Politik

Reifenhersteller Michelin schließt deutsche Werke

Lesezeit: 4 min
05.12.2023 09:47  Aktualisiert: 05.12.2023 09:47
Nachdem bereits der Konkurrent Goodyear Werksschließungen angekündigt hatte, folgt jetzt Michelin. In Deutschlands Autobranche schlägt die politisch verordnete Krise voll ein.

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Nach der Ankündigung von Werkschließungen und des Abbaus von mehr als 1.500 Arbeitsplätzen drohen beim französischen Reifenhersteller Michelin betriebsbedingte Kündigungen.

Die Gewerkschaft IG BCE will möglichst viele der Arbeitsplätze retten. Man arbeite an Alternativkonzepten für die betroffenen Standorte Karlsruhe, Trier und Homburg und Überlegungen, wie sich dort die Produktivität steigern lasse, sagte Matthias Hille, Leiter des IG-BCE-Bezirks Mainz der Deutschen Presse-Agentur. „Mitte oder Ende Januar wollen wir dem Konzern Ideen vorstellen.“ Man sei auch in Gesprächen mit der Politik.

Preise für Erdgas und Strom explodieren

Bei der Rettung der Arbeitsplätze steht die IG BCE vor einer schwierigen Aufgabe. Er habe die Hoffnung, einzelne Beschäftigte am Standort Bad Kreuznach unterzubringen, sagte Hille. „Da reden wir aber nicht über Hunderte.“ Denn auch Bad Kreuznach habe mit einer schwankenden Auftragslage zu kämpfen. Generell gebe es keine Klausel bei Michelin in Deutschland, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließe.

Hille nahm den Konzern bei den anstehenden Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern in die Pflicht. „Michelin muss seinen Ankündigungen, für die Menschen da zu sein, Taten folgen lassen. Wenn wir keine Alternativen finden für die Menschen, müssen wir über einen Sozialplan sprechen.“

„Wir können betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließen“, sagte eine Konzernsprecherin. Maria Röttger, Präsidentin der Michelin-Region Nordeuropa, erklärte: „Zum jetzigen Zeitpunkt ziehen wir verschiedene Maßnahmen, wie das Prüfen interner Beschäftigungsmöglichkeiten und die Dienste einer Transfergesellschaft in Betracht. Ich bin zuversichtlich, dass alle Mitarbeiter eine Perspektive haben.“ Man werde jeden einzelnen unterstützen.

Michelin begründet den Kahlschlag mit der hohen Inflation und stark gestiegenen Produktionskosten in Deutschland. „Insbesondere der Erdgaspreis in der Industrie hat sich seit 2015 verdoppelt, und die Stromkosten sind um 51 Prozent gestiegen“, berichtet der auf Energiethemen spezialisierte Blog Blackout News.

Michelin beendet Lkw-Reifenproduktion in Deutschland

Der französische Reifenhersteller hatte am Dienstag verkündet, die Werke in Karlsruhe und Trier bis Ende 2025 zu schließen. Zudem will Michelin die Lkw-Neureifen- und Halbfabrikatfertigung in Homburg (Saarland) einstellen.

Insgesamt sind 1410 Beschäftigte in der Produktion von den Plänen betroffen. Mit der Umstrukturierung zieht sich Michelin aus der Herstellung von Lkw-Reifen in Deutschland zurück. Zudem will der Konzern ein Kundenkontaktzentrum von Karlsruhe nach Polen verlagern, was weitere 122 Menschen trifft.

Als Grund gab Michelin Konkurrenz durch Lkw-Billigreifen aus Niedriglohnländern, Überkapazitäten und steigende Produktionskosten an. Die Runderneuerung von Lkw-Reifen in Homburg und das Pkw-Reifenwerk in Bad Kreuznach seien nicht von der Umstrukturierung betroffen, für die der Konzern 425 Millionen Euro Kosten einplant.

Politisch verordnete De-Industrialisierung

Erst kürzlich hatte der US-Konzern Goodyear angekündigt, die Reifenproduktion in Fürstenwalde einzustellen und sein Werk in Fulda zu schließen. Davon sind rund 1.800 Arbeitsplätze betroffen. Bereits im Jahr 2020 hatte Continental das Aus für ein Werk in Aachen angekündigt. In Deutschland gibt es laut IG BCE noch zwölf Reifenwerke, mit den Plänen von Goodyear und Michelin könne ein Drittel davon wegfallen.

Die beiden wichtigsten Gründe für die Werkschließungen und Verlagerungen von Produktionskapazitäten ins Ausland sind die Klima-Politik der aktuellen Bundesregierung (inklusive CO2-Sondersteuern und massiven Eingriffen ins Wirtschaftsgeschehen) und die sogenannte Energiewende, welche ebenfalls mit dem Kampf gegen eine angebliche Erderwärmung begründet wird.

