Wirtschaft

Deutsche Wirtschaft bleibt in der Krise: Wachstumsprognosen im Sinkflug

Die deutsche Wirtschaft steckt in der Herbst-Tristesse. Unsicherheit prägt die Lage: Prognosen zeigen Rückgang des BIP um 0,1 % für 2023 und schwache Erholung in den nächsten Jahren. Unternehmen sparen, Exporte schwächeln, und der Fachkräftemangel bremst das Wachstum.
26.09.2024 13:02
Lesezeit: 3 min

Die deutsche Wirtschaft ist in einer Herbst-Tristesse. Ein Wort prägt die Lage: Unsicherheit - bei Unternehmen und privaten Haushalten. Und führende Wirtschaftsforschungsinstitute senken ihre Konjunkturprognose. Für das laufende Jahr wird nun eine sinkende Wirtschaftsleistung erwartet, für das kommende Jahr nur ein kleines Plus. Die Wirtschaft tritt weiter auf der Stelle.

Institute sind pessimistischer

Die Institute erwarten für dieses Jahr einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland um 0,1 Prozent. Für die kommenden beiden Jahre wird nur eine schwache Erholung mit Zuwächsen von 0,8 Prozent im Jahr 2025 und 1,3 Prozent im Jahr 2026 erwartet. Im Frühjahr hatten die Institute für 2024 noch ein minimales Plus von 0,1 Prozent vorhergesagt und für 2025 mit einem Wachstum von 1,4 Prozent gerechnet.

Eine „schwungvolle Erholung“ sei nicht zu erwarten, sagte Geraldine Dany-Knedlik, Konjunkturexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Im Gegenteil: Vor allem der durch den demografischen Wandel ausgelöste Fachkräftemangel bremst mittel- und langfristig das Wachstum.

Wenig Investitionen – Konsumenten sparen

Das nach wie vor hohe Zinsniveau und die hohe wirtschafts- und geopolitische Unsicherheit belasten laut der „Gemeinschaftsdiagnose“ die Investitionstätigkeit der Unternehmen. „Die privaten Haushalte legen ihr Einkommen vermehrt auf die hohe Kante, statt Geld für neue Wohnbauten oder Konsumgüter auszugeben.“ Die Sparquote lag demnach zuletzt mit 11,3 Prozent über ihrem langfristigen Niveau. Und das, obwohl viele Menschen nach höheren Lohnabschlüssen wieder mehr Geld zur Verfügung haben.

Immerhin: Die längere Zeit hohe Inflation ist deutlich gesunken. Die Institute erwarten in diesem Jahr einen Anstieg der Verbraucherpreise von 2,2 Prozent und 2,0 Prozent im Jahr 2025.

Strukturelle Probleme

Der Export als Zugpferd der deutschen Wirtschaft schwächelt. Zunehmende Konkurrenz durch hochwertige Industriegüter aus China verdrängten deutsche Exporte auf den Weltmärkten, so die Institute. Außerdem gibt es viele strukturelle Probleme: So belasten im internationalen Vergleich hohe Energiepreise viele deutsche Firmen.

Die Produktion energieintensiver Industrien liegt laut der „Gemeinschaftsdiagnose“ der Institute etwa 15 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2021. Unternehmen beklagen außerdem eine ausufernde Bürokratie, zu viele Vorgaben zum Beispiel in der Klimapolitik oder lange Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Strukturwandel hat Folgen

Viele Unternehmen stecken in einem Strukturwandel - hin zu einer klimafreundlicheren Produktionsweise. Hohe Energiepreise und andere Probleme aber belasten den Umbau. Das bleibt nicht ohne Spuren. Industriepräsident Siegfried Russwurm sagte vor kurzem, das Risiko einer De-Industrialisierung durch die stille Abwanderung und Aufgabe gerade vieler Mittelständler nehme kontinuierlich zu und sei teils schon eingetreten.

„Die Stimmung in einer wachsenden Zahl von Unternehmen in allen Regionen unseres Landes ist dramatisch schlecht“, sagte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Peter Adrian. „Mich erreichen immer mehr Hilferufe von Betrieben, die vor dem Aus stehen.“

Unternehmen in der Krise

Namhafte Traditionsfirmen sorgten zuletzt für Schlagzeilen. Beispiel Miele: Der Hausgeräte-Hersteller kündigte an, in Deutschland etwa jede neunte Stelle abbauen zu wollen - rund 1.300 Stellen. Die Nachfrage schwächelt. Unter Druck geraten ist auch eine der deutschen Schlüsselbranchen, die Autoindustrie. Sie befindet sich in einem grundlegenden Wandel.

