Innerhalb der Union wächst der Widerstand gegen eine Regierungsbildung mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Ein offener Brief liegt vor, der von neun CDU-Politikern unterzeichnet wurde. Darin heißt es, man lehne eine solche Koalition ab und fordere die CDU Sachsen dazu auf, nach den Regularien der sächsischen Verfassung eine CDU-Minderheitsregierung anzustreben.
Kritik an Kretschmers „Brandmauer“ geht weiter
Zuvor hatten CDU, BSW und SPD sich auf eine Verhandlungsgrundlage geeinigt. Als Partner einer möglichen Brombeer-Koalition legten sie ein gemeinsames Papier vor. Auf der Grundlage sollen nun die Partei-Vorstände über die Aufnahme von Sondierungsverhandlungen entscheiden. Dabei sind Vorschläge zur Einigung in Bereichen wie Asyl-Gesundheit, Finanz- aber auch Schulpolitik aufgezeigt.
Im Vorfeld hatten sächsische CDU-Mitglieder einen Monat nach der Landtagswahl bereits in einem ersten offenen Brief gefordert, die Brandmauer gegen die AfD fallen zu lassen. Darunter ein ehemaliger sächsischer Staatsminister, Landräte, Bundestags- und Landtagsabgeordnete sowie ein früherer CDU-Generalsekretär. Ministerpräsident Kretschmer ist nicht auf die Forderung nach Gesprächen mit der AfD eingegangen. Jetzt folgt der zweite offene Brief weiterer CDU-Politiker gegen eine „Brombeer-Koalition“.
CDU-Widerstand gegen BSW-Bündnis in Sachsen
Innerhalb weniger Tage hat sich erneut eine Gruppe von bekannten CDU-Politikern kritisch zu den Verhandlungen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht über ein mögliches neues Regierungsbündnis in Sachsen zu Wort gemeldet: Die Unterzeichner des offenen Briefes werfen Sahra Wagenknecht, der Vorsitzenden und Namensgeberin des Bündnisses, vor, die friedliche Revolution von 1989 als „Konterrevolution“ betrachtet zu haben und ihre politischen Wurzeln in den kommunistischen Idealen von Ulbricht und Stalin zu sehen.
So habe Wagenknecht in den „Weißenseer Blättern“ unter dem Titel „Marxismus und Opportunismus – Kämpfe in der Sozialistischen Bewegung gestern und heute“ 1992 geschrieben: „Die Geschehnisse jenes Zeitabschnitts gaben Lenin und den Bolschewiki das unzweifelhafte historische Recht, ihr politisches Konzept als das einzig gangbare zu betrachten“.
„Anschlag auf Fundamente der Bundesrepublik“
Außerdem: „Nicht zu leugnen ist, dass Stalins Politik – … wohl auch in ihrer Herangehensweise – als prinzipientreue Fortführung der Leninschen gelten kann“. Ferner: „Was immer man … gegen die Stalin-Zeit vorbringen mag, ihre Ergebnisse waren jedenfalls nicht Niedergang und Verwesung, sondern die Entwicklung eines über Jahrhunderte zurückgebliebenen Landes in eine moderne Gesellschaft“.
Wagenknecht habe diese Ausführungen als mündige und erwachsene Frau getroffen, so die CDU-Initiatoren des offenen Briefs. Auch wenn sie diese Positionen in letzter Zeit nicht wiederholt habe, so ist sie deren Geist jedoch stets treu geblieben. Auch deshalb kommen die CDU-Politiker zu dem Schluss:
„Mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht und einer Neobolschewistin als Galionsfigur fängt sich die sächsische CDU den Betonflügel der früheren SED ein, dem die verbliebene Linkspartei zu westlich und zu demokratisch geworden ist. Die heute vertretene Programmatik der Wagenknecht-Partei ist ein Anschlag auf die Westintegration und die Soziale Marktwirtschaft und damit auf die politischen Fundamente der Bundesrepublik Deutschland.“
Die Autoren sehen zudem die Gefahr, dass eine Zusammenarbeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht die CDU Sachsen in eine ideologische Abhängigkeit bringen könnte, ähnlich der früheren Zugehörigkeit zum sogenannten „Demokratischen Block“ in der DDR – „aber diesmal freiwillig aus reinem Opportunismus und ohne den Druck von Sowjetpanzern, KGB-Kerkern und Genickschüssen.“
Zweierlei Maß im Umgang mit Rechts- und Linksparteien
Auch wird kritisiert, dass die CDU im Umgang mit Rechts- und Linksparteien mit zweierlei Maß messe. „Während viele Linkspartei-Wähler zum BSW überliefen, wählte ein großer Teil unserer früheren Wähler die AfD. Mit einer vergleichenden Analyse, aus der hervorgeht, was die AfD so viel gefährlicher macht als das BSW, sodass sich ihr gegenüber eine Brandmauer der Ausgrenzung erforderlich macht, während andererseits Pilgerfahrten an den Hof von Frau Wagenknecht stattfinden, ist die CDU bisher nicht hervorgetreten“, heißt es in dem Schreiben.
Und: „Eine Mauer gebaut und 17 Millionen Menschen darin fast dreißig Jahre lang eingesperrt hat die AfD jedenfalls nicht.“ Mit Brandmauern werde man Wähler gewiss nicht zurückgewinnen. „Im Gegenteil: Wer Wählern, die seit Jahren von Wahl zu Wahl immer stärker gegen eine allgegenwärtige linke Bevormundung aufbäumen, als Konsequenz eine immer linkere Regierung präsentiert, der verhöhnt deren politischen Willen und untergräbt deren Vertrauen in die Demokratie.“
Forderung: CDU-Minderheitsregierung statt „Brombeer-Koalition“
Bei den Landtagswahlen in Sachsen im September schnitt die CDU als stärkste Partei ab und holte 31,9 Prozent der Stimmen – dicht gefolgt von der AfD mit 30,6 Prozent der Stimmen. Der große Wahlsieger war das Bündnis Sahra Wagenknecht, das aus dem Stand 11,8 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte. Da die CDU eine Zusammenarbeit mit der AfD prinzipiell ausschließt, muss sie Mehrheiten links der Mitte finden. Deshalb sondierten Politiker von CDU, SPD und des linkspopulistischen Bündnisses Sahra Wagenknecht die Möglichkeiten einer sogenannten „Brombeer-Koalition“.
Der Ausgang ist dabei ungewiss – ein relevanter Teil der CDU aber spricht sich gegen eine solche Regierung aus. Der Brief ist unterzeichnet von Dr. Matthias Rößler, Arnold Vaatz, dem ehemaligen Dresdener Oberbürgermeister Dr. Herbert Wagner, Manfred Kolbe, Gerhard Gey, Volker Schimpff, Volker Bandmann, Frank Kupfer und Angelika Pfeiffer.
Die Initiatoren des Vorstoßes sind einstige langjährige Bundestagsabgeordnete, Staatsminister, Landtagspräsidenten und Bürgermeister. Ihre Stimme dürfte Gewicht habe.