Lesen Sie dazu: Wohlstand für keinen: Habecks Vision für Deutschland

Beide Faktoren haben dazu geführt, dass die Preise für Elektrizität und fossile Energieträger hierzulande deutlich höher sind als im europäischen Ausland oder in Übersee und eine Produktion in Deutschland nicht mehr rentiert.

Krise in der Auto-Industrie verschärft sich

Continental-Chef Nikolai Setzer will den Autozulieferer weiter verschlanken. Nachdem das Verbrennergeschäft bereits als Vitesco abgespaltet wurde, stellt er nun weitere Teile des Autoteile-Segments auf den Prüfstand.

Man prüfe, Teile der Automotive-Sparte auszugliedern, kündigte Konzernchef Nikolai Setzer am Montag beim Kapitalmarkttag des Dax-Konzerns in Hannover an. Insgesamt gehe es um rund ein Viertel des Umsatzes der Sparte. Einen Komplettverkauf des Geschäftsfelds schloss er aber aus.

Konkret gehe es zunächst um das Geschäft mit Auto-Cockpits und Displays. Das Geschäftsfeld mit bisher 3,5 Milliarden Euro Umsatz werde zunächst organisatorisch selbstständig aufgestellt, um dann möglich Optionen prüfen zu können. Von einem Einstieg eines Investors, einer Gemeinschaftsfirma bis hin zu einem Verkauf oder Börsengang sei alles möglich.

Entschieden sei aber noch nichts, einen Zeitplan nannte Setzer auf Nachfrage nicht. Daneben prüfe man dasselbe für weitere, kleine Randbereiche der Sparte mit zusammen 1,4 Milliarden Euro Umsatz. Einzelheiten nannte Setzer noch nicht. Das Geschäft mit dem Autonomen Fahren stehe dabei aber nicht auf dem Prüfstand, betonte Setzer.

Mit dem Schritt will Continental noch stärker vom reinen Teilelieferanten zum Technologiepartner der Autobranche werden. Im Sommer hatte der Konzern bereits angekündigt, in der Sparte Contitech, das Automotive-Geschäft abzutrennen und auch hier alle Optionen vom Einstieg eines Partners bis hin zu Verkauf oder Börsengang zu prüfen. Der Bereich stellt unter anderem Schläuche und Leitungen her, beliefert aber auch die Bergbauindustrie etwa mit Förderbändern. Bis 2025 solle der Umbau hier abgeschlossen werden, kündigte Setzer an. Einzelheiten zu möglichen Gesprächen mit potenziellen Partnern nannte er noch nicht.

Vor zwei Jahren hatte der Konzern schon das Verbrenner-Geschäft in Vitesco ausgelagert und an die Börse gebracht. Zuletzt war spekuliert worden, Continental könnte sich auf das profitable Reifengeschäft und den Industriebereich von Contitech etwa mit Förderbändern konzentrieren. Dem erteilte Setzer nun eine Absage. „Automotive bleibt bei uns ist auch künftig eine starke Säule“, sagte er. Man sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Continental für dieses Bereich der beste Eigentümer sei. „Und wir sehen hier großes Potenzial.“

Auch nach der möglichen Abspaltung des Cockpit-Geschäft und der weiteren Bereiche sei der Bereich mit rund 15 Milliarden Euro Umsatz noch ebenso groß wie das eigene Reifengeschäft. „Damit sind wir immer noch ein großer Player.“

„Sind nicht zufrieden“ – aber Aktionäre bekommen mehr

Insgesamt sei Continental zuletzt hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben, räumte Setzer ein. Seine 2020 gesteckten Ziele habe man bisher nicht erreicht. «Insbesondere im Automotive-Bereich dauert es länger, als 2020 angenommen. Wir sind mit dem Erreichten nicht zufrieden.»

Um die Kosten zu senken, will Continental in dem Segment nun auch seine Ausgaben für Forschung und Entwicklung senken. Im Automotive-Bereich sollen diese Ausgaben von derzeit zwölf Prozent des Umsatzes zunächst auf elf Prozent und mittelfristig - also in drei bis fünf Jahren - auf unter zehn Prozent sinken.

Um das zu erreichen, soll auch die Zahl der bisher weltweit 82 Entwicklungsstandorte reduziert werden. Es gehe vor allem darum, kleine und ineffiziente Standorte mit anderen zusammenzulegen. Zudem hatte Continental bereits angekündigt, in der Verwaltung der Sparte Stellen abzubauen. 400 Millionen Euro sollen so eingespart werden. Berichte zufolge sollen rund 5.500 Verwaltungsstellen wegfallen.

Erhöhen will Continental dagegen die Ausschüttungen an seine Aktionäre. Statt der bisher in Aussicht gestellten 15 bis 30 Prozent des Nettogewinns wolle man künftig 20 bis 40 Prozent als Dividende auszahlen, kündigte Finanzvorständin Katja Garcia Vila an.


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