Technologie

Reifenhersteller wandern ab - nur Pirelli investiert sogar am Standort Deutschland

Zu teuer, nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Klagen der Reifenhersteller am Standort Deutschland klingen fast alle moribund. Michelin, Conti & Co. sind eifrig dabei, ihre Werke an Billigstandorte (vor allem in Osteuropa) zu verlagern. Nur die italienische Marke Pirelli geht den entgegengesetzten Weg. Qualität hat seinen Preis. Deutschland sei Premium, heißt es im Werk im Odenwald, es lohne sich deshalb auch in Zukunft.
25.10.2024 12:10
Lesezeit: 3 min
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Es war eine einmal bewährte Tradition in Deutschland, dass hier nicht nur Autos für die Welt produziert wurden, sondern auch die dazugehörigen Reifen. Die Kunden waren lange auch bereit, für Markenware etwas mehr zu berappen, wenn nötig. Es schickt sich halt, mit Michelin oder Pirellis vorzufahren (statt mit Hankook auf der Reifenwand) – besondere Felgen lässt man sich ja auch extra Geld kosten.

Inzwischen muss mal schon genauer hinschauen. Bei Conti-Reifen etwa steht nicht selten zwar„Engineered in Germany“ auf dem Pneu. Doch in Wirklichkeit wird er irgendwo in einem Billiglohnland produziert.

Reifen herzustellen, ist teuer. Und in Folge der Energiekrise seit 2022 sehen sich immer Hersteller zum Rückzug gezwungen. Michelin zum Beispiel. 1500 Arbeitsplätze fallen da in diesem Jahr in Deutschland weg. Der französische Reifenhersteller reagiert auf höhere Produktionskosten und Konkurrenz aus Niedriglohnländern, heißt es. Bis Ende 2025 soll die Produktion in Karlsruhe und Trier schrittweise eingestellt und das Kundenzentrum ins benachbarte Polen verlegt werden. Bad Kreuznach soll verbleiben. Im Werk Homburg wird die Produktion lediglich eingeschränkt. Auch von dort kommen keine neuen Reifen mehr, es werden aber Reifen weiter runderneuert.

Goodyear geht aus Deutschland weg, selbst Michelin packt und geht

Unlängst hatte bereits der US-Konzern Goodyear angekündigt, seine Reifenproduktion im brandenburgischen Fürstenwalde einzustellen und auch das traditionsreiche Werk in Fulda zu schließen. 1.800 Arbeitsplätze fallen weg.

Continental, immerhin ein börsennotierter deutscher Konzern im Dax hat bis auf das Werk im nordhessischen Korbach gleichfalls die Fabriken in Länder mit niedrigeren Kosten verlagert. Vor allem Osteuropa lockt.

Dass es auch anders geht, beweist immerhin die Firma Pirelli. Sie geht einen ganz eigenen Weg und lässt sich weiterhin „Made in Germany“ bezahlen von den markenbewussten Kunden. Pirelli fühlt sich offenbar gut aufgehoben im Image bildenden Hochpreis-Segment - und das soll so bleiben. In Breuberg im Odenwald hat Pirelli jetzt sogar eigens ein Entwicklungszentrum eingerichtet, wo Testfahrer den Pneus alles abverlangen, um auch künftig technologisch Marktführer zu bleiben. Dass der italienische Reifenkonzern ausgerechnet in Südhessen einen Simulator für die virtuelle Reifenentwicklung betreibt, überrascht trotzdem. Immerhin 250 Ingenieure arbeiten an dem abgelegenen Standort. Insgesamt 2500 Mitarbeiter fertigen Reifen für Pkw und Motorräder. Anders als die Konkurrenz baut Pirelli in Deutschland nicht ab, sondern investiert,

Mit Innovation und Technologie als Premiumprodukt reüssieren

„Wir haben den Anspruch, den Standort dauerhaft wettbewerbsfähig zu halten. Mit Innovation, Technologie und den anstehenden Investitionen wird uns das auch gelingen“, sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung, Wolfgang Meier. Pirelli will bis 2026 insgesamt 25 Millionen Euro in die Fabrik stecken, um die Produktionsanlagen auf den neuesten Stand zu bringen und gleichzeitig - zeitgemäß - den Energiebedarf um rund 80 Prozent abzusenken.

Und wie schafft es, Pirelli im Wettbewerb klarzukommen und zu bestehen? Pirelli-Chef Meier sagt: „Der Unterschied zu anderen Werken besteht in den Personalkosten. Punkt. Die Rohstoffpreise kommen vom Weltmarkt, sie sind für alle gleich. Und die Energiekosten sind in vielen Ländern Osteuropas auch nicht niedriger.“

Die etwas höheren Lohnkosten in Deutschland schrecken Meier nicht. „Diese Diskussion haben wir vor 30 Jahren schon geführt.“ Wer wert legt auf Pirelli-Pneus, lässt sich das im Einzelhandel etwas kosten.

Wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, welche Fahrzeug mit Pirelli ausgeliefert werden. Es sind die teuren Reifen für die teuersten Marken. Porsche, BMW, Mercedes und Audi. Und natürlich die italienischen Boliden von Ferrari. Bei den Motorrädern läuft es ähnlich. Da sind es die Metzeler-Reifen, die als Qualitätsprodukt gelten und nicht als Discount-Marke. Was für Biker klar ein Kaufargument ist – dieser Markt sei sogar stabiler als der bei Luxus-Karossen. „Pirelli hat einen klaren Fokus auf die Segmente Premium und Prestige. Das sind die einzigen Segmente im Reifenmarkt, die kontinuierlich wachsen“, sagt Meier. Nicht selten werden sogar Reifen maßgeschneidert und für neue Modelle und neue Fahrzeugtypen in ihrer Entwicklungsphase eigens zugeschnitten.

Wie beim guten Kaffee kommt es auf die Mischung an - auch beim Gummi

Wie beim guten Kaffee kommt es auch beim richtigen Gummi auf die perfekte individuelle Mischung an. Getestet wird alles am Simulator, dort lasse es sich besser sparen. Wobei es längst nicht nur um die Reifen selbst in der Zusammenarbeit mit den Fahrzeugherstellern. Über Sensoren wird inzwischen der Zustand der Straßen gemeldet und beim Fahrverhalten des Autos berücksichtigt. So kommt es denn, dass Pirelli stolz von über 15 Prozent Gewinnmarge berichten kann und entsprechend sehr zuversichtlich ist für den Standort im schönen Odenwald.

Auch Pirellis Anteil am Weltmarkt kann sich sehen lassen. Das italienische Unternehmen peilt mit seinen schnellen Kautschuk-Socken die Zehn-Prozent-Marke an – derzeit sind es noch sieben Prozent. Die Aktie von Pirelli ist an der Börse jedenfalls so begehrt wie der traditionsreiche Pirelli-Kalender. Der verzichtet zwar inzwischen auf nackte Tatsachen, gilt aber immer noch als „State of the Arts“ und künstlerisch gestaltetes Premiumprodukt - so wie die Pneus.

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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