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Schnelle Übersetzungen per DeepL: Das deutsche Einhorn der Künstlichen Intelligenz

Lesezeit: 4 min
16.09.2024 10:00
Lichtblicke am deutschen Technologie-Horizont schimmern immer wieder mal durch - und oftmals ganz unverhofft. Das Startup „DeepL“ ist ein gutes Beispiel dafür. Ohne je groß in die Schlagzeilen geraten zu sein, hat sich der in Köln sitzende Onlinedienst für maschinelle Übersetzungen zum Einhorn der deutschen KI-Szene und einer Art Wunder-Anwendung empor gearbeitet.
Schnelle Übersetzungen per DeepL: Das deutsche Einhorn der Künstlichen Intelligenz
DeepL-App: Das Übersetzungsprogramm ist hier im Play Store auf dem Google Pixel 8 Pro zu sehen. DeepL hat eine neue Generation des Sprachmodells (LLM) auf den Markt gebracht, um die Qualität seiner maschinellen Übersetzungen messbar zu erhöhen. (Foto: dpa)
Foto: Christoph Dernbach

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Das Herzstück des Unternehmens ist (neben seinen fähigen Gründern und Mitarbeitern) vor allem ein gut gekühlter Super-Computer auf Island. Das Software-Unternehmen hat seine neuronale Übersetzungsmaschine mit mehr als 5.100.000.000.000.000 (sic!) Rechenoperationen pro Sekunde trainiert - das sind 5,1 sogenannter Petaflops. Es ermöglichte DeepL anfänglich gut dreimal schneller als Google bei Übersetzungen zu sein und de facto eine Million Wörter in unter einer Sekunde von einer Sprache in die andere übertragen. Der Abstand schmilzt freilich beständig, die Konkurrenz schläft nicht. Während noch nicht vor allzu langer Zeit der Computer selbst beim bekannten Google-Übersetzer erst Wort für Wort übersetzen musste, hat DeepL das sogenannte Maschinelle Lernen in die Welt und damit technologisch Maßstäbe gesetzt.

Maschinelles Lernen: Quicke Übersetungen in ungeahnter Qualität

In der Fachsprache wird das Programmieren mit Neural Machine Translation (NMT) übersetzt. Prolinguo, der seit fast 20 Jahren erfolgreiche Sprach-Dienstleister aus Hannover, beschreibt die geradezu revolutionären Vorteile von DeepL so: „Im Vergleich zu anderen maschinellen Übersetzungstools nimmt nicht nur die Geschwindigkeit der Übersetzung, sondern auch die Qualität zu. Denn wie jede gute künstliche Intelligenz lernt auch die NMT-Software permanent dazu. Den Ausgangspunkt bildet ein Grundkorpus an Texten – im Fall von Deepl ist dies die Datenbank des Online-Wörterbuchs Linguee, aus dem DeepL hervorgegangen ist. Anhand dieses Korpus wird dann die Grammatik der Sprachen analysiert, um einen Grundstock an digitalem Wissen aufzubauen. Dieses Wissen wird dann im Gebrauch durch die Nutzer weiter verfeinert und trainiert." Im Ergebnis führe dies zu einer besseren Übersetzungsqualität als bei GPT-4, Google und Microsoft, so immer noch das Urteil vieler Anwender.

In der Praxis heißt dies zugleich, dass bald womöglich selbst die (von Literaturverlagen beschäftigten) klassischen Übersetzer entbehrlich werden. Aus alltäglicher Erfahrung in der Redaktion wissen wir, dass Deepl beinahe in Lichtgeschwindigkeit Texte aus aller Welt und mittlerweile 33 Sprachen übersetzt und damit Arbeitsabläufe verkürzt.

Sprachbarrieren überwinden: Software für 33 verschiedene Wortschätze

Nicht nur das in der Volksrepublik verbreitete Mandarin, sondern sogar das traditionelle Chinesisch, die primäre Form der schriftlichen Kommunikation für mehr als 33 Millionen Menschen vor allem auf Taiwan und in Hongkong, ist erst im Sommer dem Angebot zugefügt worden. „Für DeepL ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg hin zu einer Welt ohne Sprachbarrieren“, hieß es dazu Ende Juli in der Firmenzentrale in Köln.

Das Unternehmen ist rasant von einst 22 Beschäftigten anno 2017 auf inzwischen über 1000 Beschäftigte gewachsen. Nach Firmenangaben nutzen es bereits mehr als 100.000 Unternehmen und Regierungen.

