Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) ist mit seinen 350 Sparkassen der Top-Bankenpartner der kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland. In einer aktuellen Studie haben Experten dieser Finanzgruppe Bilanzen von 300.000 Unternehmenskunden anonymisiert ausgewertet und auch die Firmenberater der Einzelunternehmen befragt.
Enormer Kostendruck
Im Ergebnis zeigt sich deutlich, dass sowohl die hohen Energiekosten in Deutschland als auch die steigenden Personal- und Materialkosten den Unternehmen die Luft abschnüren. Die finanzielle Lage der Unternehmen sei zwar noch stabil, der Trend bei den Umsatzrenditen zeigt aber steil abwärts nach Auskunft von Ulrich Reuter, Chef des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands. Er spricht davon, dass das Fundament unseres Wohlstands zunehmend unter Druck gerät.
Nach den Daten der aktuellen Studie können drei von vier Unternehmen die Kostensteigerungen nicht einfach an ihre Kunden weitergeben. Reuter sieht dies mittelfristig hochproblematisch für vernünftige Umsatzrenditen, eine gesunde Eigenkapitalquote und damit auch für eine zukünftige Investitionsfähigkeit der Unternehmen.
Deutschland kann im globalen Wettbewerb nicht mithalten
Obwohl sich die Energiepreise auch in Deutschland wieder deutlich nach unten bewegt haben, sind sie im internationalen Vergleich immer noch sehr hoch. In einer Studie des Industrieverbands BDI wurde festgestellt, dass die Gaspreise in Deutschland um den Faktor drei bis fünf höher liegen als für internationale Wettbewerber. Vor der Energiekrise im Jahr 2019 lagen die deutschen Gaspreise noch auf dem Niveau von China und lagen nur leicht über den Preisen in den USA.
Energieintensive Branchen im Abseits
Auch der DSGV weist in seiner Studie darauf hin, dass insbesondere China, die USA und auch Japan sehr viel bessere Bedingungen für die energieintensiven Branchen bieten. Deshalb setze sich der Trend zu einer Verlagerung der Produktion ins Ausland bei diesen Unternehmen in Deutschland fort. Reuter spricht in diesem Zusammenhang von einer schleichenden Deindustrialisierung, die hier in ihren Anfängen zu beobachten ist.
Die energieintensiven Branchen in Deutschland zeigen bereits eine markante Rentabiltätsverschlechterung auf. Dies wirke sich laut Reuter auch auf die notwendigen Investitionen hin zu einem klimafreundlichen Wirtschaften und Produzieren aus. Nur wenn die Unternehmen rentabel sind, kann eine entsprechende Anpassung der Geschäftsmodelle mit besseren CO2-Bilanzen vorangetrieben und auch finanziert werden.
Politik muss eingreifen
Aktuell ist der deutsche Mittelstand finanziell noch gut aufgestellt, mit einer durchschnittlichen Eigenkapitalquote von 37 Prozent, die nach Reuter auf eine stabile Lage hinweist. Allerdings fragen die Unternehmen immer weniger Investitionskredite nach und sind in Wartehaltung. Laut Reuter sei es daher sehr wichtig, auch politisch Wege zu ergründen, wie privates Kapital für die notwendigen Transformationen der Infrastruktur mobilisiert werden kann, da die notwendigen Investitionen nicht ausschließlich aus den Mitteln der öffentlichen Haushalte finanziert werden können.
Die Wettbewerbsnachteile der deutschen Unternehmen und der aktuell schon realisierte Rückstand zu China und den USA können seiner Meinung nach nur abgebaut werden, wenn das wirtschaftliche Wachstum im Lande zentraler Bestandteil der politischen Maßnahmen wird.
Stahl- und Chemiebranche begehren auf
Für den Erhalt der Stahlindustrie und entsprechende politische Maßnahmen haben sich gerade die Bundesländer mit Stahlstandorten und die Branchenvertreter bei der Bundesregierung eingesetzt. Sie forderten bezahlbare Energiepreise und eine ausreichende Versorgung mit grünem Wasserstoff.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund macht sich Sorgen um die Abwanderung von deutschen Industriebetrieben und warnt vor den substanziellen Folgen der hohen Energiepreise. Wie DGB-Chefin Yasmin Fahimi mitteilte, sei neben Stahl insbesondere die Chemieindustrie bedroht, aber auch Papier, Keramik und Zement seien stark betroffen und stünden unter einem enormen Kostendruck. Sie stellt bereits jetzt eine Verlagerung von Zukunftsinvestitionen in den Branchen fest und moniert, dass in den USA und China eine viel unternehmerfreundlichere Subventionspolitik betrieben würde.
Sollen energieintensive Branchen aus Deutschland verschwinden?
Eine ganz andere Perspektive nimmt in diesem Fall Topökonom und Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Marcel Fratzscher in einem Interview mit der Osnabrücker Zeitung ein. Er rechnet damit, dass einige energieintensive deutsche Branchen bis zur Realisierung der geplanten Energiewende mit ihrer Produktion aus Deutschland abwandern werden. Das wäre keine schlimme Entwicklung, wenn dafür qualifizierte Arbeitskräfte in Deutschland gehalten werden können und die Innovationsfähigkeit nicht verloren ginge. Auch so könnten die Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben. Er sieht die Veränderungen als notwendigen Prozess.
Seiner Meinung nach haben es deutsche Unternehmen sehr gut verstanden, sich auf Ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren und dort zu produzieren, wo es am günstigsten ist, Komponenten zu importieren und hier zu verbauen, um sie dann wieder zu exportieren.