Eine Befragung des Digitalverbands Bitkom unter 172 Startups im Techbereich zeigt ein ernüchterndes Ergebnis. Im Schnitt wird die entsprechende Wirtschaftspolitik für Startups nur mit einer Schulnote 4,0 bewertet. Im Vorjahr lag die Bewertung bei 3,7. Ein Drittel aller befragten Startups straft die Politik sogar mit „Mangelhaft“ oder „Ungenügend“ ab. Ein vernichtendes Urteil für die Umsetzung der Versprechen aus dem Koalitionsvertrag der Ampel.
Beklagt werden in der Befragung insbesondere die überbordende Bürokratie, der fehlende Zugang zu öffentlichen Aufträgen und die komplizierte Gründung. Nach Ansicht von Bitkom-Präsident Wintergerst wären all diese Hürden vollkommen unnötig und könnten sofort beseitigt werden, ohne zusätzliche Haushaltsmittel in Anspruch zu nehmen. Es braucht dazu nur einfach den politischen Willen.
Aber auch die mangelhaften Finanzierungsmöglichkeiten sind ein grundlegendes Problem. Die Befragten sehen einen Ausbau des Zukunftsfonds als zentrale Maßnahme, um viel stärker institutionelle Investoren zur Bereitstellung von Wagniskapital zu motivieren. Auch dümpeln ihrer Meinung nach die Förderprogramme zur Zusammenarbeit zwischen Startups und Mittelstand vor sich hin und bräuchten dringend stärkeres Engagement von Seiten der Politik.
Kapital und Finanzierung als zentrales Problem
Fast drei Viertel der deutschen Startups wollen zeitnah in den nächsten 12 Monaten fremdes Kapital aufnehmen und brauchen es für ihre Entwicklung. Dabei brauchen fast 70 Prozent der befragten Startups mehr als eine halbe Million Euro als Aufbaumittel. Nur 30 Prozent der Befragten bezeichnen den Zugang zu Finanzierungen und Investitionen als gut. Viele der Befragten (26,9 Prozent) würden aufgrund der Bedingungen in Deutschland das nächste Mal eher im Ausland gründen – und damit 10 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Auch lässt sich ein Trend beobachten, nachdem viele deutsche Startups ins Ausland abwandern.
Stiefmütterliche Behandlung von Startups als zukünftiges Wirtschaftsproblem
Nach Ansicht von Ulrike Malmendier, die als Wirtschaftsweise aus den USA heraus die Bundesregierung berät, steht der wirtschaftspolitische Fokus zu stark auf den etablierten Wirtschaftsmotoren der Autoindustrie, der Chemie und dem Maschinenbau. Ihrer Meinung nach ist dies ein Fehler, weil diese Industrien nicht unbedingt weiterhin hohe Wachstumsraten erzielen können.
Sie sieht eine Notwendigkeit, auch junge und wachstumsorientierte Unternehmen in neuen technologischen Bereichen, wie z. B. der künstlichen Intelligenz oder der Biotechnologie zu fördern und aufzubauen. Diese könnten zukünftige Wachstumsziele erreichen, wie auch Dirk Honold bestätigt, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Nürnberg. Für ihn sind Startups ein sehr wichtiger Treiber von Innovationen in vielen Volkswirtschaften heute.
Unterentwickelte Kapitalmärkte treiben deutsche Startups ins Ausland
Obwohl die Anschubfinanzierungen von Startups in Deutschland besser sind als in vielen anderen Ländern, treibt es erfolgreiche deutsche Startups oft ins Ausland. Treibt der Erfolg der deutschen Startups diese in eine bestimmte Größenordnung, finden sie für ihr weiteres Wachstum in Deutschland einfach nicht genug Wagniskapital, so Verena Pausder, Vorsitzende des Startup-Verbandes.
Weiteres Kapital finden sie dann bei Investoren zumeist aus den USA und irgendwann gehen sie dann in einem anderen Land an die Börse und Talente und Ideen verlassen Deutschland, zusammen mit der Wertschöpfung und dem Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt. Pausder nennt hier Biontech und auch Lilium als Flugtaxibetreiber als Beispiel, die aus dem Ausland finanziert werden und bei denen mittelfristig die Gefahr bestünde, dass auch sie aus Deutschland abwandern.
Fehlende Expertise für Startups am deutschen Kapitalmarkt
Neben dem schwachen Kapitalmarkt für innovative Unternehmen fehlt es in Deutschland auch an Expertise für die Bewertung von Startups und einer kompetenten und fachkundigen Beratung von potenziellen Investoren. Darum gehen deutsche Startups auch lieber in den USA an die Börse, denn dort ist nicht nur die generelle Nachfrage nach Aktien viel größer, auch die Nachfrage nach Aktien von innovativen jungen Unternehmen ist viel stärker als in Deutschland. Die deutschen Erfolgsgründer sammeln deshalb ihr Geld dann eben in den USA ein.
Deutschland ist kein Börsenland
In Deutschland ist das Investieren an der Börse eher ein Stiefkind bei der Kapitalanlage, und viele Deutsche stehen dieser Form der Geldanlage eher misstrauisch gegenüber. Gerade mal 20 Prozent der Kapitalanleger in Westdeutschland sind an der Börse engagiert, in Ostdeutschland sind es sogar nur 10 Prozent. So wundert das Problem der innovativen Gründer, in Deutschland an genügend Geld zu kommen, auch nicht. Für Pausder ist es deshalb wichtig, Deutschland als attraktiven Börsenstandort aufzubauen, damit unser Land ein führender Technologiestandort bleiben kann, mit vielen unabhängigen Unternehmen.
Von Frankreich lernen
Frankreich macht es vor – dort hat Präsident Macron die Unterstützung von Startups zum zentralen Thema gemacht und eine Initiative gestartet, bei der institutionelle Investoren in den vergangenen Jahren bis 2023 insgesamt 6 Milliarden Euro in die französischen Technologie-Startups gesteckt haben. Das Projekt ist erfolgreich, und auch Deutschland arbeitet aktuell an einem derartigen Bündnis für Wagniskapital. Geführt von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sind dabei die Deutsche Bank, Blackrock und eine Reihe weiterer Großinvestoren an Bord.