Allerdings ist die Nachfrage nach Elektroautos eingebrochen. Das trifft Hersteller, aber auch Zulieferer. So kündigte ZF an, in den kommenden vier Jahren bis zu 14.000 Stellen in Deutschland zu streichen.

Viel Wirbel ausgelöst hat der Schritt von Volkswagen, die seit Jahrzehnten geltende Beschäftigungssicherung mit den Gewerkschaften in Deutschland aufzukündigen - Werksschließungen und betriebsbedingte Entlassungen sind nicht mehr ausgeschlossen. Dagegen gibt es erbitterten Widerstand von Betriebsrat und IG Metall.

Ampel sorgt für Unsicherheit

Die Wirtschaftsforschungsinstitute blicken kritisch auf den Zustand der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP angesichts auch von öffentlich ausgetragenen Dauerstreitigkeiten. Es gebe einen „weiteren deutlichen Anstieg der politischen Unsicherheit“, so die Institute. Die Ampel-Partner verfolgten unterschiedliche politische Ziele. Obwohl die Bundesregierung einen Haushaltsentwurf für das Jahr 2025 verabschiedet habe, bleibe die Sorge über eine mögliche „Handlungsunfähigkeit“ der Regierungskoalition.

Wachstumspaket zu kleinteilig

Die Bundesregierung will mit einer „Wachstumsinitiative“ mit insgesamt 49 Maßnahmen die Konjunktur ankurbeln. Geplant sind etwa steuerliche Verbesserungen für Firmen sowie Anreize, um das Arbeitsangebot auszuweiten. Erwartung der Regierung: Das Wachstumspaket könnte im nächsten Jahr zu einem zusätzlichen Wachstum von mehr als einem halben Prozent führen.

Das sehen die Institute nicht. Zwar biete die „Wachstumsinitiative“ einige gute Ansätze. Diese seien aber noch längst nicht umgesetzt. Es handle sich zudem um viele kleinteilige Maßnahmen, sagte Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Mit dem Paket werde man das Ruder nicht umreißen lassen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft De-minimis-Ausnahme: Trump hat europäischen Unternehmen bisher ein Geschenk im Wert von 800 Dollar hinterlassen
19.04.2025

Trumps Zollpolitik ermöglicht es europäischen Unternehmen, Waren bis 800 Dollar zollfrei in die USA zu versenden. Doch Experten warnen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Osterleckereien 2025: Warum Schokolade, Butter & Co. teurer sind denn je
19.04.2025

Ostern 2025 wird für Verbraucher teurer – besonders bei traditionellen Produkten wie Schokohasen, gefärbten Eiern und selbstgebackenem...

DWN
Immobilien
Immobilien Gewerbeimmobilien als Kapitalanlage? Lage matters!
19.04.2025

Gewerbeimmobilien bieten nach wie vor interessante Renditechancen für ausgefuchste Marktkenner. Wer klug investiert, kann von stabilen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Wettbewerbskompass: Kurskorrektur bei Technologiewettbewerb dringend nötig!
19.04.2025

Europa steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen: Der globale Technologiewettbewerb spitzt sich zu, geopolitische Krisen...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitalisierung im Bürgeramt: Passfotos ab Mai nur noch digital erlaubt
19.04.2025

Ab dem 1. Mai sind in Deutschland im Grunde nur noch digitale Passfotos erlaubt. Das neue Verfahren soll Fälschungen vorbeugen. Wer denkt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Italienische Luxusunternehmen: Prada übernimmt und trägt nun auch Versace
19.04.2025

Über einen möglichen Kauf war seit mehreren Monaten spekuliert worden: Der Luxuskonzern Prada schluckt den Konkurrenten Versace. Damit...

DWN
Technologie
Technologie „Mein alter Job als Softwareentwickler ist weg“ – Jentic-Chef über selbstprogrammierende KI-Agenten
19.04.2025

Der irische Tech-Unternehmer Sean Blanchfield ist überzeugt, dass KI-Agenten menschliche Programmierer und Softwareentwickler zunehmend...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt „We don’t believe in Outsourcing“ – Klöber zeigt, wie Produktion in Deutschland wieder gelingt
18.04.2025

Sitzen, aber richtig: Der Büromöbelhersteller aus Owingen setzt auf Inhouse-Produktion, recycelte Materialien und digitale Innovation –...