Bei einer Finanzierungsrunde der Gründer Ende 2022 ist DeepL als sogenanntes Einhorn gekürt worden - also zum Startup mit einer Unternehmensbewertung von mehr als einer Milliarde Dollar. Im Mai 2024 erhielt DeepL in weitere 300 Millionen Dollar Investitionen, um sein laufendes Wachstum zu finanzieren. Seither wird das Kölner Unternehmen mit zwei Milliarden US-Dollar bewertet. Im August hat „Forbes“ den Translation-Service in seine Forbes 2024 Cloud 100 aufgenommen. Hierbei handelt es sich um eine Rangliste der 100 wichtigsten Cloud-Anbieter der Welt.

Erfrischend ist die Tatsache, dass auch jeder private Nutzer leicht auf DeepL zurückgreifen kann, um Ad-hoc-Übersetzungen vornehmen zu lassen. Der quicke Translator ist zwar voll umfänglich ein kommerzieller Dienst, der sich an die Wirtschaft richtet. Doch die Einstiegsschwelle ist gering (Abo-Modelle sind für 4,99 Euro erhältlich) und ermöglichen Nutzern den Dienst auf Herz und Nieren zu testen. Nutzer dürfen kostenlos bis zu 5000 Zeichen übersetzen. Brauchen sie mehr Unterstützung, müssen sie zahlen. Kommerzielle Kunden nutzen derweil kostenpflichtige Programmier-Schnittstellen und können DeepL darüber so in die jeweils eigene Software einbetten. Darüber hinaus finanziert sich DeepL auch über Werbung für die Website linguee.com.

Mastermind kam als Sohn polnischer Einwanderer nach Deutschland

Als Mastermind hinter dieser Entwicklung gilt der technische Direktor, Jarosław Kutyłowski. Als Kind ist er mit den Eltern aus Polen nach Deutschland ausgewandert. „Ich wurde in eine neue Schule geworfen, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen“, sagt er. „Ich weiß, wie schwer es ist, eine neue Sprache zu lernen.“

Kutyłowski machte sein Abitur besuchter die Universität. Heute spricht der 41-Jährige nicht nur eloquent, sondern akzentfrei. Er hat an der Uni Paderborn in in Informatik promoviert. Dort lernte er den Gründer von Linguee kennen - es war einer seiner Kommilitonen. Inzwischen ist der langjährige Dozent in Paderborn selbst Vater eines 14-jährigen Sohnes und DeepL-Geschäftsführer.

Kutyłowski erklärt den Erfolg so: „Um unsere Qualitätsstandards zu halten, müssen wir uns für jede Sprache mehr Zeit lassen als die Konkurrenz.“ Wenn DeepL eine Sprache neu anbietet, müsse die KI zuerst mit fehlerfreien Übersetzungen gefüttert werden. Sobald die KI selbständig agieren kann, korrigieren Wissenschafter und Muttersprachler die Ergebnisse. Ob DeepL sich gegen die großen Konkurrenten aus dem Silicon Valley künftig behaupten kann, ist die spannende Frage. Google, Microsoft & Co. holen mächtig auf. Die Superlative werden schnell relativiert dieser Tage. Die Geldgeber stehen bislang voll hinter den Kölner Sprachgenies.

Im Gegensatz zu manch anderen Börsen-Stars der KI, denen der Anlegerdruck und die volatile Kursschwankungen an der Nasdaq derzeit zu schaffen machen, macht sich Kutyłowski keine großen Sorgen um Profite und Gewinn. „Wir sind zwar auch ein KI-Unternehmen, befinden uns aber in einer anderen Position“, sagt er. „Wir waren schon lange vor dem KI-Boom profitabel, haben die Profitabilitäts-Zone jedoch in diesem Jahr bewusst verlassen, indem wir Investitionen tätigen. Die jüngsten Kapitalspritzen schaffen uns Handlungsspielraum. Mein Vorhaben ist aber, möglichst bald wieder profitabel zu werden. Geld verdienen wir, indem die Lösung unter deepl.com gratis ist. Wer eine bessere Nutzererfahrung haben, höhere Sicherheitsstandards oder Garantien, kann auf ein kostenpflichtiges Modell umsteigen. Das wird von vielen Unternehmen, aber auch von Einzelanwendern genutzt.“ Die Firma aus Deutschland ist längst auf dem Sprung. In den USA wurden neue Büros eröffnet und der Standort Japan ausgebaut. „Das sind zwei unserer Kernmärkte“, so Kutyłowski.

In naher Zukunft wird es wohl in erster Linie darauf ankommen, wer am schnellsten das gesprochene Wort - „on the fly“ - übersetzen kann. DeepL ist bei dem Rennen noch in aussichtsreicher Position dabei - doch die Mittelstrecke hat sich unterdessen als ein veritabler Marathonlauf herausgestellt.

 

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Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.



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