat zu entnehmen. Bei einem Vermögen von 5 Millionen Euro seien es 7000 Euro pro Monat.
Auch Thomas Wolff vom Schweizer Beratungsunternehmen VZ Vermögenszentrum denkt, dass viele Anleger die Summe unterschätzen, mit der man ausgesorgt hat. “Bei einer ewigen Rente ohne Kapitalverzehr ist ein Vermögen von mehreren Millionen Euro nötig, aber selbst bei einem vorzeitigen Ruhestand von zwei Jahren braucht es rasch eine sechsstellige Summe - je nach Lebensstandard”, erklärt der Niederlassungsleiter Berlin im Gespräch mit DWN.
Das VZ Vermögenszentrum rechnet es in einem Online-Artikel vor: Wer 90.000 Euro brutto verdient, gesetzlich krankenversichert ist und bei einem regulären Renteneintritt mit 67 Jahren 2175 Euro pro Monat erhalten würde, bräuchte 56.000 Euro auf der hohen Kante für ein Jahr vorzeitigen Ruhestand. Bei zwei Jahren wären es 115.000 Euro und bei vier Jahren sogar 236.000 Euro (Annahme: Lebenserwartung von 90 Jahren, ledig, Netto-Rentensteigerung von 1 Prozent pro Jahr).
Dabei gingen die Vermögensberater davon aus, dass der Rentner die gesetzliche Rente vorzeitig in Anspruch nimmt. Das dürfen gesunde Rentner bis zu vier Jahre vor dem regulären Renteneintritt. Voraussetzung dafür ist, dass sie mindestens 35 Beitragsjahre angesammelt haben.
Allerdings erhalten sie dann 0,3 Prozentpunkte pro Monat weniger. Bei einem vorzeitigen Renteneintritt von zwei Jahren - etwa mit 65 statt 67 - würde also ein Abschlag von 7,2 Prozent fällig. “On top kommen die entgangenen Rentenzuwächse, weil der Rentner nicht mehr einzahlt und gerade am Ende seines Erwerbslebens am meisten verdient und somit die höchsten Ansprüche erwerben würde”, erklärt Wolff.
Eine Alternative wäre, die Rente nicht vorzeitig zu beziehen und stattdessen von einem angesparten Vermögen bis zum regulären Renteneintritt zu leben. Doch auch hier ist rasch ein sechsstelliger Betrag nötig, wie eine DWN-Rechnung zeigt: Wer zwei Jahre lang eine monatliche Rente von 4000 Euro beziehen will, der braucht mehr als 90.000 Euro auf der hohen Kante - egal, ob er 2 oder 5 Prozent Zinsen pro Jahr einstreicht.
Bei einer monatlichen Rente von 5000 Euro wären es knapp 120.000 Euro (6000 Euro: 140.000 Euro, 3000 Euro: 70.000 Euro). Bei einem vorzeitigen Renteneintritt von einem Jahr ist das nötige Vermögen entsprechend geringer (3000 Euro: 35.000 Euro, 4000 Euro: 45.000 Euro, 5000 Euro: 60.000 Euro).
Wie sollten Ältere den Renteneintritt planen?
Ob ein vorzeitiger Renteneintritt mit oder ohne Abschläge besser ist, ist laut Wolff eine individuelle Frage. “Je älter man wird, umso mehr schmerzen die aufsummierten Abschläge bis zum Lebensende”, erklärt er. Wer von einer höheren Lebenserwartung ausgehe, solle daher zuerst prüfen, ob der vorzeitige Ruhestand ohne Rentenbezug aus den Ersparnissen gestemmt werden könne.
Ältere können ihre Lebenserwartung auf der Internetseite “Wie alt werde ich?” schätzen lassen, die Faktoren wie die gesundheitliche Situation und den Lebensstil berücksichtigt. Laut der Sterbetafel des Statistischen Bundesamts werden zehn Prozent der Männer 92 Jahre oder älter und zehn Prozent der Frauen sogar 95 Jahre oder älter.
Wolff hält es vor allem für wichtig, sich früh über den Renteneintritt Gedanken zu machen. “Mit 50 sollte man sich einen Überblick verschaffen, über welche Rentenansprüche man verfügt und welches Vermögen man in den kommenden Jahren noch aufbauen kann”, erklärt er.
Drei Jahre vor der Rente sei es meistens zu spät, um etwa bei den Ausgaben zu kürzen. Außerdem könne man entspannter in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber gehen, wenn man die nötige Abfindungssumme für den vorzeitigen Renteneintritt kenne.
Sparen solle man mit günstigen Aktien-ETFs. Auf der Zinsseite könne man Anleihen-ETFs nutzen, aber auch Tages- und Festgelder unterhalb der gesetzlichen Einlagensicherung von 100.000 Euro pro Kunde und Bank.
Neben dem rechtzeitigen Sparen vor dem Renteneintritt gibt es weitere Tricks, um vorzeitig in Rente zu gehen. Ein Rentenberater sah gegenüber DWN mehrere Wege, unter anderem Altersteilzeit, ein Wertguthaben, den Kauf von Rentenpunkten oder einen Aufhebungsvertrag.